Die einen wollen ihren Spaß, die anderen ihre Nachtruhe haben. Um diesen Konflikt zu lösen, hat der Staat die Polizeistunde eingeführt, ab der die Gastwirtschaften schließen müssen. Heutzutage beginnt die Sperrzeit um 3 Uhr, in der Nacht zum Samstag und zum Sonntag um 5 Uhr.
Bietigheim-Bissingen Polizeistunde: Ausnahme galt für die Bahnhofswirtschaft
Die Polizeistunde beendet den Aufenthalt der Nachtschwärmer in den Gastwirtschaften auch in Bietigheim-Bissingen. Früher wurde diese im Königreich Württemberg deutlich strenger gehandhabt.
Ein Blick zurück zeigt, dass die Polizeistunde früher viel restriktiver gehandhabt wurde. Man wollte die Leute nachts von den Straßen fernhalten, zumal es in der Vorzeit in den Städten und Dörfern nachts stockdunkel war. In Bietigheim gab es erst ab dem 26. November 1896 eine elektrische Straßenbeleuchtung, davor wurde die Stadt nur an wenigen Stellen durch Petroleumlaternen erleuchtet.
15 Gulden Strafe bei Verstoß
In dem 1806 entstandenen Königreich Württemberg war der Aufenthalt in Wirtschaften nach der Verordnung vom 28. Oktober 1812 nach 22 Uhr nachts verboten. Wer sich nicht daran hielt, musste 15 Gulden Strafe zahlen. Mit königlichem Reskript vom 12. April 1817 wurde die Strafe auf eine kleine Frevel mit drei Gulden und 15 Kreuzer gesenkt. Bestraft werden konnte der Wirt, „wenn er das Abbieten unterlassen“ und der Gast, „wenn er der Warnung des Wirts nicht Folge geleistet hat“. Wenn der Schuldige die Strafe nicht zahlen konnte, drohte ihm „dreitägige Einthürmung“.
Durch Verfügung des Innenministeriums vom 2. Dezember 1871 wurde die Polizeistunde auf 23 Uhr festgesetzt. Gemäß Paragraf 365 Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich galt: „Wer in einer Schenkstube oder an einem öffentlichen Vergnügungsort über die gebotene Polizeistunde hinaus verweilt, ungeachtet der Wirth, sein Vertreter oder ein Polizeibeamter ihn zum Fortgehen aufgefordert hat, wird mit Geldstrafe bis zu fünf Thalern bestraft. Der Wirth, welcher das Verweilen seiner Gäste über die gebotene Polizeistunde hinaus duldet, wird mit Geldstrafe bis zu zwanzig Thalern oder mit Haft bis zu vierzehn Tagen bestraft.“
Bei Nachtruhestörungen durch Betrunkene oder übermütige junge Leute konnte die Polizei die Wirtschaften auch vor der Polizeistunde schließen.
Am 23. Januar 1872 hatten die „bürgerlichen Collegien“ Bietigheims die Aufhebung der Polizeistunde beschlossen, weil man der Meinung war, dass die eigene Polizei die Kontrolle der Wirtschaften sicherstellen könne. Allerdings lehnte das Ministerium des Innern den Antrag der Stadt am 17. Juni 1872 ab, weil in Bietigheim nur ein Polizeidiener angestellt war und das Ministerium die Beschäftigung des Amtsdieners im Nebenamt als Polizeidiener nicht akzeptiert hat.
Verschärfung während dem Krieg
Zu Beginn des Ersten Weltkriegs wurde die Polizeistunde auf Anordnung des Königlichen stellvertretenden Generalkommandos vom 31. August 1914 in Gemeinden mit mehr als 4000 Einwohnern auf 23 Uhr und in kleineren Gemeinden auf 22 Uhr festgesetzt.
Zur Energieeinsparung hatte das Württembergische Arbeitsministerium in der „Verfügung betreffend weitere Maßnahmen zur Kohlenersparnis“ vom 26. November 1918 die Polizeistunde in ganz Württemberg bis auf weiteres auf 21 Uhr festgelegt. Erst mit Wirkung vom 1. September 1921 wurden die Vorschriften über den vorgezogenen Betriebsschluss für Wirtschaften aufgehoben und die Polizeistunde wieder auf 23 Uhr abends festgesetzt. Eine Besonderheit galt in der Bahnhofswirtschaft am Bietigheimer Bahnhof, die nach der Verfügung des Innenministeriums vom 4. Februar 1928 erst um 0.42 Uhr nach der Abfahrt der letzten Züge 148 und 6168 schließen musste.
Am 10. September 1930 hatte der Gemeinderat die Polizeistunde für Bietigheim und Metterzimmern auf 24 Uhr festgesetzt. Während seither die Polizeibeamten allabendlich durch das sogenannte „Abbieten“ in den Wirtschaften die Polizeistunde verkündet hatten, wurde das ab Mai 1933 auf die Wirte übertragen, die nun eigenverantwortlich ihre Gäste zum Verlassen des Lokals auffordern mussten.
Seit August 1936 durften die Wirtschaften samstagnachts bis 1 Uhr offen bleiben. Einschränkungen gab es wieder während des Zweiten Weltkriegs. Ab Juli 1942 wurde die Polizeistunde von 24 Uhr auf 23 Uhr vorgezogen. Wegen der nächtlichen Luftangriffe der Alliierten hatte der Ludwigsburger Landrat die Polizeistunde für den Zeitraum Oktober 1943 bis April 1944 auf 22 Uhr festgelegt. Allerdings war die Polizeistunde damals kein großes Problem, weil viele Männer im Krieg und manche Wirtschaften geschlossen waren.
Schrittweise Lockerung
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs hatte die US-Militärregierung ein strenges Ausgehverbot von 19 Uhr abends bis 6 Uhr morgens angeordnet. Das Ausgehverbot wurde schrittweise gelockert, sodass das Bürgermeisteramt Bietigheim die Polizeistunde ab 21. Juli 1945 auf 21 Uhr und ab 2. August 1945 auf 22 Uhr festsetzten konnte. Nachdem ab März 1946 die allgemeinen Ausgangsbeschränkungen aufgehoben wurden, setzte das Innenministerium mit Verfügung vom 5. April 1946 die Polizeistunde wieder auf 23 Uhr fest. Ab September 1948 durften die Wirtschaften samstags und sonntags bis 24 Uhr offen bleiben.