Bietigheim-Bissingen klagt gegen Ludwigsburg Wie viel Rücksicht ist nötig?

Von Frank Ruppert
Breuninger will sein Einkaufszentrum im Tammerfeld erweitern, die Verkaufsfläche soll aber nicht vergrößert werden. Trotzdem klagen Tamm und Bietigheim-Bissingen dagegen.⇥ Foto: Martin Kalb

Vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart ging es am Mittwoch um die Frage, ob Ludwigsburg mit der Erweiterung des Breuningerlands den Nachbarn Tamm und Bietigheim-Bissingen schadet.

Wie sehr würde eine Erweiterung des Breuningerlands im Tammerfeld der Gemeinde Tamm und der Großen Kreisstadt Bietigheim-Bissingen schaden? Damit befasst sich derzeit die 15. Kammer des Verwaltungsgerichts Stuttgart. Am Mittwoch fand dazu eine mündliche Verhandlung statt.

Hintergrund

Tamm und Bietigheim-Bissingen gehen unter anderem gegen einen Bauvorbescheid vor, den die Stadt Ludwigsburg erlassen hat. Breuninger will sein Einkaufszentrum um 7600 Quadratmeter im südlichen Bereich erweitern. Die dort weggefallenen Parkplätze sollen durch die bereits erfolgte Aufstockung des Parkhauses West kompensiert werden. Zudem soll dort Platz für 130 zusätzliche Parkplätze entstehen. Bei der Erweiterung des Einkaufszentrums soll die Gesamtverkaufsfläche des Zentrums nicht erweitert werden. Laut Breuninger gehe es dort unter anderem um Gastronomie und Dienstleistungen.

Die Verhandlung

Knapp dreieinhalb Stunden werden am Mittwochvormittag Argumente und Rechtsauffassungen ausgetauscht. Die Richterbank unter Vorsitz von Ulrike Göppl besteht aus zwei weiteren Berufsrichtern und zwei ehrenamtlichen.

Die Kläger

Für Bietigheim-Bissingen und Tamm als Kläger streitet Rechtsanwalt Dr. Alexander Kukk. Die Kläger sind der Auffassung, dass Ludwigsburg durch den Erlass eines Bauvorbescheids zur Erweiterung des Einkaufszentrums gegen das interkommunale Rücksichtnahmegebot verstößt. Das besagt vereinfacht, dass die Belange der Nachbarn beachtet werden müssen und ihnen aus dem Bauvorhaben keine großen Nachteile entstehen dürfen.

Die Erweiterung habe aber deutlich spürbare negative Folgen auf die Ortsmitte in Tamm und das Stadtzentrum Bietigheim-Bissingens. Schon jetzt ziehe das Einkaufszentrum Gewerbe und Einnahme aus den Nachbargemeinden ab. Auch die zusätzlichen Parkplätze und der damit verbundene Zuwachs an Verkehr sei beim Bauvorbescheid nicht bedacht worden. Der Vorwurf: Ludwigsburg schere sich nicht um die Auswirkungen auf Tamm und Bietigheim-Bissingen.

Kukk greift auch den  fast 50 Jahre alten Bebauungsplan an, auf den sich Ludwigsburg stützt. Seine Argumentation: Wegen eines Formfehlers sei der ganze Plan nichtig. Kukk legt sich bei der Verhandlung immer wieder mit der Gegenseite an und führt aus, dass erst jetzt etwas gegen gegen das Einkaufszentrum unternommen werde, weil bei den Kommunen in den letzten Jahrzehnten auch die Erkenntnis reifen musste, dass sie dadurch beeinträchtigt werden.

Die Beklagte

Die Klage richtet sich gegen die Stadt Ludwigsburg, die von Rechtsanwalt Professor Dr. Hans Büchner vertreten wird. Weil Breuninger betroffen ist, ist das Unternehmen als Beigeladene dabei und wird durch Dr. Torsten Gerhard vertreten.

Die beiden Juristen weisen einen Fehler im alten Bebauungsplan ebenso zurück wie eine Verletzung des interkommunalen Rücksichtsgebots. „Wir haben noch nie mit einer Stadt zu tun gehabt, die so sehr auf die Belange der Nachbarkommunen und des Einzelhandels geachtet hat“, erklärt Gerhard.

Breuninger wollte demnach ursprünglich sogar die Verkaufsfläche erweitern, aber weil Ludwigsburg nicht mitgezogen habe, habe man sich auf die nun gefundene Lösung geeinigt.

Der Standpunkt Ludwigsburgs ist, dass, eben weil die Gesamtverkaufsfläche nicht erhöht wird, keine großen negativen Auswirkungen für die Nachbarkommunen zu erwarten seien. Die Gastronomie und Dienstleistungen, die hinzu kommen, reichten nicht dazu aus, einen Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme festzustellen.

Das Gericht

Richterin Göppl und ihre Kollegen gehen in der Verhandlung auf jeden möglichen Teilaspekt ein, teilweise auch solche, die bis dato von den Parteien noch nicht thematisiert wurden. Göppl lässt zu Beginn durchblicken, dass die Vielzahl der Baugenehmigungen im Einkaufszentrum und die häufigen Nutzungsänderungen verschiedener Läden es schwer machen, den Durchblick zu behalten. Immer wieder weist sie darauf hin, dass man in diesem Verfahren nur auf die nun angedachte Erweiterung schaue und nicht auf die Auswirkungen, die das Breuningerland generell auf das Umland habe.

So geht es weiter

Weil die rechtlichen Fragestellungen nicht unkompliziert sind, sind nun mehrere Szenarien möglich. Wie Göppl selbst erklärt, werde am Freitag eine Entscheidung mitgeteilt. Das könne ein Urteil sein, es könne aber auch sein, dass erneut verhandelt werden müsse oder dass das Verfahren ausgesetzt werde. Ludwigsburg hat inzwischen einen neuen Bebauungsplan ausgearbeitet, den greifen Tamm und Bietigheim-Bissingen mit einer Normenkontrolle vor dem Verwaltungsgerichtshof an. Das könnte zur Aussetzung des aktuellen Verfahrens führen.

 
 
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