Bis vor wenigen Jahren war es weitgehend jedem einzelnen überlassen, wie er in der kalten Jahreszeit für behaglich warme Zimmer in Haus oder Wohnung sorgte. Inzwischen macht der Staat Vorgaben, wie in Zukunft geheizt werden soll, mit dem Ziel, dabei ohne Treibhausgase auszukommen. Die Kommunen sind verpflichtet, dazu eine Wärmeplanung aufzustellen. Wie weit sie damit sind, beleuchtet die BZ in einer Serie und blickt dazu nun nach Bietigheim-Bissingen.
Bietigheim-Bissingen Wärmeplanung nimmt konkrete Formen an
In Bietigheim-Bissingen sieht sich die Stadtverwaltung als Wegbereiterin. Die Wärmenetze sollen ausgebaut, die energetische Sanierung forciert werden. Das Zieljahr 2035 ist sportlich.
Die Stadt hat mit dem Feststellungsbeschluss des Gemeinderats über die Kommunale Wärmeplanung im Dezember 2023 gewissermaßen eine Punktlandung hingelegt. Denn in Baden-Württemberg waren die Stadtkreise und Großen Kreisstädte laut Landesklimaschutzgesetz verpflichtet, bis zum 31. Dezember 2023 einen kommunalen Wärmeplan zu erstellen. Der Bund gibt den Gemeinden mit bis zu 100.000 Einwohnern mehr Zeit: bis 30. Juni 2028.
Der dazu vom Büro EGS-Plan Ingenieurgesellschaft für Energie-, Gebäude- und Solartechnik mbH aus Stuttgart erstellte Abschlussbericht ist umfangreich. Er besteht in der Fassung vom 23. Juli 2024 aus 109 Seiten. Darin wird erläutert, wie Bietigheim-Bissingen die Klimaneutralität in der Wärmeversorgung erreichen will, wobei die Stadt noch über das hinausschießt, was das Land vorgibt: Statt 2040 will man bereits 2035 klimaneutral sein, so das vom Gemeinderat beschlossene Ziel.
Derzeit dominieren Gas und Öl
Der Weg dorthin ist weit, denn, mit Stand von 2020, wird der größte Anteil des Wärmebedarfs in Bietigheim-Bissingen laut dem Bericht durch die fossilen Energieträger Erdgas und Heizöl (rund 90 Prozent) gedeckt, der Anteil der Wärmenetze an der gesamten Wärmebereitstellung beträgt rund 14 Prozent. Der Anteil der dezentralen erneuerbaren Energien: circa fünf Prozent. Rund 60 Prozent des Endenergiebedarfs in der Stadt wird in den Wohnungen benötigt.
Um das gesetzte Ziel zu erreichen, spielen laut EGS-Plan Wärmepumpen die Hauptrolle: Sie sollen bis 2035 rund 60 Prozent der Wärme erzeugen. Als wesentliche Umweltwärmequellen werden Außenluft, Flusswasserwärme und Abwasserwärme gesehen. Weiterhin soll das Wärmenetz weiter ausgebaut, nachverdichtet und „dekarbonisiert“ werden. Aber auch energetische Sanierungen gelten als wichtiger Punkt: Durch die Verbesserung des Wärmeschutzes von Gebäuden könne circa 19 Prozent des Gesamtwärmebedarfs eingespart werden.
Gasnetz: Zukunft unklar
Zur Frage, was mit dem bestehenden Gasnetz passieren soll, ob dies stillgelegt oder zurückgebaut werden soll, enthält der Bericht bewusst keine Aussage. Denn die Entwicklung der Energieinfrastruktur in Deutschland sei sehr dynamisch und nicht klar prognostizierbar, heißt es. Erklärt wird nur, dass die Menge an Gasen zur Wärmebereitstellung um 89 Prozent verringert werden soll. 2035 solle noch elf Prozent des Wärmebedarfs durch sogenannte grüne Gase bereitgestellt werden – darunter fallen zum Beispiel Biogas, Wasserstoff und synthetisches Methan.
Seit dem Beschluss Ende 2023 hat die kommunale Wärmeplanung in Bietigheim-Bissingen laut Sprecherin Anette Hochmuth konkrete Formen angenommen. Stadt und Stadtwerke arbeiteten dabei eng zusammen. Erste wichtige Schritte seien angestoßen worden: So seien etwa Fördermittel für eine BEW-Machbarkeitsstudie (Bundesförderung für effiziente Wärmenetze) zur Transformation der bestehenden Wärmenetze beantragt worden. „Auch ein umfassender Stromnetzcheck wurde bereits abgeschlossen – ein entscheidender Schritt, um mögliche Synergien zwischen Strom- und Wärmesystemen zu identifizieren“, so Hochmuth.
Sanierungsrate steigern
Weiterhin würden die Stadtwerke intensiv am Ausbau der bereits bestehenden Wärmenetze und der Verknüpfung der drei Heizzentralen (Buch, Kreuzäcker, Mitte) in der Stadt arbeiten. Zudem habe die Stadt ein Pilotprojekt zur Einführung energetischer Gebäudesteckbriefe gestartet, mit dem Ziel, die Sanierungsrate im Gebäudebestand deutlich zu steigern. „In der Bevölkerung soll so mehr Bewusstsein für energetische Potenziale geschaffen und es sollen Anreize für Investitionen in Sanierungsmaßnahmen gesetzt werden“, so die Sprecherin (siehe auch Infokasten).
Hohe Kosten für Eigentümer
Zur Frage, wie realistisch eine klimaneutrale Wärmeversorgung bis zum Jahr 2035 ist, ein Ziel, das von Oberbürgermeister Jürgen Kessing bereits im Gemeinderat als sportlich bezeichnet wurde, sagt Hochmuth, dies sei maßgeblich davon abhängig, „inwieweit private Eigentümer und Eigentümergemeinschaften bereit sind, in nachhaltige Heizsysteme und Gebäudesanierungen zu investieren“. Die städtischen Liegenschaften betreffend, würden klimafreundliche Heizungssysteme – Wärmepumpe, Fernwärmeanschluss – bevorzugt, um mit gutem Beispiel voranzugehen. Da die kommunalen Gebäude allerdings nur einen sehr geringen Anteil am gesamtstädtischen Wärmeverbrauch haben, sehe sich die Kommune auf dem Weg zur klimaneutralen Wärmeversorgung hier vorwiegend in der Rolle einer Wegbereiterin – mit Beratung, Information und strategischer Planung.
Nicht zuletzt ist das Ganze auch eine Kostenfrage. Auf rund 260 Millionen Euro für Dämmung und energetischer Sanierung schätzt das EGS-Gutachten den Investitionsaufwand in der Stadt. Diese Kosten müssten von den Eigentümern der Gebäude – abzüglich Fördermittel – bezahlt werden. Auch der beabsichtigte Ausbau des Wärmenetzes durch die Stadtwerke Bietigheim-Bissingen ist teuer: Er wird mit 67 Millionen Euro veranschlagt.