Betreten der Ausstellung verboten“, heißt es gleich am Eingang zur neuen Ausstellung in der Städtischen Galerie auf einem dort angebrachten Schild. Es ist ein typisches Timm-Ulrichs-Objekt, dessen Werke vielfach von Ironie und Wortwitz geprägt sind. Laut Galerieleiterin Dr. Isabell Schenk-Weininger ist das ein Grund, warum der „bekannteste Konzeptkünstler in Deutschland“ von vielen Leuten ohne viele Erklärungen verstanden werde. Er sei dadurch populär geworden. An diesem Donnerstag, 19 Uhr, wird die Ausstellung über ihn, die bis zum 6. Oktober zu sehen ist, eröffnet. Timm Ulrichs (84) wird selbst auch mit dabei sein.
Bietigheim-Bissingen „Totalkünstler“ mit tiefgründigem Humor
Die Städtische Galerie zeigt unter dem Titel „Nichts als Theater“ Exponate des Künstlers Timm Ulrich aus dem Kunstmuseum Ahlen.
Kunstwerke für wenig Geld
Der „erste sitzende Stuhl“, der nach langem Sitzen sich zur Ruhe setzt (1970), oder der Satz „Am Anfang war das Wort Am“ sind zwei weitere Beispiele aus der Schau, die in den Kosmos des Künstlers einführen. „Er ist ein Gedankenkünstler“, sagt Schenk-Weininger, der Ideen entwickle, die dann oft auch andere umsetzten, deren Spezialkenntnisse er nutze. Der Titel der Ausstellung „Timm Ulrichs – Nichts als Theater“ ist dabei dem „Egozentrischen Manifest“ Ulrichs von 1966 entlehnt, in dem er seine Kunst mit dem Theater vergleicht.
Vieles atme den Zeitgeist der 60er- und 70er-Jahre, so die Galerieleiterin. Charakteristisch für Ulrichs, der sich selbst als „Totalkünstler“ bezeichnet, sei auch das Bemühen um eine Demokratisierung der Kunst, indem er immer wieder Kunstwerke für wenig Geld anbot.
Das Konzept der Ausstellung wie auch die Werke stammen vom Kunstmuseum Ahlen, das rund 100 Werke Ulrichs beherbergt: Körper- und Lichtkunst, vielgestaltige Objekte und Skulpturen, ironische Bilder und scharfsinnige Wortspiele. Geordnet ist die Schau, in der der Mensch als Beziehungswesen im Mittelpunkt steht, nach Personalpronomen: Ich – du – er, sie, es – wir – ihr – sie. „Er selbst fand das total überzeugend“, so Isabell Schenk-Weininger.
Menschlicher Blitzableiter
Die größte Abteilung umfasst dabei das „Ich“. Darunter sind zwei Fotos (von 1966 und 1991), auf denen der Künstler zu sehen ist, wie er sich, hinter Vitrinen sitzend, selbst ausstellte. „Vieles dreht sich um seine Person“, erklärt Schenk-Weininger. Weitere Beispiele sind die Darstellung seiner Körperoberfläche (die exakt 18.360 Zentimeter beträgt) oder ein „Körpertagebuch“.
Ulrichs ist ein Künstler, der an die Grenzen ging. In seiner Konzeptkunst spielte er sogar mit seinem Leben, wie etwa anhand einer fünf Meter langen Kupferstange zu sehen ist. Diese schnallte er sich um und lief damit nackt während eines Gewitters als „menschlicher Blitzableiter“ über ein Feld – unbeschädigt.
Auch der Besucher wird mit einbezogen. In der Abteilung „Du“ kann er anhand eines Strichs an der Wand testen, ob er sich auf Augenhöhe mit dem Künstler befindet. In „Er“ beschäftigt sich dieser auf skurrile Weise mit dem Tod – unter anderem dadurch, dass er sich „The End“ auf ein Augenlid tätowieren ließ. „Denken Sie immer daran, mich zu vergessen“, heißt es ironisch auf einer Gedenktafel aus Carrara-Marmor.
Mit der Natur befasste sich Ulrichs ebenfalls, unter anderem, indem er ein Landschaftsbild mit einem Tarnüberzug halb verhängte oder einen Baum im „Würgegriff“ gestaltete. Die Skulptur „Wolf im Schafspelz“ und „Schaf im Wolfspelz“ hätte die Galerieleiterin in diesem Zusammenhang gerne gezeigt – doch sie passte nicht durch die Eingangstür. Stattdessen sind davon nun großformatige Fotos zu sehen.
Dass er auch die Kunst selbst reflektierte, wird anhand eines Fotos deutlich, das Ulrich mit Stock, Blindenbinde und dem Schild „Ich kann keine Kunst mehr sehen!“ zeigt. Damit sei er 1975 durch die Kunstmesse in Köln-Deutz gelaufen, erläutert Schenk-Weininger. Es war eine Aktion, die Aufsehen erregte – das ihm damals aber auch jede Menge Ärger eingebracht habe.