Wir nehmen nichts mit, was wir nicht selber essen würden“, erklärt Reinhard Kutscherauer, als er an einem kühlen Dienstagmorgen mit routinierten Griffen die Lebensmittelkisten durchgeht. Was dem nicht entspricht, wandert in den Mülleimer an der Laderampe des Supermarkts. Eine relativ gute Ausbeute bringt hier schon die erste Station seiner Route: einiges an Molkereiprodukten, viel Gemüse, sogar ein paar bunte Blumensträuße sind dabei.
Bietigheim-Bissingen Vom Supermarkt in den Tafelladen
Jeden Morgen brechen Fahrer auf, um die Regale des Tafelladens zu füllen. Die BZ ist mitgefahren.
Früh am Morgen schon starten zwei Lieferwagen vor dem Tafelladen in der Bissinger Flößerstraße, ihr Ziel: Lebensmittel für den Tafelladen. Zwei der vier Fahrer an diesem Morgen sind Kutscherauer und Christoph Neumann.
Der Tourenplan variiert von Tag zu Tag: An diesem sind es drei Supermärkte, ein Bäcker und ein Balkangrill, der Fladenbrot abgibt. Ebenso variiert die Menge, die an den verschiedenen Stationen eingesammelt wird. Manchmal kommt ein kurzfristiger Anruf, „wir haben heute nichts“, dann ändern sie die Route.
Circa 30 regelmäßige Partner hat die Tafel. Deren Spenden variieren, manchmal werden ganze Regale ausgeräumt, dann bewirken neue Verordnungen wie die, dass bei Reis und Nudeln das Mindesthaltbarkeitsdatum abgeschafft werden soll, dass davon wohl weniger an die Tafel geht.
„Was Gutes zu machen“
Die Fahrer der Tafel kommen aus dem ganzen Kreis, die meisten von ihnen sind nicht mehr im Berufsleben. Kutscherauer ist seit drei, Neumann seit anderthalb Jahren dabei, sie übernehmen einmal die Woche vormittags die Fahrten und springen manchmal bei Fehlzeiten ein.
„Was Gutes und Sinnstiftendes zu machen“, führte sie in die ehrenamtliche Tätigkeit bei der Tafel, erzählen sie auf dem Weg zur nächsten Station. Im Team herrsche immer gute Stimmung: die Motivation ist hoch, niemand quält sich dorthin wie zur Arbeit. Und es ergeben sich auch ganz neue Bekanntschaften: während man im Berufsleben ja doch eher in seiner Blase sei, lerne man hier im Team Leute mit ganz anderem Hintergrund, aus anderen Berufen als auch anderen Kulturen, kennen, erzählt Kutscherauer. Auch Freundschaften entstehen auf den morgendlichen Fahrten, mit einem geht er nun oft zum Sport. „Ich habe noch nicht erlebt, dass jemand sagt: das ist nichts für mich“, bestätigt auch Neumann das gute Arbeitsklima. Wer einmal anfange, bleibe oft im Team der Tafel, ein Ausscheiden aus dem Team kommt eigentlich nur aus Altersgründen vor.
Neue Fahrer werden erstmal eingelernt, kommen ein paar Fahrten als Beifahrer mit: Bei welchem Supermarkt fährt man direkt an die Rampe, bei welchem braucht man einen Chip? Man erlernt die Grundsätze, es gibt Online-Schulungen, dazu zweimal im Jahr Schulungen in Präsenz. Im zweiten Lieferwagen ist an diesem Morgen auch ein neuer Beifahrer dabei, die Anmeldung ist unbürokratisch.
Nach knapp zwei Stunden ist der Lieferwagen zurück beim Tafelladen: Höchste Zeit, denn der öffnet um zehn. Das Gemüse kommt in die Küche, wird komplett ausgepackt, einzeln kontrolliert, vereinzelt ausgeschnitten. Was man selber nicht essen wolle, komme nicht ins Regal, bestätigt Irmela Mayr den Grundsatz bei der Auswahl der Lebensmittel. Auch sie ist dabei, um „was Sinnvolles zu machen“, erklärt sie, inzwischen auch seit drei Jahren. Dass sie Kunden haben, die kommen weil die Rente einfach nicht reicht, bedrückt sie. Über 100 Kunden kommen durchschnittlich am Tag, der Tafelladen hat seine Öffnungszeiten seit Ostern auf fünf Tage die Woche ausgedehnt. Um die Lebensmittel gerecht zu verteilen, kann man von einigen nur ein Stück pro Kundenkarte mitnehmen. Mehrpersonenhaushalte können aber mehrfach pro Woche kommen.
Kundenzahlen gestiegen
Bei den Brötchen gibt es an diesem Tag keine Beschränkung, von denen gibt es genug. „Man muss alle gerecht behandeln, das ist ganz wichtig“, betont Ursula Ludwig, die alle im Team nur Uschi nennen. Manchmal gebe es schon Unverständnis für die Aufteilung, erzählt sie aus Erfahrung. Sie ist seit 19 Jahren im Tafelladen dabei, seit der Gründung. Sehr verändert habe sich die Arbeit in dieser Zeit. Höchstens 50 Kunden kamen früher am Tag, auch durch die Migration stiegen die Kundenzahlen. Insgesamt gibt es auch weniger Lebensmittel.
Schnell werden Gemüseregale, Kühlschränke und die Back-Ecke gefüllt. Das Team arbeitet routiniert Hand in Hand, es wird aber auch viel gelacht. Die meisten Teammitglieder sind in Rente, da sind aber auch die drei FSJ-ler, zwei davon aus Indien, zwei Kunden der Tafel, die auch dort zu arbeiten begannen, und eine Praktikantin aus den Theo-Lorch-Werkstätten. Im Frühstücksraum direkt neben der Küche wurde davor schon zusammen gegessen. Mayr bestätigt die gute Zusammenarbeit im Team, die Freundschaften, die sich ergeben, erzählt von dem gemeinsamen Ausflug, den sie kürzlich zur Burg Hohenzollern machten.
Um zehn hat sich schon eine kleine Schlange vor dem Laden gebildet. Per Losverfahren wird die Reihenfolge gerecht gestaltet, dann wird jeder nach dem Vergabeschlüssel bedient. Viele kennt das Team schon persönlich.
Die Fahrer sind inzwischen schon wieder aufgebrochen, die zweite von drei, vielleicht vier Touren heute: Eine Spedition hat sich gemeldet, sie hat gerade unverhofft Überschüsse. Auch warten weitere Supermärkte. Die ersten Kunden machen sich da schon auf den Weg zurück zur Bushaltestelle. Im Einkaufskorb des einen: ein bunter Blumenstrauß.