Bietigheim-Bissingen Sorgenkind Krankenhaus

Von Uwe Mollenkopf
Das Bietigheimer Krankenhaus aus der Luft. Die  Weiterentwicklung liegt derzeit auf Eis. Foto: /Martin Kalb

Der Gemeinderat stimmte den Abschlüssen der RKH-Kliniken für das Jahr 2023 zu. OB Kessing berichtete von hohen Verlusten.

Am 1. Oktober hat Marc Nickel,  der neue medizinische Geschäftsführer der Regionalen Kliniken Holding (RKH), sein Amt angetreten. Der Nachfolger von Jörg Martin als Klinikenchef, der in einer Doppelspitze mit dem kaufmännischen Geschäftsführer Axel Hechenberger agiert, steht vor großen Herausforderungen. Dies zeigte sich auch bei der Beratung der Kliniken-Finanzen in der jüngsten Sitzung des Gemeinderats von Bietigheim-Bissingen.

Das Gremium war aufgerufen, Oberbürgermeister Jürgen Kessing als Vertreter der Stadt in der Gesellschafterversammlung den Auftrag zu erteilen, die Abschlüsse der Kliniken-Holding und der Kliniken Ludwigsburg-Bietigheim gGmbH für 2023 zu billigen und die Aufsichtsräte zu entlasten. Dies geschah am Ende einstimmig, deutlich wurde indes, wie tief die Kliniken in den roten Zahlen stecken.

Rücklagen sind aufgezehrt

Kessing, der stellvertretender Vorsitzende des Aufsichtsrats der Kliniken Ludwigsburg-Bietigheim und des Aufsichtsrats der Holding ist, beschrieb die Kostensituation in den Krankenhäusern so: Es gebe ein hohes Kostenniveau im medizinischen Bereich, hinzu kämen steigende Personalkosten durch Tarifsteigerungen. Gleichzeitig herrsche Personalnot, was zum Einsatz von Leiharbeitskräften führe – ein weiterer Kostentreiber. Über all dem schwebe die geplante Krankenhausreform des Bundesgesundheitsministers.

Konkrete Auswirkungen auf das Ergebnis bei der Ludwigsburg-Bietigheim gGmbH: Statt eines geplanten Defizits von 14,5 Millionen Euro für 2023 sind es am Ende minus 24,4 Millionen Euro geworden. Das sei auch der Hauptgrund, dass der Landkreis, der dafür einsteht, ein Defizit von 30 Millionen Euro zu verzeichnen habe, sagte Kessing. Das Krankenhaus Bietigheim-Vaihingen trug mit minus 4,9 Millionen Euro zu diesem Ergebnis bei, das Ludwigsburger Klinikum mit minus 17,6 Millionen.

„Defizit wird weiter steigen“

Die Rücklagen seien nun völlig aufgezehrt, berichtete der Oberbürgermeister weiter, jeden zukünftigen Verlust müsse der Kreis ausgleichen. Und eine Vergrößerung des Verlusts gilt als sicher. „Das Defizit wird weiter steigen“, erklärte der Verwaltungschef im Gemeinderat. Er erwartet für 2024 einen Anstieg auf über 40 Millionen Euro.

Das habe auch Folgen für die Bietigheim-Bissinger Stadtkasse: Es drohe ein Anstieg der Kreisumlage, welche die Kommunen berappen müssen, so Kessing. In diesem Jahr beläuft sich diese Umlage für die Stadt auf voraussichtlich über 24 Millionen Euro.

Vom Land seien nur begrenzt Hilfen zu erwarten, sagte Kessing und nannte eine Größenordnung von drei bis vier Millionen Euro. Das Land verweise auf die Bundesregierung, dort erkläre man, es gebe in Deutschland insgesamt zu viele Krankenhäuser. Man könne den Eindruck haben, es solle gewartet werden, bis sich durch die Schließung von Häusern aufgrund der Defizite das Problem von selbst löse.

Ausgleich durch Zuschüsse

Kessing betonte indes, die Kliniken in der Region müssten in öffentlicher Hand gehalten werden. Man müsse sich daran gewöhnen, wie beim öffentlichen Personennahverkehr auch, die Defizite durch Zuschüsse auszugleichen. Es sei unsicher, ob durch Sparen wieder eine schwarze Null erreichbar sei. Zudem stünden auch noch viele Investitionen an – die wie berichtet in Bezug auf die geplante strategische Weiterentwicklung am Bietigheimer Krankenhaus aufgrund der Hängepartie mit der Krankenhausreform derzeit auf Eis liegen.

Marcus List (CDU) nannte als weitere negative Faktoren für die Klinikenbilanz eine teilweise zu geringe Auslastung und zunehmende Ambulantisierung. Dass mittlerweile 80 Prozent der Krankenhäuser in Deutschland massive Verluste verzeichneten, sei aus seiner Sicht aber ein Beleg dafür, dass am derzeitigen System bei der Krankenhausfinanzierung insgesamt etwas nicht in Ordnung sei. Auch Claus Stöckle (CDU) erklärte in der Sitzung, er sei in großer Sorge um die Kliniken. „Wir können so eigentlich nicht mehr wirtschaften“, bewertete er die Situation – auch mit Blick auf das Bietigheimer Haus (siehe Infokasten).

 
 
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