Die Mietpreisbremse im Land Baden-Württemberg wird ausgeweitet – von zuvor 89 Städten und Gemeinden auf nunmehr 130 Kommunen. In Bietigheim-Bissingen jedoch wird das Instrument voraussichtlich zum Jahresende auslaufen. Die Stadt an Enz und Metter erfüllt nicht mehr die Voraussetzungen, um als „angespannter Wohnungsmarkt“ zu zu gelten.
Bietigheim-Bissingen Mietpreisbremse in der Stadt läuft aus
Das Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen kommt zu dem Ergebnis, dass der Wohnungsmarkt in der Stadt nicht mehr angespannt sei. Für diese ist das nicht nachvollziehbar.
Um die Gebietskulisse für die Mietpreisbremse zu bestimmen, zieht das Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen fünf Indikatoren heran: der Wohnungsversorgungsgrad (das Verhältnis von Wohnungsnachfrage zum Angebot), die Wohnungsversorgung für Neubürger (Verhältnis von Wohnungsneubau zur Haushaltsentwicklung), die Mietbelastungsquote (Verhältnis von verfügbarem Nettoeinkommen zur Bruttowarmmiete), die Höhe sowie die Entwicklung der Angebotsmieten sowie die Mietpreisdifferenz (Differenz zwischen Vergleichsmieten für Bestandsmietverträge und für Neuverträge). Sind vier dieser fünf Kriterien erfüllt, handelt es sich per Definition um einen angespannten Wohnungsmarkt. Bei der letztmaligen Erhebung im Jahr 2019 fiel die Stadt noch unter diese Bezeichnung. Inzwischen jedoch erreicht die Stadt bei der Mietbelastungsquote nicht mehr den Schwellenwert, der für einen angespannten Wohnungsmarkt spricht. Hat sich der Wohnungsmarkt in den vergangenen Jahren also tatsächlich entspannt?
„Eher problematisch als hilfreich“
Aus Sicht von Sabine Knapp, erste Vorsitzende von Haus und Grund Bietigheim-Bissingen, präsentiert sich der Wohnungsmarkt insgesamt stabil. „Von einer flächendeckenden Marktanspannung kann nach unserer Einschätzung keine Rede mehr sein.“ An der Mietpreisbremse liege diese Verbesserung jedoch nicht. Diese habe sich als ungeeignetes Mittel erwiesen, um zu einer Entspannung des Wohnungsmarkts beizutragen, weshalb das geplante Auslaufen sowohl notwendig als auch rechtlich geboten sei, sagt Knapp. „Anstatt neue Anreize für den Wohnungsbau oder die Bereitstellung von Mietraum zu schaffen, wirkt sie investitionshemmend, führt zu Rechtsunsicherheit und hat gerade private Kleinvermieter in ihrer Bereitschaft zur Bereitstellung und Sanierung von Wohnraum gebremst. Die Mietpreisbremse war daher eher problematisch als hilfreich.“ Sie rechne nicht damit, dass es nach dem Auslaufen der Mietpreisbremse zu einer flächendeckenden Erhöhung der Mieten kommt. Ganz im Gegenteil: Die Rückkehr zur marktwirtschaftlichen Preisbildung sorge langfristig für ein gesünderes Marktumfeld.
Anders sieht das der Rechtsanwalt Dieter Hezel aus Schwieberdingen, der im Auftrag des Mieterbunds Ludwigsburg Beratungen – auch in Bietigheim-Bissingen – durchführt. Nach wie vor herrsche ein riesiger Wohnungsmangel, weil die Nachfrage das Angebot um ein Vielfaches übersteige. „Die Mietpreisbremse sollte daher nicht eingeschränkt sondern eher noch ausgedehnt werden“, macht er deutlich. Zwar würden konkrete Statistiken zur Wirkung des Instruments fehlen, immerhin leiste die Mietpreisbremse jedoch einen Beitrag dafür, dass sich die Situation auf dem Wohnungsmarkt nicht weiter verschlechtere.
Reale Verschlechterung
Das Gutachten zur Festlegung des Geltungsbereichs der Mietpreisbremse gibt zwar keinen Aufschluss über die konkrete Wirksamkeit der Mietpreisbremse, zeigt aber allgemeine Entwicklungen des Bietigheim-Bissinger Wohnungsmarktes auf. Verbesserung etwa sind bei der Versorgung von Neubürgern oder dem allgemeinen Wohnversorgungsgrad zu beobachten. Brisant: Ausgerechnet beim Indikator der Mietbelastungsquote – dem Verhältnis von Nettoeinkommen zur Bruttowarmmiete –, der ausschlaggebend war für das Auslaufen der Mietpreisbremse, steht die Stadt heute schlechter dar als noch vor fünf Jahren (20,1 Prozent gegenüber 19,8 Prozent). Warum also gilt der Indikator nicht mehr als erfüllt? Das liegt daran, dass sich der entsprechende Schwellenwert verschoben hat. Dieser orientiert sich am jeweiligen Landesdurchschnitt und lag 2019 noch bei 19,6 Prozent, mittlerweile jedoch bei 20,8 Prozent.
„Ein Wegfall der Mietpreisbremse wäre zu bedauern, denn in Bietigheim-Bissingen sind die Mieten auf dem freien Markt hoch und sozial geförderte Wohnungen stark nachgefragt“, sagt Anette Hochmuth, Presseamtsleiterin der Stadt Bietigheim-Bissingen.
„Nicht nachvollziehbar“
Die Stadt, die Bietigheimer Wohnbau und die Bürgerstiftung würden auch deshalb seit Jahren immer wieder sozial geförderte Wohnungen bauen, die dämpfend auf die Durchschnittsmieten wirken, sagt sie. Auch habe man bereits vor Jahren einen Mietspiegel aufgelegt. Bereits jetzt sei abzusehen, dass dieser in seiner nächsten Fortschreibung 2026 sichtbare Erhöhungen der Durchschnittsmieten aufweisen wird. „Daher ist die Einschätzung eines nicht angespannten Wohnungsmarkts für uns nicht ganz nachvollziehbar.“ Ähnlich blickt der Grünen-Abgeordnete Tayfun Tok auf die Entscheidung: „Es wäre schön, wenn das Aus der Mietpreisbremse in Bietigheim-Bissingen auch eine Entspannung am Wohnungsmarkt bedeuten würde. Die Lage im Ballungsraum ist allerdings immer noch dramatisch. Das Aus der Mietpreisbremse kommt hier meines Erachtens zu früh.“
Für die Bietigheimer Wohnbau habe die Mietpreisbremse bislang nur eine untergeordnete Rolle gespielt, weil man die eigenen Mieten ohnehin bewusst unter dem Marktniveau angesetzt habe, sagt die Referentin für Öffentlichkeitsarbeit, Sabrina Peer. Auswirkungen auf das eigene Vermietungsgeschäft erwarte man durch das Auslaufen des Instruments daher keine. Allerdings: „Der Wohnungsmarkt in Bietigheim-Bissingen bleibt weiterhin angespannt. Besonders im Bereich der geförderten Wohnungen sowie bei Wohnungen im unteren und mittleren Preissegment besteht nach wie vor ein deutlicher Nachfrageüberhang.“
Wie geht es nun weiter? Die Landesverordnung geht jetzt in die Anhörung der betroffenen Verbände und Organisationen. Auch eine Anhörung mit Bürgermeistern und Gutachtern ist angedacht. Anschießend geht die endgültige Beschlussfassung ein weiteres Mal ins Kabinett.
