Das „Große Haus“ in Untermberg blickt auf eine lange Geschichte zurück, ist es doch mit 460 Jahren das wohl älteste Haus in dem Bietigheim-Bissinger Ortsteil. Doch nun denkt die Stadtverwaltung, in deren Besitz sich das Objekt heute befindet, über einen Abriss nach. „Das Gebäude ist leider baulich sehr stark heruntergekommen, weshalb der Erhalt umfangreiche Sanierungsarbeiten erfordern würde, die eventuell nicht mehr vertretbar sind“, erklärt Presseamtsleiterin Anette Hochmuth.
Bietigheim-Bissingen Wird das „Große Haus“ abgerissen?
Mit 460 Jahren ist das Objekt das wohl älteste Haus in Untermberg. Weil es jedoch stark heruntergekommen ist, denkt die Stadt über die Zukunft des Gebäudes nach.
Eine endgültige Entscheidung oder konkrete Pläne gebe es zwar noch nicht, beim Verein Sympathie für Untermberg erregte die Nachricht dennoch Aufmerksamkeit. Nach Ansicht des Vereins solle die Stadtverwaltung eingehend prüfen, ob damit nicht ein Zeitzeugnis beseitigt würde, das unter Umständen in ein ähnliches Kleinod wie das einst in letzter Minute gerettete Hornmoldhaus in Bietigheim, dem eigentlich das gleiche Schicksal beschieden war, verwandelt werden könnte. Das Ortsbild von Untermberg würde ein solches saniertes Fachwerkhaus nach Meinung des Vereins positiv prägen.
„Schmuckstück für Untermberg“
Auch SPD-Stadtrat Thomas Reusch-Frey äußerte in der jüngsten Sitzung des Verwaltungs- und Finanzauschusses Bedenken: „Das Haus ist zwar in einem sehr schlechten Zustand, könnte aber als Fachwerkhaus ein Schmuckstück für Untermberg werden, wenn es renoviert werden würde. Angesichts des miserablen Bauzustandes gilt es deshalb abzuwägen, ob der Bauzustand oder die historische Bedeutsamkeit des Gebäues den Ausschlag geben für die Zukunft des Hauses.“
Aber was macht das „Große Haus“ so geschichtlich wertvoll? Der Untermberger Verein hat dazu umfangreiche Informationen gesammelt: Gebaut wurde das Objekt seinerseits im Jahr 1565 vom ehemaligen Untermberger Schultheiß Jacob Wennagel, einem Zeitgenossen von Sebastian Hornmold. Der Familienverband der Wennagels dominierte in Untermberg im 16. Jahrhundert über mindestens 100 Jahre. Nach dem Tod Jacob Wennagels im Jahr 1599 wurde sein Besitz einer ausführlichen Inventur unterzogen. Das „Große Haus“ wurde darin wie folgt beschrieben: „Eine Behausung, mit Zugehörde und Keller, zwischen der Allmend zu beeden Seiten gelegen, hünden uff Michel Stürlin stoßend, zinst jährlich der Kellerey Sachsenheim 9 Schilling und gemeinem Flecken, usser der Staffel vorm Haus, sechs Heller, susten über die Hausbeschwerden aigen.“
Das Haus war für den Ort repräsentativ, aufwendig im schwäbischen Rennaissancestil erbaut und damit Bietigheimer Häusern aus der Zeit nachempfunden. Unter dem Haus befand sich ein großer Keller, auf dem wohl schon ein Vorgängerhaus gestanden hatte. Damals wird das „Große Haus“ mit einem Wert von 450 Gulden beziffert. Das Gesamtvermögen Wennagels belief sich auf etwa 14.000 Gulden. Ab 1610 taucht der Name Michel Vatter, Schwiegersohn der Witwe Wennagel als Besitzer auf. Dessen Enkelsohn baute in Asperg übrigens die Gastwirtschaft „Lamm“. Doch aufgrund der Inflation, Steuererhöhungen, klimatischen Veränderungen und den Folgen des 30-jährigen Krieges, sollte das „Große Haus“ nie mehr solchen Wohlstand sehen.
Vatter starb 1631, sein Vermögen sollte geteilt werden. Die Zeit nach der Schlacht bei Nördlingen ging jedoch auch an der Untermberger Immobilie nicht spurlos vorbei. Die Grundstückspreise fielen ins Uferlose, die Bewirtschaftung war mangels Leute kaum möglich, Schulden blieben jedoch in alter Höhe bestehen. Mehr als die Hälfte der rund 30 Häuser im Ort, war unbewohnbar oder zerstört.
Zeit der Zersplitterung
Nach dem Krieg geriet Lorentz Baußbach, ein „hängengebliebener“ Krieger aus Ansbach in den Besitz des „Großen Hauses“. Nach dessen Tod wurde das Haus geteilt, ein Drittel fiel seiner Witwe zu, der Rest ging an seine beiden Söhne.
Zwei Drittel des Hauses wurden schließlich zwangsversteigert, weil die Erben zu große Schulden hatten. Der „Flecken“ erwarb beide Hausteile.
Um 1698 kam der Zimmermann Mattheuß Zeller nach Untermberg und kaufte alle drei Hausteile für 61 Gulden – nur 100 Jahre, nachdem es auf 450 Gulden angesetzt war. Vermutlich hatte Zeller umfangreiche Umbauten vorgenommen, 1729 findet sich dort ein Stall, auch die barocken Fensterumbauten stammen wohl aus dieser Zeit. 1729 verkauft er das Haus an seinen Sohn, musste die Transaktion nach massivem Protest seiner Töchter und Schwiegersöhne jedoch rückgängig machen. Erneut wurde das Haus in drei Teile geteilt.
Es folgte eine Zeit der Zersplitterung. Eine Zeit lang wurden fünfzehntel des Hauses oder sechstel des Kellers gehandelt. Bis 1828 wurden über 90 Besitztitel abgeschrieben. Die genaue Besitzerliste wurde unübersichtlich. Der Erzählung nach soll es Anfang des 19. Jahrhundert jedoch einen Bewohner gegeben haben, der „Spinner Daub“ genannt wurde und der den Napoleanischen Russlandfeldzug heil überstanden haben soll.
Anfang der 1950er-Jahre stürzte ein Teil der Nordwestwand ein und wurde notdürftig geflickt. Der Kellerabgang von außen wurde zugemauert. Eine gründliche Sanierung fand in den Achtzigern statt, nachdem es im Haus geringfügig gebrannt hatte.