Die stabile Seitenlage, Mund-zu-Mund-Beatmung und Herzdruckmassage sind Dinge, die eigentlich jeder aus dem Erste Hilfe Kurs kennt. Denn im Notfall sollte man in der Lage sein Menschen zu helfen, die schwerverletzt sind. Doch wer weiß eigentlich, wie man sich um Menschen kümmert, die nicht gesund werden können, die ihrem eigenen Lebensende sehr nahe stehen? Da haben die wenigsten die passenden Maßnahmen und Hilfestellungen parat. Doch auch das kann man lernen – in einem Letzte Hilfe Kurs. Das Hospiz Bietigheim-Bissingen bietet diese Kurse an, um Menschen darin zu unterstützen, schwerkranken Angehörigen, Freunden oder Nachbarn die letzte Zeit so angenehm wie möglich zu gestalten.
Bietigheim-Bissingen Letzte Hilfe Kurs holt den Tod aus der Tabuzone
Letzte Hilfe Kurse bieten Hilfestellungen beim Umgang mit sterbenden Menschen. Praktische und theoretische Anleitungen sollen die Angst vor dem Lebensende nehmen. Auch das Hospiz Bietigheim-Bissingen bietet einen solchen Kurs an. Die BZ hat sich das Angebot angesehen.
Ganz still ist es im Treffpunkt des Hospizes in Bietigheim-Bissingen am Freitagabend. Die 13 Teilnehmer suchen sich einen Platz und warten darauf, dass Magdalene Wolf, die Leiterin des Ambulanten Hospizdienstes mit dem Vortrag beginnt. Zuerst erklärt sie was der Anstoß war, die Letze Hilfe Kurse anzubieten: Der demografische Wandel und das fehlende Hilfsnetz einer Großfamilie seien Gründe, weshalb es so wichtig sei, Menschen Informationen zum Sterben und dem Tod an die Hand zu geben.
Der Tod ist ein Tabu
Dann fragt sie die Teilnehmer, weshalb sie hier sind. Es gibt viele verschiedene Gründe, die die Menschen zu diesem Kurs bringen. Viele sind gerade in der Situation, einen schwerkranken Angehörigen zu pflegen, oder haben bereits jemanden verloren und möchten sich weitere Hilfe suchen, um das Erlebte zu verarbeiten und für einen weiteren Ernstfall gewappnet zu sein. Bei der Vorstellungsrunde fällt es einigen sichtlich schwer, über ihre momentane Situation zu sprechen, es fließen auch Tränen. Aber das ist in Ordnung, dieser Kurs schafft einen sicheren Raum für ein Thema, das für die meisten Menschen ein Tabu ist.
„Der Körper ist immer im Wandel, ein Teil ist immer am Sterben“, erklärt Wolf. Viele Menschen haben sich nie wirklich mit dem Sterbeprozess auseinandergesetzt und dann werden sie zum Beispiel durch einen Schicksalsschlag davon überrumpelt. So ging es auch einigen Teilnehmern dieses Letze Hilfe Kurses. Die Unsicherheit beim Thema Sterben und Tod gibt es nicht nur bei den Angehörigen, sondern auch teilweise in Pflegeheimen und bei Hausärzten. So wird häufig zur Sicherheit noch der Rettungswagen gerufen, obwohl die Person schon im Sterbeprozess sei. Wolf stellt dabei die Zahlen einer Umfrage vor: „58 Prozent der Befragten wollen zu Hause sterben. In der Realität sterben jedoch 58 Prozent der Menschen in einem Krankenhaus.“
Ein Problem, das der Hospizdienst auch angeht. „Es ist ein ganzheitlicher Ansatz, den man bei der Palliativversorgung angeht. Es geht nicht nur darum, die Schmerzen der Sterbenden zu versorgen, sondern auch mit den Angehörigen darüber zu sprechen, wie es mit ihnen weitergeht“, betont Petra Zuccalá, Geschäftsführerin des Hospizes Bietigheim-Bissingen. Viele der Teilnehmerinnen nicken. Häufig vergessen Angehörige bei der Pflege und Sterbebegleitung sich selbst. „Sie müssen auch gut auf sich achten, denn diese Begleitung kostet viel Kraft“, sagt Wolf.
Ruhe reinbringen
Deshalb sei auch die Arbeit der Ehrenamtlichen des Ambulanten Hospizdienstes so wichtig. Sie seien für Sterbende da, schenken ihnen ihre Zeit sowie Aufmerksamkeit und geben den Angehörigen dadurch eine Pause, um Kraft zu sammeln. Eine Teilnehmerin berichtet von ihrer Erfahrung, dass die ambulante Palliativversorgung damals „Ruhe in die Situation“ gebracht habe, da man zu jeder Zeit einen Ansprechpartner gehabt habe und nicht alleine dastand. „Durch das Ehrenamt steht und fällt die palliative Begleitung“, betont Zuccalá. Knapp 100 Ehrenamtliche unterstützen das Hospiz und den Ambulanten Hospizdienst in Bietigheim.
In der Pause unterhalten sich die Teilnehmer, es ist nicht mehr so still wie zu Beginn des Kurses, man kennt die Geschichten der anderen und fühlt sich sicher in dem Raum, den Magdalene Wolf und Petra Zuccalá an diesem beim Letzte Hilfe Kurs bieten.
Praktische Unterstützung
Dann wird es konkret: Wie sieht praktische Letzte Hilfe denn nun aus? Von Aromapflege über Lagerung bis hin zu Medikamenten gibt Wolf einen weiten Überblick über viele kleine Gesten und Aufgaben, die einem helfen können, wenn man Menschen in den letzten Stunden begleitet. Konkret erklärt Wolf auch, wie wichtig es ist, den Mundraum von Sterbenden regelmäßig zu befeuchten, da man zum Schluss nicht mehr Schlucken kann. „Es ist ein sehr intimer Bereich, in dem wir ganz behutsam unterwegs sein müssen“, erklärt Wolf.
Ines Wunsch lässt sich von der erfahrenen Palliativkraft Wolf den Mund mit einem Stäbchen befeuchten und ist ganz überrascht, wie angenehm sich das Pflegeöl anfühlt. Ja, das Stäbchen im Mund sei schon ein seltsames Gefühl, doch so wie Wolf es gemacht habe, war es gut. Für Wunsch eine wichtige Erfahrung. „Ich habe eine Oma, die schon 90 ist. Mit all den Informationen aus dem Kurs, hoffe ich, dass ich sie begleiten kann, wenn es soweit ist.“ Eigentlich kam Wunsch zum Letzte Hilfe Kurs, weil sie in der Leitung der Nachbarschaftshilfe der Diakonie arbeitet und ihren Mitarbeitern Tipps mit an die Hand geben will. In deren Arbeitsalltag nimmt Sterben auch immer wieder einen großen Raum ein. „Ich habe auch für mich persönlich unheimlich viel mitnehmen können“, sagt Wunsch. Doch gerade die Gespräche mit den anderen Teilnehmern haben ihr gezeigt, dass bei vielen das Thema Sterben und Tod noch nicht angekommen sei.
Nachdem auch die Themen Vorsorgevollmacht sowie Abschied und Trauer besprochen wurden, ist der Kurs zu Ende. Wie bei der Ersten Hilfe gibt es zum Schluss auch hier eine Bescheinigung, dass man den Kurs erfolgreich absolviert hat. Zum Abschluss kommt eine Teilnehmerin auf Geschäftsführerin Zuccalá und bedankt sich: „Sie haben das wirklich toll gemacht. Es war richtig schön, wenn man das in diesem Zusammenhang so sagen darf.“ Ja, das müsse man sogar, antwortet Zuccalá, denn auch durch diese Gefühle rücke das Sterben und der Tod aus der Tabuzone.
Weitere Letzte Hilfe Kurse
Auch in der Sozialstation Bönnigheim finden Letzte Hilfe Kurse statt. Der nächste Termin ist am Montag, 6. März, 18 Uhr. Anmeldung bei Anita Ereth, Telefon (0173) 8 27 21 11 , E-Mail: anita.ereth@gmail.com.