Bietigheim-Bissingen Union will einen Politikwechsel

Von Uwe Mollenkopf
Jens Spahn (vorne) kam am Mittwoch zum Wahlkampfauftakt ins Autohaus Weller nach Bietigheim. Foto: /Martin Kalb

Der CDU-Politiker Jens Spahn sprach am Mittwoch auf Einladung des CDU-Bundestagsabgeordneten Fabian Gramling und des MIT-Kreisverbands im Autohaus Weller.

Wenn es unter einer neuen Bundesregierung keine grundlegenden Veränderungen gebe, die der Bürger spüre, „dann war das vielleicht der letzte Schuss der demokratischen Mitte“, sagte Jens Spahn, ehemaliger Bundesgesundheitsminister und jetziger stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU im Bundestag, am Mittwoch in Bietigheim. Denn dann werde die AfD bis zur Bundeswahl 2029 weiter erstarken, so seine Befürchtung. Um das zu verhindern, brauche man eine starke CDU, warb Spahn. „Wer Veränderungen will, muss die Union wählen“, lautete sein Appell für die Wahl am 23. Februar.

Der Bundespolitiker kam auf Einladung des örtlichen CDU-Bundestagsabgeordneten Fabian Gramling und des Kreisverbands der CDU-Mittelstandsvereinigung (MIT) zum Abschluss einer ganzen Reihe von Wahlkampfauftritten an diesem Tag ins Autohaus Weller, wo er sich über die Resonanz freute: „Toll, was hier los ist im Autohaus.“ Für rund 120 Personen gab es im Gebäude in der Geisinger Straße Sitzplätze, doch weitaus mehr kamen, sodass viele die Veranstaltung im Stehen verfolgten.

Sorgen um die Wirtschaft

Er wünsche sich, dass Spahn zum Wahlkampfauftakt Zuversicht versprühe, sagte eingangs Jürgen Weller, einer der beiden Geschäftsführer des Autohauses und Mitglied der CDU-Fraktion im Gemeinderat. Die wirtschaftlichen Sorgen in der Region umriss Michael Jacobi, Vorsitzender des MIT-Kreisverbands und des CDU-Stadtverbands in Bietigheim-Bissingen. Jeder sechste Arbeitsplatz hänge hier am Auto, bei einem Exportanteil von 83 Prozent. Nun drohten EU-Strafzahlungen und Zölle, große Firmen investierten woanders.

Die Wirtschaft war dann auch eines der drei Themen, die Fabian Gramling herausstrich, „weil sie den Menschen auf den Nägeln brennen“. Die anderen beiden: Migration und Sicherheit. Hier brauche man einen Politikwechsel, forderte Gramling, bevor er das Wort an Spahn übergab.

Dieser bezeichnete die vorgezogene Bundestagswahl als Befreiung. „Das ist nun wirklich die schlechteste Bundesregierung aller Zeiten“, so sein Urteil über die Ampel, die aktuell noch als rot-grüne Minderheitsregierung im Amt ist. Das Problem: Auch das Vertrauen in die Institutionen sei geschädigt worden. Wirtschaftlich sei der Bevölkerung ein grünes Wachstum versprochen worden, stattdessen habe man nun zwei Jahre in Folge eine Rezession bekommen. Daran sei nicht nur der Ukrainekrieg schuld, kritisierte Spahn. Denn: Deutschland sei das einzige Land in der Eurozone, das schrumpfe.

Sofortprogramm vorgestellt

Spahn knöpfte sich die Subventionspolitik von Wirtschaftsminister Habeck vor („Ein Minister kann nicht klügere Investitionsentscheidungen treffen als die Unternehmer“). Der Staat solle die Rahmenbedingungen setzen, nicht nach Gutdünken Geld verteilen. „Das ist der Unterschied im Denken“, so der Politiker.

Der Gast aus Berlin bezeichnete das Abschalten der letzten Atomkraftwerke als den größten Fehler der Ampel-Regierung in der Energiepolitik. „Wir können ein Industrieland nicht allein mit Sonne und Wind betreiben.“ Es sei beim Ausstieg auch nicht ergebnisoffen geprüft worden. Jetzt sei man auf den Import von Strom aus Kernenergie angewiesen.

Als Sofortprogramm der ersten drei Monate wolle eine CDU-geführte Regierung unter anderem Bürokratie abbauen, zum Beispiel das Lieferkettengesetz abschaffen. Die Stromsteuer solle wegkommen und die Netzentgelte halbiert werden, um den Strompreis um fünf Cent pro Kilowattstunde zu verringern. Auch das Bürgergeld will die CDU in jetziger Form abschaffen. Wer arbeiten könne, aber nicht wolle, solle gar kein Geld erhalten. Zu den von Jacobi angesprochenen Problemen der Autoindustrie sagte Spahn, die in Aussicht stehenden EU-Strafzahlungen für Autobauer müssten zurückgenommen werden. Die beabsichtigte Klimaneutralität müsse ohne Verbot des Verbrenners erreicht werden.

Bei Migration „am Limit“

Klare Worte fand Spahn auch beim Thema illegale Migration. Mit Blick auf Schulen, Kindergärten, Wohnraum und Marktplätzen sei eine Grenze erreicht worden. „Wir sind am Limit“, so der Redner. Das Land brauche eine Pause, und im ersten Schritt sei eine Zurückweisung an der Grenze nötig. Die Zahl der illegalen Migranten müsse herunter auf Null, forderte Spahn. Doch mit wem will die CDU ihr Programm in einer Koalition umsetzen? „Mit den Grünen sind die Probleme des Landes gerade nicht lösbar“, erklärte Spahn dazu. Nötig sei auf jeden Fall „ein klares Mandat“ für die Union. Denen, die mit einem Kreuz aus Frust bei der AfD liebäugelten, versicherte er: „Wir haben aus unseren Fehlern gelernt.“

Koalitionsfrage im Mittelpunkt

Nach einer kompakten Rede ließ Jens Spahn bei seinem Wahlkampfauftritt in Bietigheim Raum für Fragen aus dem Publikum, eine Möglichkeit, von der rege Gebrauch gemacht wurde. Themen waren unter anderem die demografische Entwicklung, die Belastung der Unternehmen durch bürokratische Auflagen und die Finanzierung von CDU-Wahlversprechen. Zum letzteren Thema sagte Spahn, er wolle bei Migrationskosten und Bürgergeld sparen, das Heizungsgesetz abschaffen und ansonsten auf privates Kapital und Wachstum setzen.

Einen Schwerpunkt der Fragen bildete indes das Koalitionsthema, das heißt die Aussicht, mit SPD oder Grünen koalieren zu müssen. „Was bleibt nachher von dem, was Sie vortragen, übrig?“, fragte ein Teilnehmer. Ein anderer schlug unter Zwischenrufen („Das sind Faschisten“) vor, auch mit der AfD zu reden, ebenso wurde eine CDU-Minderheitsregierung ins Spiel gebracht. Spahn sagte, die AfD habe sich zu stark radikalisiert und verwies dabei auf Björn Höcke. Eine Koalition mit ihr bedeute die „Selbstaufgabe der CDU“. Eine Minderheitsregierung sei zu instabil. Er stelle sich aber die Frage, ob es Dinge gebe, „bei denen wir sagen müssen, ohne die gibt es keine Koalition“. „An manchen Tagen träume ich sogar von der absoluten Mehrheit mit 39 Prozent“, erklärte der Redner. Das sei rechnerisch nicht ausgeschlossen, wenn kleinere Parteien unter der Fünf-Prozent-Hürde blieben.

Hochprozentig bleibt aber vorerst nur der Whisky, den Spahn von Fabian Gramling als Gastgeschenk erhielt. Der Gast wurde in Bietigheim mit viel Applaus verabschiedet.

 
 
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