Bietigheim-Bissingen Mitbewohner durch Stiche verletzt

Von Bernd Winckler
Vor dem Heilbronner Landgericht müssen sich drei Syrer wegen versuchten Totschlags verantworten. Foto: /Rena Weiss

Vor dem Landgericht sind drei Syrier wegen Totschlagsversuch in der Bietigheimer Sammelunterkunft angeklagt.

Wieder wurden in der Bietigheimer Sammelunterkunft Messer gegen Bewohner eingesetzt. Das Heilbronner Landgericht verhandelt seit Donnerstag gegen drei junge syrische Männer wegen versuchten Totschlags und gefährliche Körperverletzung. Sie sollen Mitbewohner durch Stiche verletzt haben.

Die erste Große Strafkammer als Schwurgerichtskammer des Landgerichts in Heilbronn verhandelt den Fall, der sich am Nachmittag des 30. Dezember im vergangenen Jahr zugetragen habe. Die drei Angeklagten wurden an diesem ersten Verhandlungstag gefesselt an den Händen in den großen Sitzungssaal des Gerichts gebracht. Erst als die drei Richter mit ihren beiden Schöffen den Saal betraten, wurden die Handfesseln abgenommen. Festgenommen wurden sie unmittelbar noch am Tattag.

„Denkzettel verpassen“

Der angeklagten Tat soll ein Streit zwischen einer aus Syrien und einer aus der Türkei stammenden Gruppierung mehrerer Personen innerhalb der Unterkunft vorausgegangen sein. Man habe eine gewisse Absprache getroffen, jenen Männern Denkzettel zu verpassen, die andere Meinung vertreten, heißt es in der Anklage. Ob es sich dabei um politische Diskussionen handelte, ist am Ende des ersten Prozesstages noch offen. Festgestellt haben die Ermittler jedoch, dass nach verbalen gegenseitigen Beleidigungen an jenem 30. Dezember zunächst eine Aussprache zwischen den Gruppen geplant war.

Aussprache endet blutig

Die jedoch endete letztlich blutig: Einer der drei Angeklagten habe nach einem zunächst verbalen Streit einem Bewohner aus der Türkei einen Stich in den Oberkörper verpasst. Als ein anderer Bewohner dem Verletzten zu Hilfe eilte, soll auch dieser mit zwei Messerstichen verletzt worden sein. Zwei der hinterher festgestellten Verletzungen sollen allerdings nicht lebensgefährlich gewesen sein. Ein Stich allerdings, der vier Zentimeter in den Brustbereich eines Opfers landete, sei lebensbedrohend gewesen, weil die Klinge des Messers einen Rippenknochen verletzte. Einer der Angeklagten soll sein Opfer von hinten festgehalten haben. Schlimmeres wurde durch die schnelle Alarmierung der Polizei verhindert. Beherzte Mitbewohner hatten zudem die Streitenden festgehalten und der Polizei übergeben. Bezüglich der zwei Stiche gegen den Mitbewohner wirft die Staatsanwaltschaft den drei Angeklagten versuchten Totschlag und in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung vor, da sie zum Zeitpunkt der Messerstiche bewusst den Tod des Opfers in Kauf genommen und dabei ein gefährliches Werkzeug als Waffe benutzt hätten. Bei einem Betroffenen wurden Stichverletzungen am Oberkörper, der linken Schulter und dem linken Oberarm diagnostiziert.

Zwei der Angeklagten wuchsen in der syrischen Provinzstadt Aleppo auf, wie sie angeben. Man sei dort zwar in die Schule geschickt worden, doch Lesen und Schreiben können sie nicht. Das holen sie jetzt in der Untersuchungshaft in Kursen nach. Die Eltern seien Landwirte. Nach Deutschland kamen sie „mit einem Boot“ – so schildert es der jüngste 22-Jährige – über den Bosporus in die Türkei, danach weiter über Griechenland, Bulgarien nach Deutschland. Auf die richterliche Frage, wie seine Reise vonstatten ging, sagt der 22-Jährige, „Ich bin einfach mitgelaufen“. Zu den Vorwürfen selbst machen die Angeklagten an diesem ersten Prozesstag noch keine Angaben.

Immer wieder Gewalttaten

Es ist nicht der einzige Fall, bei dem in dieser Bietigheimer Flüchtlingsunterkunft Bewohner mit Messergewalt oder auf andere Weise Straftaten begingen. Im Oktober 2019 zündete ein 24-jähriger Flüchtling aus einem afrikanischen Staat sein Zimmer an. Er wurde vom Landgericht Heilbronn wegen schwerer Brandstiftung verurteilt. Im Jahr 2020 verzeichnet die Polizei gleich drei Gewalttaten in der Unterkunft: Im Februar gab es dort eine Massenschlägerei, bei der drei Bewohner teils schwer verletzt wurden. Keine vier Wochen später gab es wieder bei einer Gewalt-Auseinandersetzung Verletzte. Am 25. März 2020 hatte ein Untergebrachter mit einer Glasscherbe einen Mitbewohner schwer am Bauch verletzt. Auch er wurde später wegen versuchten Totschlags verurteilt. Ebenso ein 21-Jähriger, der Ende 2022 in der Unterkunft gegen einen Mitarbeiter rabiat wurde und ein Messer als Drohung benutzte. Er kam mit einer Bewährungsstrafe wegen Bedrohung davon.

Das Gericht hat neun Verhandlungstage angesetzt, um die Hintergründe des Geschehens aufzuklären. Dazu wurde zusätzlich ein psychiatrischer Sachverständiger hinzugezogen, der über mögliche Alkoholisierung beziehungsweise Drogenkonsum Auskunft erteilen soll. Die Verhandlung geht am 10. Juli weiter.

 
 
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