Der stationäre Einzelhandel gerät durch den zunehmenden Onlinehandel erheblich unter Druck, ein Trend, der durch die Ausgehbeschränkungen während der Corona-Pandemie noch verstärkt wurde.“ Dies stellt Baubürgermeister Michael Wolf in der Ratsvorlage zum aktualisierten Einzelhandelskonzept der Stadt Bietigheim-Bissingen fest. Umso wichtiger werde es, die betroffenen Räume gezielt zu fördern und zu entwickeln. Das Instrument dazu ist das Einzelhandelskonzept, das zuletzt 2017 aktualisiert wurde. Über einen fortgeschriebenen Entwurf, wieder vom Büro Dr. Donato Acocella aus Lörrach erstellt, soll der Gemeinderat am Dienstag entscheiden.
Bietigheim-Bissingen Verkaufsfläche ist zurückgegangen
Am Dienstag soll der Gemeinderat den Entwurf für ein neues Einzelhandelskonzept beschließen. Darin werden unter anderem Defizite entlang der Talstraße benannt.
Weniger Betriebe, aber Umsatz bleibt stabil
Der darin vorgenommene Blick zurück auf die letzten zehn Jahre unterstreicht die Feststellung Wolfs. Demnach ist die Verkaufsfläche in Bietigheim-Bissingen zwischen 2014 und 2024 von 112.900 auf 90.825 Quadratmeter zurückgegangen, eine Abnahme um 20 Prozent. Die Zahl der Betriebe ging im gleichen Zeitraum von 240 auf 213 um elf Prozent zurück. Immerhin: Der Umsatz verringerte sich nur von 350,2 auf 343,4 Millionen Euro (minus zwei Prozent), ist also stabil geblieben.
Auch bei der sogenannten Gesamtbindungsquote der Kaufkraft hat das Büro für Stadt- und Regionalentwicklung eine Verschlechterung ausgemacht. Diese liegt laut den Berechnungen von Acocella bei rund 101 Prozent, was bedeutet, dass per Saldo etwa gleich hohe Kaufkraftzuflüsse wie -abflüsse zu verzeichnen sind. Im Jahr 2017 betrug die Gesamtbindungsquote hingegen noch 120 Prozent – das heißt, es floss damals mehr Kaufkraft zu als ab. Einschließlich des Online-Handels liegt die Quote aktuell sogar nur bei 86 Prozent.
Bedeutende Kaufkraftzuflüsse bestehen in den Bereichen Möbel, Bodenbeläge, Bekleidung und Apotheken. Abflüsse gibt es unter anderem bei Sport, Büchern und Unterhaltungselektronik. Insgesamt erfülle die Stadt ihre Funktion als Mittelzentrum aber weiterhin gut, wird in dem Gutachten festgestellt, insbesondere in den mittelfristigen (Bekleidung, Hausrat) und langfristigen Bedarfssegmenten (Möbel, Teppiche).
Was wird in dem aktualisierten Einzelhandelskonzept nun vorgeschlagen? Keine grundsätzliche Änderung soll es laut Ratsvorlage am bestehenden Drei-Zentren-Konzept mit den Einzelhandelszentren Bietigheimer Innenstadt, Bissingen und Buch geben. Neu ist, dass das Bahnhofsumfeld zwar nicht als Zentrum, aber als „strategischer Entwicklungsraum“ in dem Konzept auftaucht.
Ziel: Bahnhofsumfeld aufwerten
„Insgesamt ist das Bahnhofsgebiet – respektive vor allem der Bahnhof – aufgrund seiner Funktion als Umsteigepunkt zwar stark frequentiert, sein Potenzial als Ankunfts-, Begegnungs- und Aufenthaltsort ist jedoch nur unzureichend ausgeschöpft“, heißt es dazu im Entwurf. Vorgeschlagen wird eine Struktur mit Wohnen, Einzelhandel (insbesondere nahversorgungsrelevante Sortimente), Dienstleistungen und Gastronomie. „Städtebaulich soll die Umstrukturierung dazu genutzt werden, dem Gebiet einen eigenständigen Charakter zu verleihen und eine verbesserte Einbettung in die umliegenden Quartiere zu erzeugen“, heißt es dazu.
Baulücken in der Talstraße schließen
In der Bietigheimer Innenstadt, in der sich 41 Prozent der Einzelhandelsbetriebe in der Stadt befinden, erkennt das Konzept Defizite vor allem entlang der Talstraße. Die Gutachter empfehlen, diesen Bereich städtebaulich aufzuwerten, indem Baulücken geschlossen und belebte Erdgeschosszonen geschaffen werden. Um Aufenthaltsqualität zu schaffen und die Verknüpfung zur Altstadt zu stärken, wird empfohlen, den öffentlichen Raum in diesem Abschnitt sowie rund um das Kaufland gestalterisch zu verbessern.
Zudem werden Zusammenschlüsse von kleinteiligen Ladenflächen angeregt, um attraktive Gewerbeflächen zu schaffen. Weiter wird die Schaffung einer direkten Verbindung zwischen Talstraße und Mühlwiesenzentrum vorgeschlagen, zum Beispiel durch eine Überführung.
Für das Bissinger Zentrum strebt der Entwurf die Aufwertung des öffentlichen Raums an. Vorzonen sollten besser genutzt und für Außengastronomie oder Verweilzonen aktiviert werden. Die Verkehrsführung am Rathaus solle zugunsten des Fuß- und Radverkehrs neu organisiert werden, eine „Öffnung“ des Rathauses mit „belebenden Nutzungen“ im Erdgeschoss wird empfohlen.
Beim Nahversorgungszentrum Buch wird eine geringe Aufenthaltsqualität festgestellt. Im Süden wird daher angeregt, Gebäude zu sanieren, leerstehende Flächen neu zu ordnen und Vorzonen gestalterisch aufzuwerten. Die Parkierung solle gebündelt und reduziert werden, so das Planungsbüro. Im Norden ist von einer städtebaulichen Neustrukturierung die Rede, inklusive einer besseren Anbindung ans südliche Zentrum.
Mit Einzelhändlern im Vorfeld besprochen
Laut Ratsvorlage wurde der Entwurf des Einzelhandelskonzepts im Vorfeld bereits gemeinsam mit Vertretern des Einzelhandels besprochen und Anregungen wurden aufgenommen. Sollte der Gemeinderat am Dienstag den Entwurfsbeschluss fassen, wird das Konzept öffentlich ausgelegt, parallel dazu erfolgt die Beteiligung der Behörden und Träger öffentlicher Belange. Die Verwaltung erstellt daraus einen Abwägungsvorschlag, der den Stadträten zur abschließenden Beschlussfassung vorgelegt wird.
