Bietigheim-Bissingen Unterwegs auf dem alten DLW-Gelände

Von Helga Spannhake
Am vergangenen Samstag konnten Besucher die Räume und Hallen des alten DLW-Geländes besuchen. Vier historische und zwei Sound-Führungen zeigten das alte Firmengelände aus unterschiedlichen Perspektiven. Foto: /Richard Dannenmann

Die Führungen durch das ehemalige DLW-Gelände in Bietigheim-Bissingen stießen auf großes Interesse. Die Nachfrage war so groß, dass es noch zwei zusätzliche Führungen durch die alten Linoleum-Werke gab.

Die aktuelle Ausstellung der Städtischen Galerie Bietigheim-Bissingen beleuchtet Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Stadt und im Rahmen des Begleitprogramms bot sich am Samstag die Gelegenheit das große ehemalige Firmengelände der Deutschen Linoleum-Werke genauer zu erkunden. Sowohl die atmosphärische Sound- als auch die historische Führung stießen dabei auf sehr großes Interesse.

Bietigheim, die Linoleumstadt

Linoleum wurde im 19. Jahrhundert in England entwickelt und auch in Deutschland war das Interesse an diesem neuen langlebigen und vergleichsweise günstigen Bodenbelag groß. Durch einen Eisenbahnknotenpunkt verkehrsgünstig gelegen wurde Bietigheim 1899 als Fabrikstandort auserkoren.

Der Leiter des Stadtarchives Christoph Florian tauchte mit seiner Kollegin Sonja Eisele während der historischen Führung tief ein in die Geschichte des Linoleumproduzierenden Gewerbes. Die Firmengeschichte stand vorrangig auf dem Rundumschlag. Durch den Bau neuer Arbeitersiedlungen hinterließ die Deutsche Linoleum-Werke AG aber ebenso Spuren in der Stadtentwicklung, konnten die Teilnehmenden erfahren. Bei Linoleum handelt es sich sogar um ein Naturprodukt: Aus Jute, Leinöl und Kork wird der Bodenbelag hergestellt, dem früher allerdings auch Schadstoffe, wie Asbest zugesetzt wurden. Bei jeder Führung waren 25 Personen anwesend und aufgrund der großen Nachfrage wurde sogar aufgestockt: Anstatt zweier historischer Rundgänge, fanden vier statt sowie insgesamt zwei Soundführungen. Anmeldungen gab es trotzdem doppelt so viele, wie untergebracht werden konnten. Isabell Schenk-Weininger, Leiterin der Städtischen Galerie freute sich zwar über das große Interesse, aber Interessierte abweisen zu müssen, fiel ihr nicht leicht. Die beschränkte Zahl der Teilnehmenden an den einzelnen Führungen beruhte allerdings auch auf der Tatsache, dass das Fabrikgelände einige Unwegsamkeiten aufwies und in den kleineren Büroräumen hätten nicht alle Platz gefunden, um entspannt den Ausführungen lauschen zu können.

Beeindruckendes Chefbüro

Über die große Treppe im Eingangsbereich ging es ins erste Stockwerk zum Chefbüro. Hochwertig gefertigte Holzvertäfelung zierte die Wände, ein großer Tresor verbarg sich hinter einer Seitentür und dicke Doppeltüren sorgten für Vertraulichkeit, denn Lauschen war dadurch ausgeschlossen. Sonja Eisele breitete Luftaufnahmen des Geländes auf dem Boden aus, während Christoph Florian von dunklen Zeiten erzählte: 500 Zwangsarbeiter gab es im Dritten Reich und der Zweite Weltkrieg brachte eine Umstellung der Produktion auf Schuhsohlen.

So wie bei der Historischen Führung das gesprochene Wort zählte, stand die Soundführung im Zeichen der Stille. Nicht durch die menschliche Sprache, sondern durch vielfältige Geräusche versuchte Künstlerin Sara F. Levin die alten Bauten zu beleben: Schritte, ein klingelndes Telefon, das harte Hämmern auf einer Schreibmaschine, eine glucksende Kaffeemaschine - die Büroräume schienen plötzlich zu alter Geschäftigkeit zurückzukehren: „Jedes einzelne Büro war durch diese Töne für mich belebt und das fand ich sehr schön“, lobte Besucherin Barbara Leimeister aus Schwäbisch Hall.

Kantine und Dampfturbinen

Anschließend ging es hinaus, an alten majestätischen Bäumen vorbei zur Kantine und weiter zum Kraftwerk mit den beiden Dampfturbinen: Schaltkreis-Kästen, verschlissene Böden, verlassene alte Spinde in einer Ecke, dazu ein großes Klangspektrum, was seinen krönenden Abschluss in sphärischen Klängen fand. In der großen Fabrikhalle improvisierte Sara F. Levin auf ihrer Blockflöte, hielt einen bewegenden Abgesang auf die Großindustrie den das Publikum spontan mit Applaus bedachte: „Ich habe nicht gewusst, dass hier so ein geschichtsträchtiges Gebäude steht“, zeigte sich die Ingersheimerin Claudia Jarosch im Anschluss beeindruckt.

 
 
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