Bietigheim-Bissingen Kranführerin – Ein Job mit Fingerspitzengefühl

Von Bettina Nowakowski
Als eine der wenigen geprüften Kranführerinnen in Deutschland kümmert sich die 20-jährige Annika Geiger um den Einsatz, Transport und die Wartung von tonnenschweren Kränen. Foto: /Oliver Bürkle

 Annika Geiger hat sich für einen Beruf entschieden, der zumindest für Frauen immer noch etwas Besonderes ist: Kranführerin.

Ich wollte auf keinen Fall einen Bürojob“, erklärt Annika Geiger, die sich gerade auf die Prüfung für ihren Kranschein vorbereitet. Zuvor hat sie eine Ausbildung als Berufskraftfahrerin für Schwertransporte bei dem Familienunternehmen Wiesbauer in Bietigheim-Bissingen absolviert.

Über ihre Schwester, die bei dem Unternehmen im kaufmännischen Bereich arbeitet, kam Annika Geiger über ein Praktikum zu Wiesbauer. Schnell fasste die 20-Jährige den Entschluss, eine Ausbildung als Berufskraftfahrerin zu machen. „Meine Eltern waren erst einmal platt“, erinnert sich Annika Geiger, „aber sie haben mich von Anfang an unterstützt.“ Die dreijährige Ausbildung befähigt zur Durchführung von Schwertransporten, Wartung und Pflege der Fahrzeuge. Seit zwei Jahren erst kann man die Zusatzqualifikation zum Kranführer oder zur Kranführerin über die IHK Stuttgart nach sechs Monaten Schulung ablegen, aktuell läuft ihr Kurs noch über Onlineveranstaltungen.

Nur zehn geprüfte IHK-Kranführer in Deutschland

„In ganz Deutschland gibt es zehn IHK-ausgebildete Kranführer, vier davon hier bei uns bei Wiesbauer“, erklärt Ausbildungsleiter Bernd Neuefeind. Als Kranführer wird man vor allem bei regionalen Bauprojekten eingesetzt. „Im Gegensatz zu den normalen Berufskraftfahrern liegt der Schwerpunkt bei uns auf Schwertransporten und Kraneinsätzen“, so Bernd Neuefeind.

Als Voraussetzung brauche man ein großes Verantwortungsbewusstsein, sowohl für die Arbeit als auch für das Gerät. Außerdem spielt die körperliche Verfassung eine große Rolle, denn es ist durchaus eine anstrengende Arbeit, beim Kranaufbau mitzuhelfen. „Dass Frauen eine Ausbildung als Berufskraftfahrerin absolvieren, ist schon relativ häufig“, weiß der Ausbildungsleiter. „Eine Zusatzqualifikation als geprüfte Kranführerin ist aber eher noch außergewöhnlich.“

Frauen immer noch die Ausnahme auf den Kränen

Auch Annika Geiger hat dabei mit Klischees zu kämpfen auf den Baustellen, die nach wie vor eher eine Männerdomäne sind. „Als Frau wird man immer wieder darauf angesprochen“, weiß die zukünftige Kranführerin aus Erfahrung.

„Ich werde oft gefragt, wie alt ich denn sei, ich wäre ja noch so jung“, schmunzelt sie. Seit über einem Jahr bewegt sie schon Kräne und hat es „im Griff“, wie sie sagt. Sie nehme das mit Humor: „Letztendlich sehen die Leute, dass ich meinen Job im Griff habe, das verschafft Respekt.“ Es habe allerdings ein gutes Jahr gedauert, bis sie sich an die enormen Größenverhältnisse gewöhnt habe. Für den Aufbau und die Sicherung der schweren Geräte ist zudem Fingerspitzengefühl und viel Konzentration notwendig.

„Wenn ich Hilfe brauche, zum Beispiel, um die Gitter aufzuladen, bekomme ich die auch“, so Annika Geiger. Reizvoll an diesem Beruf sei, dass man viel herumkomme. „Es ist viel Abwechslung, ich mache eigentlich selten bis nie dasselbe.“

Wichtig ist, dass man teamfähig sei, flexibel und gute Nerven habe. „Man muss auch mal ein Wortgefecht durchstehen und sich durchsetzen können“, so Annika Geiger. Auch vor Samstag- und Sonntagsarbeit und Arbeitszeiten morgens um vier Uhr bis in die Nacht darf man sich nicht scheuen. Annika Geiger empfiehlt, auf jeden Fall einmal ein Praktikum zu machen und dabei zu schauen, ob man für den Job geeignet ist.

Annika und ihr Kran namens „Distelzieher“

Ihrem Kran hat sie den Spitznamen „Distelzieher“ gegeben. Flink steigt sie in das Führerhaus und bedient die digitale Steuerung, um den langen Kranarm auszufahren und zu schwenken. Was so einfach aussieht, ist immer Präzisionsarbeit. Und hat auch einen hohen Wert: bis zu 500 000 Euro kostet so ein Kran. Der Tank fasst 420 Liter Diesel.

Bei größeren Reparaturen kommt der Kran in die firmeneigene Werkstatt der Firma Wiesbauer, „kleinere Reparaturen mache ich aber selbst“, so die junge Berufskraftfahrerin. „Es ist hier sehr familiär und kollegial, auch auf den Baustellen.“ Für Annika Geiger ein Job, der genau zu ihr passt und alles andere als „normal“ ist.

 
 
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