Bietigheim-Bissingen Ukrainische Geflüchtete haben ein großes Hilfsnetzwerk in der Stadt

Von Petra Neset-Ruppert
Geflüchtete aus der Ukraine treffen sich regelmäßig in den Räumen der tebis Gemeinde. Anna Kyryehenko (Erste von rechts) und Julia Erzberger (zweite von rechts) organisieren ehrenamtlich Hilfe für die Menschen aus der Ukraine. Foto: /Martin Kalb

Viele Angebote gibt es für Geflüchtete aus der Ukraine in Bietigheim-Bissingen. Mittlerweile haben sie auch selbst Hilfsgruppen organisiert. Ein gut besuchter Treffpunkt ist in einem Gemeindehaus in Bissingen.

Seit fast acht Monaten herrscht in der Ukraine Krieg. Seitdem sind viele Menschen aus ihrer Heimat geflohen und kamen auch nach Bietigheim-Bissingen. Dort wurde ihnen von vielen verschiedenen Stellen geholfen, im neuen Alltag in Deutschland anzukommen. Dafür sind viele Geflüchtete dankbar. Doch auch innerhalb der ukrainischen Community hat sich ein großes Hilfsnetzwerk aufgebaut, das Neuankömmlinge unterstützt und mit der Hilfe von Kirchengemeinden und Vereinen auch Hilfspakete für die Ukraine organisiert.

In Bietigheim aufgenommen

Im März, kurz nach Beginn des Krieges, kam Anna Kyryehenko mit ihrer Tochter nach Deutschland. „Wir wurden gleich von einer Familie hier in Bietigheim aufgenommen und wohnen immer noch bei ihnen und das völlig kostenlos. Wie mir, geht es sehr vielen Menschen aus der Ukraine und wir sind sehr dankbar dafür, dass wir so viel Unterstützung erfahren“, erzählt Kyryehenko.

Da sie selbst so viel Hilfe erfahren hat, möchte sie auch selbst helfen und organisierte eine psychologische Gesprächsgruppe, die gemeinsam die Traumata aus dem Krieg in der Ukraine aufarbeitet. „Ich habe einen psychologischen Abschluss in der Ukraine gemacht und habe gemerkt, dass viele, die hier ankommen mit großen Ängsten kämpfen. Gespräche können helfen, diese Traumata zu verarbeiten und das biete ich an“, sagt Kyryehenko, die in der Ukraine als Rechtsanwältin arbeitete. Rund zehn Personen treffen sich wöchentlich in den Räumen der Gemeinde Freie Christen tebis in Bissingen.

Regelmäßige Treffen

„Wir wollten einfach was machen und haben die Räume zur Verfügung gestellt. Über das ukrainische Netzwerk auf Telegram und WhatsApp wurde dann bekannt gegeben, dass man sich bei uns in der Gemeinde treffen kann und jetzt kommen regelmäßig um die 30 bis 40 Leute zu uns“, erzählt Alex Bäcker, Pfarrer der tebis-Gemeinde.

Seit April findet dort alle zwei Wochen ein Kaffee-und-Kuchen-Treffen für ukrainische Flüchtlinge statt. Dort können sich neuangekommene und Geflüchtete, die bereits länger in Bietigheim sind, treffen, sich vernetzen und helfen. Vieles wird hier unkompliziert und niederschwellig organisiert und angeboten. So können die Geflüchteten während des Treffens nach Kleidung in der Kleiderkammer der Gemeinde suchen oder nachfragen, wie sie ein Formular ausfüllen müssen. Ehrenamtliche Übersetzer sind immer vor Ort. Und falls es mal keine Übersetzer gibt, wird kurzer Hand das Handy gezückt, um die Verständigung zu ermöglichen.

Das erlebte auch Daria Mamonova, die im Mai mit ihrer 16-jährigen Tochter aus der Ukraine nach Bietigheim-Bissingen floh. Hochschwanger machte sie sich auf den Weg nach Deutschland. Als sie im Juli zu einer Untersuchung in das Bietigheimer Krankenhaus ging, musste es plötzlich ganz schnell gehen. Ihr Sohn, der eigentlich erst einen Monat später hätte zur Welt kommen sollen, machte sich schon vorher auf den Weg. Sie wurde in die Klinik nach Heilbronn gebracht und da die Verständigung im Kreißsaal trotz ihrer Tochter, die auf Englisch übersetzte, nicht recht funktionierte wurde kurzer Hand eine Helferin aus Bietigheim angerufen. „Am Telefon haben sie mir dann gesagt was ich machen soll und es hat alles gut geklappt. Ich bin so dankbar für den Einsatz der Ärzte und Hebammen“, sagt Mamonova.

Auch Kyryehenko ist froh, dass sie in Bietigheim ankommen durfte. „Man hört ja auch von den anderen, die zum Beispiel in Stuttgart untergekommen sind, hier in Bietigheim läuft es mit der Verwaltung viel besser und deutlich schneller“, so Anwältin Kyryehenko. Auch viele Gemeinden und Vereine seien weiterhin wichtige Ankerpunkte für die Geflüchteten aus der Ukraine, auch für die Zuhause gebliebenen werden weiterhin Spenden gesammelt. So konnte man einen Stromgenerator nach Charkiv schicken, der nun Menschen versorgt, die in dem Keller einer Kirche Zuflucht gesucht haben. Auch medizinische Hilfsgüter werden regelmäßig verschickt.

„Es hat sich da ein richtig großes Netzwerk aufgebaut. Die Gruppen sind in ganz Baden-Württemberg gut vernetzt, sodass wir schnell auf Notfälle reagieren können“, erzählt Julia Erzberger. Sie kam über die ukrainische Community in Stuttgart dazu, sich für die Geflüchteten zu engagieren. Die Koordination der WhatsApp und Telegram-Gruppen ist ihre Aufgabe. „Das wir dann bei Bedarf auch mal ein Formular über WhatsApp ausgefüllt“, lacht Erzberger.

Wunsch nach Straßenfest

Keiner der Besucher des Kaffee-Treffs in Bissingen geht davon aus, dass der Krieg in ihrer Heimat bald enden wird. Deshalb wollen sie hier nicht still stehen und sich engagieren: „Gerne würde ich eine Art Straßenfest hier in Bietigheim organisieren, um den Menschen meine Heimat näher zu bringen, mit ihnen ins Gespräch zu kommen und für die Hilfe zu bedanken“, sagt Anna Kyryehenko. Doch das sei sehr schwierig zu organisieren. Sie hofft auf Unterstützung durch Vereine und karitative Einrichtungen vor Ort. Bis es so weit ist, wird sie sich weiter bei den bestehenden Angeboten für ihre Landsleute einbringen.

Treff für ukrainische Geflüchtete in Bissingen

Der nächste Kaffee und Kuchen Treff findet am 5. Oktober ab 15 Uhr im Gemeindesaal der tebis Gemeinde, Adalbert-Stifter-Straße 21. Alle zwei Wochen können die Geflüchteten sich dort treffen. Bei Fragen zur psychologischen Gesprächsgruppe an man sich per Mail an kirya.anna16@gmail.com wenden.

 
 
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