Im Archiv der Stadt Bietigheim-Bissingen schlummern unzählige Veranstaltungsplakate, die auf Musikveranstaltungen hinweisen. Sie zierten Laternenmasten und Scheunentore, allein mit dem Ziel, Aufmerksamkeit zu erregen. Plakate sind bis heute eine der ältesten, erprobtesten und authentischsten Methoden, um über ein Ereignis zu informieren. Plakate erzählen auch etwas über die Musikgeschichte der Stadt, über Bands, über Musiker und über die Veränderungen des Geschmacks.
Bietigheim-Bissingen Plakate erzählen Musikgeschichte
Im April 1963 spielten die „Enztown Jazzmen“ in der Aurainturnhalle, Jazz konnte sich in der Stadt Bietigheim-Bissingen aber nicht durchsetzen. Ein Blick auf die Geschichten hinter den Veranstaltungsplakaten.
Plakat von 1963 erhalten
Eines der älteren und noch erhaltenen Plakate bewirbt das erste Konzert der „Enztown Jazzmen“ am 19. April 1963 in der Aurainturnhalle. Der Eintrittspreis lag bei einer D-Mark, der Plakatentwurf stammt von Karlheinz Groß. Die „Jazzmen“ bestanden mal aus sechs, mal aus sieben Musikern. Zur Band zählten neben Kontrabassist Hans-Peter Rentschler Horst Schelling (Saxophon, Klarinette), Helmut Schäfer (Posaune) und Hannes Mader (Trompete) aus Löchgau, dessen Vater Dirigent des dortigen Musikvereins war. Ebenfalls dabei waren Schlagzeuger „Bubi“ Bottek und Hans Rieger (Piano). Rentschler kam über AFN-Hören, dem Radiosender der US-amerikanischen Soldaten, zum Jazz und spielte auch im evangelischen Posaunenchor. Jazz wurde von einem großen Teil der Bietigheimer aber abgelehnt und immer noch als „Negermusik“ und „entartete Kultur“ bezeichnet.
Beim zweiten „Rock Around The Enz“-Festival im Bissinger Liederkranzhaus am 26. März 1983 fiel die Anheizerrolle der Steinheimer Rockband „Vanishing Point“ zu. Die nachfolgende „Back Street Boogie Band“ konnte mit eigenen Stücken und Rhythm’n’Blues punkten.
Die neu gegründete Band „Pan & Friends“ erntete mit Jazz-Rock begeisterten Beifall und Festival-Mitorganisator Wolle Kriwanek kündigte spontan ein weiteres Konzert der neunköpfigen Besigheimer Gruppe an. Die Zugnummer des Abends war „Opus“, später umbenannt zu „Pur“.
„Opus“ als Publikumsmagnet
Mit zu diesem Zeitpunkt 120 Konzerten hinter sich, boten sie in professioneller Manier Melodic-Rock mit Show-Effekten wie Magnesium-Blitzen und Retorten-Nebel.
„Six Point Six“ schwammen mit ihrem gradlinigen Rock anschließend auf der Stimmungswelle mit, um Mitternacht hatte dann „Inner Confusion“ vor den noch verbleibenden 200 Besuchern die Aufgabe, für den Festival-Abschluss zu sorgen. Das Plakat stammte auch aus der Feder von Karlheinz Groß und erinnerte stark an den Gestus des irischen Gitarristen Rory Gallagher, der am Samstag, 20. Januar 1973, in der Bietigheimer Sporthalle auftrat. Groß, der 1959 nach Bietigheim kam, verband mit Wolle Kriwanek nicht nur eine enge Freundschaft, sie war auch von einer produktiven Zusammenarbeit geprägt. Groß hatte ein breit gefächertes Betätigungsfeld, etwa als Karikaturist bei Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen.
Trotz „Rock Around The Enz“ gab es, mit „Camouflage“ an der Spitze, eine immer größer werdende Zahl von Musikern, die in der Sparte Synthie-Pop zuhause waren. Wolle Kriwanek meinte, „Computerdrücker“ hätten bei der Festivalreihe im Bissinger Liederkranzhaus keine Chance. Dies hinderte andere Bands allerdings nicht daran, mit Synthie-Musikern eine eigene Szene zu pflegen.
Alternativfestival entsteht
Dies führte dazu, dass Heiko Maile von „Camouflage“ am 10. Oktober 1986 im Liederkranzhaus, ebenfalls in Zusammenarbeit mit der Stadt, mit Gleichgesinnten das musikalische Alternativfestival „New Music“ veranstaltete. Dazu kam eine bisher nie gekannte Marketing-Maschinerie, die auf New Music aufmerksam machte. Plakate waren überall aufgehängt, Banner klebten an den Pfeilern und Flyer wurden verteilt. Beachtlich war die Nennung der Band „Asparagus“ über „Camouflage“. Beteiligt waren auch die Bands „Para“ aus Löchgau, „Loss of Sight“ und „Endless Joy“. In den 2000er-Jahren war von „Rock Around The Enz“ und „New Music“ nichts mehr zu hören, in der Stadt wurde die Reihe „Best Of Music“ aufgelegt. 2008 war auch die elfte Auflage verbunden mit viel Kulinarik beim Restaurant Schiller, bei Luigi‘s Ristorante, dem Falken und Rossknecht. Das Plakat zu „Bluesiana“ zierte ein Gitarrist in den Wolken.
Der britische Rock- und Bluessänger Joe Cocker trat bei der Reihe „Stars unter dem Viadukt“ am 4. Juli 2010 auf. Er hatte all seine Hits im Gepäck. Auf dem Plakat schaut er einen direkt an, der sympathische Blick eines Weltstars, der nur wenig später, im Dezember 2014, verstarb.