Bietigheim-Bissingen Klinikenchef will nichts schönreden

Von Uwe Mollenkopf
Ein finanzieller Notfall? Das Bietigheimer Krankenhaus schreibt auch 2025 Verluste. Es soll aber wieder investiert werden.  Foto: /Martin Kalb

Dr. Marc Nickel stellte im Gemeinderat die Planungen der Kreis-Kliniken für 2025 vor und übte harsche Kritik an der vorgefundenen Situation. Man müsse sparen, aber auch wieder wachsen.

Die Zahlen könne man nicht schönreden, „das sieht nicht gut aus“, erklärte der Medizinische Geschäftsführer und Sprecher der Geschäftsführung der „RKH Gesundheit“, Dr. Marc Nickel, am Dienstagabend ganz unverblümt im Gemeinderat von Bietigheim-Bissingen. Nickel war eingeladen worden, um in der Ratsrunde die Unternehmensplanung der RKH-Kliniken Ludwigsburg-Bietigheim für 2025 zu erläutern, für die er nach der vorzeitigen Trennung von Prof. Dr. Jörg Martin im vergangenen Jahr erstmals die Verantwortung trägt. Das tat er – mit deutlichen Worten.

Defizit von 44 Millionen erwartet

Eingangs hatte Oberbürgermeister Jürgen Kessing, der stellvertretende Vorsitzende des Aufsichtsrats der RKH-Kliniken Ludwigsburg-Bietigheim und der RKH-Holding, die Zahlen genannt, auf die sich Nickel bezog. 2024 habe man mit einem Defizit von knapp 49 Millionen abgeschlossen, so Kessing, für 2025 werde mit einem Verlust von 44,3 Millionen Euro gerechnet. Dazu trägt das Krankenhaus Bietigheim-Vaihingen 9,7 Millionen Euro bei, das Klinikum Ludwigsburg 32,4 Millionen Euro. Ein Verlust von über zwei Millionen Euro entsteht in Marbach.

Nickel sagte dazu, man habe Kassensturz gemacht und wolle mit offenen Karten spielen. Die Kliniken hätten sich schon 2022 in einer Schieflage befunden, während der Coronazeit mit den damaligen Staatshilfen seien die Probleme aber kaschiert worden. Nun brauche man ein Konsolidierungsprogramm, wobei er nicht nur sparen, sondern auch wachsen wolle, um „das Unternehmen auf die Schiene zu bringen“.

Ohne seinen Vorgänger beim Namen zu nennen, übte der neue Klinikenchef harsche Kritik an der vorgefundenen Situation. In den letzten Jahren habe es „eine strategische Fehlausrichtung“ gegeben, sagte er. Wie auch schon von Kessing angesprochen, wies er insbesondere auf den Einsatz von Leiharbeitnehmern hin, für welche die Kosten nur zur Hälfte von den Krankenkassen übernommen werden. Das habe in den Jahren 2020 bis 2024 zu nicht refinanzierbaren Kosten von 40 Millionen Euro geführt, so Nickel.

Man müsse nun dringend die Sach- und Personalkosten unter die Lupe nehmen, wozu ein externes Unternehmen hinzugezogen worden sei. Allerdings nicht mit dem Rasenmäher, wie Nickel betonte. Er wolle keine „Blutgrätsche“, so der Klinikenchef, der über die Kalkulation von Fallkosten in der Kardiologie promoviert hat. Er setze stattdessen auf Mitarbeitergespräche.

Apropos Personal: Hier beklagte Nickel Probleme in der Führungsstruktur und bei den Steuerungssystemen in der Vergangenheit. Es fehle an Organigramm, Stellenbeschreibungen und auch Controlling.

„Marktanteil“ erhöhen

Neben den Sparanstrengungen sei es sein Ziel, den „Marktanteil“ der Kreiskliniken von derzeit 52 Prozent im Kreis auf 60 bis 65 Prozent zu steigern, blickte Nickel voraus. Andere Kliniken hätten sich von der Coronazeit besser erholt. Man müsse attraktiver werden, was auch viel mit Organisation zu tun habe. „Bevor wir Drohnen fliegen lassen, sollten wir uns lieber darum kümmern, dass die Patienten uns gut erreichen können“, nannte der Kliniken-Geschäftsführer ein Beispiel.

Eine Absage erteilte er den Überlegungen zur Errichtung eines Zentralklinikums im Kreis. Dagegen spreche, dass man einen Versorgungsauftrag in einem Flächenlandkreis habe wie auch die Sonderabschreibungen, die dann anfielen. Die Auswirkungen der Krankenhausreform seien in der Planung allerdings noch nicht berücksichtigt, da diese erst ab 2026 wirksam werden. Wichtig sei, Mittel aus dem geplanten Transformationsfonds zur Modernisierung der Krankenhausstrukturen zu erhalten.

Mit Blick auf das Bietigheimer Krankenhaus wurde aufgrund der Unsicherheiten im Zusammenhang mit der Krankenhausreform die Umsetzung des dortigen Neubaukonzeptes gestoppt. Im Unternehmensplan heißt es dazu, das Risiko, dass sich das bauliche Konzept nicht mehr im Rahmen der Krankenhausreform bewege, habe den harten Einschnitt notwendig gemacht.

Modulbauten in Bietigheim?

Gleichzeitig ist nun aber auch wieder von Baumaßnahmen die Rede. Es sollten nun zunächst die erforderlichen Sanierungen im Patientenbereich vorangetrieben werden, so der Plan. In diesem Zusammenhang werde auch geprüft, ob nicht die Errichtung eines Interim-Modulbaus auf der Freifläche eine wirtschaftlichere und bessere Lösung darstellen könnte. Wie Nickel auf Nachfrage aus dem Gremium sagte, könnten solche Modulbauten schnell errichtet werden, seien von hoher Qualität und 25 bis 30 Jahre haltbar. Er denke an 120 bis 200 Betten. Der sanierungsbedürftige Bettenbau könne dann „eliminiert“ werden.

In einem Jahr will Nickel fertig sein mit seinem Strategiekonzept. Dem Gemeinderat kündigte er jetzt schon an, es werde auch „unschöne Entscheidungen“ geben. Im Rems-Murr-Kreis, wo er zuletzt Medizinischer Geschäftsführer war, habe es für sein Konzept aber große Zustimmung gegeben.

Der Gemeinderat beauftragte seine Vertreter ohne Gegenstimmen, in den Kliniken-Aufsichtsräten der Unternehmensplanung für 2025 zuzustimmen. Am Freitag kommt das Thema in den Kreistag in Ludwigsburg.

 
 
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