Der Ausbau der Solarenergie in Deutschland boomt derzeit, im Juli wurde ein Rekordwert bei der Erzeugung von Strom aus dieser Energiequelle erzielt (die BZ berichtete). Gleichzeitig gibt es immer mehr Überkapazitäten, unter anderem weil der Strom vor allem in der Mittagszeit entsteht, wenn der Bedarf gering ist, und weil die Netzbetreiber mit dem Ausbau der Stromnetze nicht hinterherkommen. Vor diesem Hintergrund spielte sich auch die Diskussion über Fördermaßnahmen zur Erzeugung von Solarstrom in Bietigheim-Bissingen am Dienstagabend im Gemeinderat ab, angestoßen durch einen Einwohnerantrag der Klimainitiative und Anträge von GAL, CDU und SPD.
Bietigheim-Bissingen Zuschüsse gibt’s für auch für Speicher
Der Gemeinderat hat ein Paket an Fördermaßnahmen für privaten Solarstrom beschlossen. Damit sollen vor allem der Eigenverbrauch erhöht und der Gasverbrauch reduziert werden.
Klimawandel-Folgen abmildern
Aufgrund der Überkapazitäten und weil sich die Investitionen in Solaranlagen durch den Wegfall der Mehrwertsteuer und die weiter sinkenden Kosten für Solarmodule innerhalb weniger Jahre rechneten, sah der Verwaltungsvorschlag vor, die Förderung von Balkonkraftwerken auf einkommensschwächere Haushalte mit Familienpass zu beschränken. Ansonsten sollten die Fördermittel auf flankierende Anlagen bei der Stromproduktion wie Batteriespeicher, Photovoltaik-Thermie-Anlagen und Warmwasserwärmepumpen konzentriert werden, wie Baubürgermeister Michael Wolf erläuterte. Der Eigenverbrauch des selbsterzeugten Stroms solle erhöht, der Gas-/Ölverbrauch reduziert werden. Es gehe darum, die „unabwendbaren Folgen des Klimawandels etwas abzumildern“, so Wolf.
Bei der Mehrheit der Gremiumsmitglieder rannte er damit offene Türen ein. Das Programm habe Impulswirkung, es komme darauf an, als Stadt zu zeigen, „dass jeder etwas beitragen kann“, sagte Thomas Reusch-Frey, der Fraktionsvorsitzende der SPD. Die soziale Komponente bei den Balkonkraftwerken sei sinnvoll. Die SPD hatte beantragt, alle Interessierten zu fördern, befürworte jetzt aber den gefundenen Kompromiss, so Reusch-Frey. Er sei überzeugt, dass die Förderung Wirkung zeige.
„Sehr guter Kompromiss“
Von einem „sehr guten Kompromiss“ sprach Karin Wittig (CDU). Wichtig sei, dass es jetzt auch Geld für Batteriespeicher gebe, was Teil eines CDU-Antrags zur Förderung von PV-Anlagen gewesen war. Zufriedenheit herrschte auch bei der GAL, welche die Komponente mit dem Familienpass bei der Förderung beantragt hatte, wie GAL-Stadtrat Albrecht Kurz hervorhob. Eine allgemeine Förderung von PV-Anlagen sei nicht nötig. Die Gewährung von Zuschüssen sei wichtig, weil die Stadt die Klimawende nicht allein schaffe, so Kurz. Man brauche eine Lenkungswirkung. Er empfahl, die Förderung nicht zu stark zu deckeln – in der Ratsvorlage ist dafür eine Summe von 120.000 Euro im Jahr vermerkt.
Die FDP, die ebenfalls zustimmte, empfahl deshalb eine jährliche Überprüfung der Fördersumme, was Bürgermeister Wolf zusagte. Es gehe darum, mit Subventionen zurückhaltend umzugehen, sagte FDP-Rat Dr. Arno Steilner.
Problem: Überkapazitäten
Auseinander gingen die Meinungen bei den Freien Wählern: Während Fraktionschefin Ute Epple und andere den Verwaltungsvorschlag begrüßten, sahen einige in der Fraktion die Förderung von Balkonkraftwerken kritisch. Gleiches gelte für die Förderung von Speichern, so Epple, da sich diese nach Ansicht der Kritiker ohnehin nur Besserverdienende leisten könnten.
Ganz auf Ablehnung stieß das Förderprogramm bei der AfD-Fraktion, für die Sprecher Matthias Veith die erste Stellungnahme im Rat abgab. Er sprach von „vagen Zielen der Klimarettung“ und zitierte Eon-Chef Leonhard Birnbaum, der in einem Interview vor dem ungesteuerten Zubau von PV-Anlagen gewarnt hatte. Die Folgen seien Überkapazitäten und unnötig hohe Kosten, so Veith.
Dass es „manchmal zu viel Strom“ gebe, mache ihm keine Angst, hielt SPD-Rat Werner Kiemle entgegen. Hier könnten in Zukunft auch Elektroautos als Speicher genutzt werden.
Oberbürgermeister Jürgen Kessing erklärte, aufgrund der Überschüsse brauche man natürlich Speicher, wie etwa mittels Wasserstoff-Produktion, ganz genau regeln lasse sich das derzeit aber nicht. Gar nichts zu tun, sei aber die schlechtere Variante. Man gehe mit dem Förderprogramm auch nach der Devise „Versuch und Irrtum“ vor.
Der Verwaltungsvorschlag wurde am Ende mit sechs Gegenstimmen beschlossen.