Krankenhausessen hat bekanntlich nicht den besten Ruf. Gregor Schmid, der die Gastronomie im Bietigheimer Krankenhaus leitet, widerspricht dem Klischee jedoch: „Krankenhausessen ist ausgewogen, individuell auf den Patienten abgestimmt und schmeckt auch.“
Bietigheim-Bissingen Rezepte mit vielen Auflagen
Die BZ wirft einen Blick hinter die Kulissen der Krankenhausküche. Was unterscheidet die Arbeit von anderen Küchen? Ist der schlechte Ruf, den Krankenhausessen genießt, berechtigt?
In der Bietigheimer Küche sind die insgesamt 38 Mitarbeiter primär für die Versorgung der anderen Mitarbeiter zuständig. Die Patientengerichte kommen aus der Zentralküche in Ludwigsburg, die alle Standorte der RKH-Kliniken beliefert, und werden vor Ort lediglich für den individuellen Patienten zusammengestellt.
Um sechs Uhr morgens geht es los in der Krankenhausküche. Dann wird zunächst das Frühstück vorbereitet. Die Cafeteria für Mitarbeiter öffnet um 7.30 Uhr und muss wie das Bistro bestückt werden. Hier wird ein Wahlfrühstück angeboten. Zur Auswahl stehen frisch belegte Brötchen, Müsli, Obst und mehr. Im Anschluss geht es ans Mittagessen.
Komponenten aus Ludwigsburg
Die Zutaten dafür werden aus Ludwigsburg angeliefert, und vor Ort zusammengefügt. Dabei müsse streng beachtet werden, ob ein Patient etwa Diabetiker oder Allergiker ist, eine Laktoseintoleranz oder einer Glutenunverträglichkeit hat. Auch auf eine ehemalige Alkoholabhängigkeit müsse Rücksicht genommen werden, indem etwa keine Sauce, die mit Wein gekocht wurde, serviert wird. Daher sei es auch unabdingbar, dass alle Mitarbeiter der deutschen Sprache mächtig sind. „Wenn da ein Fehler unterläuft, wäre das der Super-GAU“, betont Schmid.
Für Patienten werden die Tablets in Fließbandarbeit beladen und in speziellen Thermowagen verstaut. An diesem Tag steht etwa Spaghetti Bolognese oder Rindersaftgulasch auf dem Speiseplan. Ein voll beladener Wagen wiegt rund 140 Kilogramm, neuere Versionen kämen sogar auf über 200 Kilogramm und kosten zwischen 20 und 24.000 Euro, erklärt Schmid, der als Koch auch schon selbstständig, im Catering, auf Schiffen oder in der Uniklinik Tübingen tätig war. Bis zu 24 Tablets passen in einen Wagen. 38 sind täglich in Betrieb.
Die Thermowagen sind mit einer Heiß- und einer Kaltzone ausgestattet. Vor dem Servieren wird das Essen schließlich zwischen 50 und 75 Minuten lang auf mindestens 76 Grad Celsius aufgewärmt, um mögliche Keime abzutöten.
Probe wird aufbewahrt
Von jedem Gericht wird dabei eine Rückstellprobe entnommen und sieben Tage lang in einem von zwei Kühlschränken aufbewahrt. Falls mit dem Essen etwas nicht gestimmt hat, etwa eine Salmonellenbelastung vermutet wird, müsse man Proben da haben, sagt Schmid.
Der Speiseplan für die Mitarbeiter rotiere in einem Sechs-Wochen-Zyklus und wird laut Schmid viermal pro Jahr saisonal überarbeitet. Dann hat auch Schmid, dessen Arbeit zu großen Teilen am Schreibtisch stattfindet, Gelegenheit sich kreativ auszuleben und neue Rezepte mit seinem Team zu erarbeiten. Natürlich mit Einschränkungen: „Hochpreisige Produkte wie Steaks passen eher nicht in eine Klinik.“ Auch Kurzgebratenes oder frische Kräuter sind tabu, weil diese Bakterien enthalten. Umso mehr freut sich Gregor Schmid, wenn eine Idee funktioniert und auch gut angenommen wird.
Aktuell werde viel mit Pflaumen gearbeitet, auch Kuchen backe man gelegentlich. Eingeführt wurden zudem spezielle Tage, wie der Dönertag – dann wird das Fladenbrot selbst gebacken. Wichtig sei vor allem die Ausgewogenheit des Speiseplans. So versuche man, nicht zu viel Fleisch und stattdessen mehr Nudeln und frisches Gemüse anzubieten. Die Zutaten kommen dabei ausschließlich aus Baden-Württemberg.
Im Vergleich zu einem Restaurantbetrieb sei klar strukturierte Ablauf im Krankenhaus als Vorteil hervorzuheben. In der Küche sei zwar wenig Platz für Individualität – Rezepte müssen genau befolgt werden –, dafür herrsche keine große Hektik, der Abendservice fällt weg, damit werden die Arbeitszeiten erträglicher.