Mit 28 Jahren stand Dorothea Karapanagiotidou zum ersten Mal auf einer Bühne – und zwar nicht irgendwo, sondern in der griechischen Gemeinde in Bietigheim-Bissingen. „Ein Koffer voller Träume“ hieß das Stück, mit dem sie Theaterluft schnupperte. Es war der Anfang einer Theaterreise, die sie bis heute nicht mehr losgelassen hat.
Bietigheim-Bissingen „Theater ist wie Seelenstriptease“
Dorothea Karapanagiotidou aus Bietigheim-Bissingen spielt derzeit im Asperger Glasperlenspiel in dem Stück „Irrfahrt for Future“. Ein Gespräch.
Aus Neugier wird Leidenschaft
2009 fand sie dann den Weg zum Forum der Kulturen in Stuttgart. Zehn Jahre lang war sie Teil einer bunten, vielfältigen Theatergruppe, in der aktuelle gesellschaftliche Themen nicht nur behandelt, sondern gelebt wurden. Was als kulturelle Neugier begann, wurde schnell zur Leidenschaft – und zur Berufung.
Der Zufall führte sie schließlich zum Theater Rampe, wo sie seit 2019 Ensemblemitglied im Volkstheater ist. Die Stücke dort finden oft im öffentlichen Raum statt – also mitten im Leben. Titel wie „Auf den Tod, auf das Leben, auf die Nachbarschaft“ oder „Willkommen im Westen“ (angelehnt an das Stuttgarter Willkommenscenter) spiegeln sich in den Stücken, und darum geht es Dorothea Karapanagiotidou: Begegnung, Auseinandersetzung, Wahrheit.
Auch die Teilnahme an ihrem neuesten Projekt entstand beinahe zufällig – beim Glasperlenspiel in Asperg tritt sie derzeit unter der Regie von Ursel Burkhardt auf. Zuvor fanden zwei Workshops statt, dann war klar: Karapanagiotidou übernimmt eine zentrale Rolle in dem Stück „Irrfahrt for Future“, eine launige, tragikomische Reise von Heldinnen und Helden. Sie spielt Kassandra, jene mythische Seherin, die die Wahrheit spricht, aber von niemandem gehört wird. Das Stück beginnt mit einem Klagelied und einem Schrei. Troja brennt. Fünf Frauen und ein Mann fliehen auf einem kleinen Segelboot – auf der Suche nach einer rettenden Zukunft. Die Reise führt vorbei an Inseln und Göttern, auch vorbei an den brennenden Themen der Zeit: Kriege, Klimakrise, Migration, Fake News. „Die Erde schreit, aber wir hören ihr nicht zu“, so ihre eindringliche Botschaft.
Tief in die Rolle eingearbeitet
Für die Theaterschauspielerin aus Bietigheim-Bissingen ist Kassandra keine klassische Hauptrolle – und das ist auch gut so. „Jeder in dem Stück hat seine Hauptrolle.“ Gleichwohl identifiziert sie sich mit der Figur Kassandra: eine Warnerin, eine Mahnerin, eine Frau mit dem Mut zur Wahrheit. „Theater ist für mich auch Bildung“, sagt sie. Dabei hat sie sich tief in die Figur eingearbeitet und nachgeforscht, um sie auf der Bühne ausdrucksstark reflektieren zu können. Doch Theater ist für Dorothea Karapanagiotidou mehr als das. Es ist ein Ort der Begegnung, des Lernens, auch über sich selbst. „Es ist wie Seelenstriptease. Ich lerne über mich, über meine Mitspieler, über das Leben.“
Besonders wichtig ist ihr die Kommunikation mit dem Publikum, dem sie unbefangen gegenübertritt: „Ich trage mit einem Lächeln immer ein Handvoll Kind in meiner Hosentasche.“ Das Lernen gehört dazu – auch das Textlernen. „Ich brauche ziemlich lange dafür, muss erst die Szene verstehen, bevor ich den Text lerne.“
Es ist diese Gründlichkeit, mit der sie das Publikum begeistert. Ebenso ihre Offenheit, ihre Leidenschaft, ihre Präsenz und ihr authentischer Zugang zur Bühne. Dorothea Karapanagiotidous Spiel ist auch ein Aufruf zum Hinsehen, Zuhören und Handeln.