Bietigheim-Bissingen Mut-Tour: Der erste Schritt ist der schwerste

Von Petra Neset-Ruppert
Doreen Riebau (links) und Klaudia Madry (vorne sitzend) sind gemeinsam mit einem Team mit dem Tandem unterwegs, um auf das Thema Depression aufmerksam zu machen. Foto: /Oliver Bürkle

Der Verein „Mut fördern“ organisiert die zwölfte Mut-Tour, bei der Tandem-Teams auf das Thema Depressionen aufmerksam machen. Halt machten die Frauen auch in der Altstadt von Bietigheim-Bissingen.

Gar nicht so leicht, das große, schwere Tandem in Richtung der Bietigheimer Altstadt zu lenken – fast 300 Kilogramm wiegt das Tandemrad inklusive Gepäck und Fahrerinnen. Die Sonne brennt heiß herunter und es sind viele Menschen unterwegs, doch Doreen Riebau und Klaudia Madry kommen geschickt durch und positionieren ihre auffälligen Tandemräder direkt vor dem Marktbrunnen.

Was sie antreibt, ist die Mut-Tour des Vereins „Mut fördern“. Bereits zum 13. Mal veranstaltet der Verein diese Etappentour durch ganz Deutschland, mit der er auf das Thema Depression und psychische Erkrankungen aufmerksam macht.

Unter dem Motto „Mut zur Selbsthilfe – Unterstützung sichtbar machen“ geht es den Teilnehmenden auch darum, den Menschen vor Ort, mit denen sie ins Gespräch kommen, zu zeigen, wo man sich im Bedarfsfall Hilfe holen kann. Sowohl Klaudia Madry als auch Doreen Riebau wissen aus eigener Erfahrung, dass der erste Schritt meist der schwerste ist.

Ständiger Austausch

Riebau ist zum ersten Mal mit dabei. Sie kommt aus Rostock und freut sich, dass sie den Süden Deutschlands nun mit dem Rad und ihrer Tandempartnerin erkunden kann. „Als ich letztes Jahr stationär behandelt wurde, erzählte mir eine andere Patientin von dieser Tour. Das wollte ich dann einfach mal ausprobieren, und es macht richtig Spaß“, sagt die 47-jährige Riebau. Sie genießt es, dass sie während der Fahrt mit Madry in Gespräch kommen und man sich so über sehr tiefgehende Themen austauschen kann.

Für Klaudia Madry ist es bereits die dritte Mut-Tour, an der sie teilnimmt. „Ich bin Bewegungstherapeutin und finde die Tour total passend. Sich bewegen und gleichzeitig für einen guten Zweck einsetzen, deshalb mache ich hier mit“, so die 31-Jährige. Für sie ist Bewegung auch immer ein Gefühlsausdruck und deshalb sei es so wichtig. Denn häufig fühle man sich in der depressiven Phase wie erstarrt, als habe man keinen Handlungsspielraum. „Kommt man in Bewegung, fühlt man auch gleich ,da geht was’ und man hört besser in sich hinein“, so Madry.

Gefühle einordnen

Die Tandem-Gruppe, deren Tour von Ulm nach Mainz führt, möchte mehr Bewusstsein für das Thema Depression gewinnen. „Zwar wird das Thema mittlerweile schon mehr auch in den Medien behandelt, doch eine Stigmatisierung gibt es leider immer noch“, so Madry. Gerade auf der Tour sprechen viele Passanten mit ihnen. „Viele wollen einfach von ihrer Geschichte erzählen. Und das ist wichtig, das Reden“, betont Riebau. Die Mutter von drei Kindern legt auch in der Familie viel Wert darauf, dass man miteinander spricht. „Auch über Gefühle sprechen, damit man sie einordnen kann, ist so wichtig.“ Sie war von Anfang an offen mit ihren Kindern beim Thema Depression: „Sie müssen ja auch verstehen, weshalb ich dann zum Beispiel im Krankenhaus bin.“ Die Kinder spüren meist viel schneller, wenn es ihr nicht gut ginge und unterstützen sie dann sofort.

Säulen, die im Notfall stützen

Sie will sich weiterhin stark machen für das Thema und es immer wieder ins Gespräch bringen. „Bei uns in Rostock gibt es zum Beispiel keine Selbsthilfegruppe. Vielleicht werde ich das als Nächstes angehen und eine gründen“, überlegt Riebau. „Ja, mach das. Das wäre doch klasse“, unterstützt Madry sogleich ihre Tandempartnerin. Denn auch darum geht es bei dieser Tour: Sich gegenseitig Halt und Unterstützung zu bieten.

„Das Tandem ist eigentlich eine ganz gute Analogie zur Depression: Denn auf dem Tandem bin ich nur der Kopilot, aber eben nicht alleine. Wer vorne sitzt, muss lenken, aber ich unterstütze dich von hinten und bin da, du bist nicht alleine“, sagt Madry. Sie achtet auch immer darauf, dass ihre „Stützsäulen“ wie Familie, Freunde und auch Hobbys „besonders dick sind“, damit sie sie in schwierigen Zeiten auch tragen können.

Doch nun tragen sich die beiden Tandempartnerinnen erst einmal über die Strecke. „Wir werden uns noch ein wenig diese schöne Stadt hier anschauen und eine Pause genießen. Dann geht es weiter nach Lauffen, mal schauen, wo wir da heute übernachten können“, freut sich Madry auf die Fortsetzung ihrer Mut-Tour.

Hier gibt es Hilfe bei psychischen Erkrankungen

Auch im Kreis gibt es Anlaufstellen an die man sich wenden kann, wenn man Hilfe benötigt. Unter der Telefonnummer (07141) 144 20 29 kann man den Dienst ereichen und auf der Homepage des Landratsamts (www.landkreis-ludwigsburg.de) gibt es weitere Informationen zu den Angeboten. Auch die Caritas bietet Sozialpsychatrische Hilfen an. Neben offenen Gruppenangeboten bietet die Cariats auch einenKrisen-, Klärungs- und Vermittlungsdienst an. Alle Infos hierzu gibt es auf der Homepage unter www.caritas-ludwigsburg-waiblingen-enz.de.

Für junge Menschen, die unter einer psychischen Erkrankung leiden bietet die Website www.fideo.de eine Anlaufstelle, um sich zu informieren.

Die bundesweite Telefonseelsorge erreicht man unter der Nummer (0800) 111 01 11.

Alles über die Mut-Tour und die weiteren Etappen findet man online unter www.mut-tour.de

 
 
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