Bietigheim Steelers Constantin Braun im Interview: „Jeder ist angefressen“

Von Andreas Eberle
Steelers-Anführer Constantin Braun unterstützt die Spendenaktion der „Movember Foundation“ für Männergesundheit und trägt als Zeichen dafür im November einen Schnauzbart. Foto: Eibner/Heike Feiner

Kapitän Constantin Braun ist zu 100 Prozent davon überzeugt, dass die Bietigheim Steelers den Klassenerhalt in der Deutschen Eishockey Liga (DEL) schaffen. Ein Gespräch über Knotenlöser, Verstärkungen und Sündenböcke.

Constantin „Tine“ Braun ist der Anführer im Team des DEL-Schlusslichts Bietigheim Steelers. Vor dem Heimspiel an diesem Freitag (19.30 Uhr) gegen die Adler Mannheim spricht der 34-jährige Kapitän und Topverteidiger im BZ-Interview über die schwierige Situation, die Forderung nach Verstärkungen, Kritik in den Sozialen Medien – und verrät, warum er die Fußball-WM nur nebenbei verfolgt.

Verfolgen Sie die viel diskutierte Fußball-Weltmeisterschaft in Katar?

Constantin Braun: Diese WM interessiert mich nicht wirklich, ich verfolge sie eher nebenbei. Mit Fußball im Winter kann ich so gar nichts anfangen. Bei einem Sommerevent ist das anders. Dann ist unsere Saison vorbei, gucke ich mir gerne die Spiele draußen in der Sonne mit meinen Leuten an.

Zu Ihnen und den Steelers. Sind Sie nach Ihrer Fingerverletzung schon wieder ganz der Alte?

Die spielfreie Zeit durch die Deutschland-Cup-Pause kam mir entgegen. Es dauert immer so zwei, drei Spiele, um den Verletzungsrost abzubekommen. Körperlich fit bin ich auf jeden Fall. Jetzt fehlt nur noch etwas der Spielrhythmus. Aber den werde ich bei der vielen Eiszeit, die ich habe, relativ schnell finden.

Der Abstand zum anvisierten drittletzten Platz beträgt schon sieben Punkte. Was macht Sie zuversichtlich, dass die Mannschaft das Ruder im Abstiegskampf noch herumreißt?

Ich habe das Gefühl, dass jeder von der Situation angefressen ist. Der Charakter der Mannschaft stimmt genauso wie ihre Qualität. Wir sind alle bereit, die Arbeit zu investieren, um da unten wieder herauszukommen. Wir brauchen jetzt ein Spiel, das als Knotenlöser dient und nach dem wir dann drei-, viermal gewinnen. Wir haben noch 35 Spiele. Aber klar: Der Turnaround sollte bald kommen.

Trotz ansprechender Leistungen sind die Steelers in den beiden Duellen nach der Deutschland-Cup-Pause leer ausgegangen. Welche Lehren hat das Team daraus gezogen?

Wir sind uns bewusst, dass wir öfters gut spielen, uns aber leider nicht belohnen und am Ende ohne Zählbares dastehen. Die positiven Dinge nehmen wir mit und bauen darauf auf. Aber wir wissen auch um unsere Defizite – zum Beispiel, dass wir die Gegentore oft zu leicht herschenken. Daran arbeiten wir hart. Wir sprechen viel untereinander und mit dem Trainerstab. Mehr können wir nicht tun.

Wie wirken Sie als Kapitän auf Ihre Mitspieler ein, um die Zuversicht am Leben zu halten?

Ich versuche, mit dem besten Beispiel voranzugehen – also in jedem Training und in jedem Spiel meine 100 Prozent abrufen, hart arbeiten, Schüsse blocken, kämpfen, machen, tun. Und im Kraftraum sowie in der Kabine bin ich bestrebt, gute Laune zu verbreiten und die Jungs bei Laune zu halten. Aber natürlich spreche ich auch die negativen Dinge an – und versuche dem Einzelnen zu helfen, damit es beim nächsten Mal für ihn besser läuft.

Was ist anders als in der vorigen DEL-Runde, in der der SCB als Neuling souverän den Klassenerhalt schaffte und zeitweise sogar an den Playoffs schnupperte?

In der vergangenen Saison sind wir als Aufsteiger auf einer Euphoriewelle getragen worden. Und mit Riley Sheen hatten wir einen Spieler, der 40 Tore geschossen und die Dinger fast blind gemacht hat. Da konntest du dich immer darauf verlassen, dass er einen reinschiebt. Damals hatten wir auch einen besseren Start, sind besser ins Rollen gekommen und hatten so auch eine ganz andere Energie – obwohl wir auch da schwierige Phasen zu überstehen hatten. In diesem Jahr war unser Start nicht so gut. Wir hatten viele Verletzte und sind in eine Abwärtsspirale geraten, aus der man sich nur schwer wieder herauskämpfen kann. Außerdem haben unsere Gegner ihre Hausaufgaben gemacht und sind mittlerweile besser auf uns eingestellt. Vor einem Jahr waren wir für alle noch eine Wundertüte. Heute weiß jeder, wie wir spielen.

Brauchen die Steelers nicht noch ein, zwei Verstärkungen, um wirklich konkurrenzfähig zu sein?

Solche Forderungen hört man immer wieder aus dem Umfeld. Klar würde uns der eine oder andere Spieler noch guttun. Wenn aber keiner mehr kommt und wir vom Verletzungspech verschont bleiben, sind wir auch mit der jetzigen Mannschaft gut genug, um nicht abzusteigen.

Bei manchen Klubs wird in schwierigen Situationen der Trainer gewechselt. Wie stehen Sie als Spieler zu dem vermeintlichen Allheilmittel?

Das müssen andere entscheiden. Meine Aufgabe ist es, Eishockey zu spielen – egal wer hinter der Bande steht.

Der Coach, die vermeintlich schwachen Ausländer, die Special Teams, der Geschäftsführer – in den Sozialen Medien wird oft nach Sündenböcken gesucht. Belastet die zum Teil harsche Kritik von außen das Team?

Ich persönlich bin in sozialen Netzwerken nicht vertreten. Darum bekomme ich davon auch gar nichts mit. Jeder Profi weiß um die Schnelllebigkeit des Geschäfts. Wenn du zweimal in Folge verlierst, bist du der größte Depp, und wenn du zweimal in Folge gewinnst, sind genau die Jungs wieder die Helden, die davor beschimpft wurden. Darauf kann man nicht so viel geben. Aber klar versuchen auch die Fans nach Gründen zu suchen, warum es nicht läuft. Vielleicht bleibt da manchmal eine objektive Sichtweise auf der Strecke.

Nur bei zwei Heimspielen haben die Steelers bisher die 3000-Zuschauer-Marke geknackt. Wie beurteilen Sie den Zuspruch und die Unterstützung durch die Anhänger?

Vom harten Kern der Fans spüren wir die volle Rückendeckung, und die brauchen wir auch. Und was die Zuschauerzahlen anbelangt: Durch die finanziellen Belastungen wie Inflation und Energiepreise können es sich viele Leute zurzeit vielleicht einfach nicht mehr leisten, ständig zum Eishockey zu gehen – obwohl sie gerne kommen würden. Bei einer dreiköpfigen Familie bist du mit Eintritt, einer Bockwurst und einer Cola bei 120, 130 Euro. Das ist eine Menge Geld.

An diesem Freitagabend kommt nun mit den Adlern Mannheim ein heißer Titelanwärter ins Ellental. Ist dennoch eine Sensation möglich?

Wir haben nichts zu verlieren, können befreit und selbstbewusst aufspielen. Warum sollte es keine Überraschung geben? In der letzten Saison haben wir Mannheim auch geschlagen, und in diesem Jahr haben wir schon in Berlin gewonnen. Wir spielen zu Hause, die Halle wird voll sein. Ich hoffe, dass der Funke überspringt. Wir gehen raus, werden die Atmosphäre genießen und den Adlern die Stirn bieten, so gut es geht.

Wie sehen Sie – jeweils in Prozent – die Chancen, dass Deutschland bei der Fußball-WM noch weiterkommt und die Steelers in der DEL bleiben?

Bei der DFB-Elf sehe ich die Chancen fifty-fifty – gerade unter dem Eindruck von Spaniens 7:0 gegen Costa Rica. Dass wir mit den Steelers die Klasse halten, davon bin ich zu 100 Prozent überzeugt. Sonst wäre ich nicht hier.

Atkinson kehrt zurück, Kuqi und Zientek fallen aus

Im DEL-Heimspiel gegen die Adler Mannheim müssen die Bietigheim Steelers auf zwei Stürmer verzichten: Der grippekranke Fabjon Kuqi fällt ebenso aus wie Benjamin Zientek, der gegen Köln beim Blocken eines Schusses eine muskuläre Verletzung erlitten hat. Verstärkung erhält dagegen die Defensive, wo der Kanadier Josh Atkinson sein Comeback feiert. „Er hat unter der Woche ganz normal trainiert und wird spielen“, sagt Coach Daniel Naud. Der zuletzt krank fehlende Verteidiger Lucas Flade läuft am Freitag für den DEL2-Kooperationspartner Selber Wölfe in Regensburg auf.

Das erste Duell in dieser Saison gegen die aktuell zweitplatzierten Kurpfälzer haben die Steelers am vierten Spieltag in Mannheim mit 2:4 verloren. „Wir haben in jedem Spiel die Möglichkeit, Punkte zu holen. Unser Schicksal ist es, perfekt spielen zu müssen, um das zu schaffen“, sagt Naud.

 
 
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