Bietigheim Steelers DEL-Absteiger dreht mit drei Toren in 35 Sekunden die Partie

Von Michael Nachreiner
Joshua Rust (von links) und die Bietigheim Steelers taten sich lange gegen Adam Kiedewicz und die Dresdner Eislöwen schwer, lagen zwischenzeitlich schon mit 1:5 zurück. Foto: Avanti/Ralf Poller

Bietigheim gewinnt gegen Dresden nach 1:5-Rückstand noch mit 7:5. In der Schlussminute überschlagen sich die Ereignisse. Zurück bleiben enttäuschte Dresdner und glückliche Bietigheimer. In der Rückschau bleiben die Steelers aber Realisten und befassen sich mit dem enttäuschenden Beginn der Partie und danken den Fans.

Daniel Naud ist schon seit einer gefühlten Ewigkeit im Eishockey aktiv – erst als Spieler, dann als Trainer und Funktionär. Doch so ein Spiel wie das seiner Bietigheim Steelers gegen die Dresdner Eislöwen hat der 61-Jährige Kanadier noch nie erlebt. Innerhalb von zwei Minuten machten die Bietigheimer aus einem 3:5-Rückstand einen 7:5-Sieg gegen Dresden.

Die letzten drei Treffer der Steelers fielen innerhalb von 35 Sekunden. Naud hatte rund zwei Minuten vor dem Ende gerade Goalie Olafr Schmidt für einen sechsten Feldspieler von Eis genommen, da erzielte Jack Doremus den 4:5-Anschlusstreffer (59.). 56 Sekunden vor dem Schluss glich Jackson Cressey aus. Nachdem Cole MacDonald noch am Schoner von Eislöwen-Torwart Janick Schwendener gescheitert war, stocherte Cressey den Puck über die Linie – immer noch mit sechs Feldspielern.

Unterirdisches erstes Drittel

Nur 16 Sekunden nach dem Ausgleich verloren die Gäste tief in der eigenen Zone die Scheibe, die vor den Kasten trudelte. Alexander Preibisch war zur Stelle und versenkte zum 6:5. Nielson nahm eine Auszeit und seinen Goalie für einen zusätzlichen Feldspieler vom Eis. Doch 23 Sekunden vor dem Ende machte Doremus mit einem Treffer ins leere Tor zum 7:5 alles klar.

Lange sah es aber nicht so aus, als ob die Steelers mit ihren Fans feiern könnten. „Das erste Drittel war das schlechteste seit ich hier in Bietigheim bin. Wir haben nur zugesehen, was die Dresdner gemacht haben. Das war schwer anzuschauen, weil wir uns sehr gut vorbereitet hatten“, berichtet Naud. Eine Erklärung für den Auftritt seiner Mannschaft in den ersten 20 Minuten hat er allerdings nicht. „Im Training am Vormittag waren die Jungs fokussiert und bereit, die Laune war gut“, erklärt der Steelers-Trainer. „Auch davor, dass die Dresdner nicht auf unsere Fehler warten würden, habe ich sie gewarnt. Doch dann sah es so aus, als hätten wir eine lange Busfahrt hinter uns und könnten uns nicht bewegen.“

Erstes Gegentor bereits nach vier Minuten

Schon nach gut vier Minuten musste Schmidt das erste Mal hinter sich greifen. Matej Mrazek hatte alle Zeit der Welt an der blauen Linie – 1:0. In der Folge stand der Steelers-Goalie ein ums andere Mal im Mittelpunkt, hielt sein Team aber im Spiel. Doch nach sieben Minuten war er ein zweites Mal geschlagen. Nach einem Schuss von Nils Elten hämmerte Lukas Koziol den Abpraller aus der Drehung unter die Latte. Und rund vier Minuten vor der Drittelpause mussten die Gastgeber auch noch das 0:3 hinnehmen. Aus dem Getümmel stocherte Yannick Drews den Puck über die Linie. Dazu lenkte Goalie Schmidt noch einen Schuss von Marco Baßler an den Pfosten (18.).

Die Bietigheimer wurden mit einigen Pfiffen in die Kabine verabschiedet. „Zu Recht“, erklärt Stürmer Preibisch, der nach Max Prommersberger dienstälteste Steelers-Profi. „Wenn wir so spielen, kann ich jeden verstehen, der sauer ist.“ Während des Spiels unterstützten die Fans ihre Mannschaft aber bedingungslos und sangen fast die gesamten 60 Minuten. Auch Naud war in der Kabine direkt anzumerken, dass die Stimmung nicht so gut war. „Er ist zwar ein eher ruhiger Typ. Aber er meinte: ,Ich habe noch nie so ein schlechtes Drittel von Euch gesehen. Die Dresdner waren schneller und aggressiver wie wir. Zieht den Kopf aus dem Allerwertesten und gebt mal ein bisschen Gas.‘“

Das taten die Bietigheimer auch ab dem zweiten Drittel. Endlich setzten sie sich auch mal phasenweise im Drittel der Dresdner fest. Die beste Chance hatten zunächst aber wieder die Gäste. Simon Karlssons Schuss von der blauen Linie in Überzahl prallte aber an den Außenpfosten (26.).

Doch dann belohnten sich die Steelers. Paul Mayer erlief einen langen Pass, legte von der Bande schräg hinter dem gegnerischen Tor zurück auf Cressey, der sofort weiterleitete. Und Dominik Lascheit drückte die Scheibe zum 1:3 über die Linie (32.).

Hallensprecher Andreas „Pucki“ Lausch hatte das Tor noch nicht ganz durchgesagt, da schlug es nur 27 Sekunden nach dem Anschlusstreffer schon wieder hinter Schmidt ein. Karlsson hatte den alten Drei-Tore-Abstand wieder hergestellt (32.). Und wiederum nur rund eine halbe Minute später vollendete Drews einen Zwei-gegen-eins-Konter zum 5:1 (33.). Knapp eine Zeigerumdrehung nach dem 1:5 verkürzte Jack Doremus wieder (34.).

Dresden ist 50 Minuten besser

„Wir waren 50 Minuten sehr gut, hätten sogar mehr Tore erzielen können. Doch dann verloren wir unseren Rhythmus. Die Bietigheimer haben die Intensität hoch gefahren, brachten mehr Scheiben in Richtung Tor. Und wir waren nicht mehr bereit, Schüsse zu blocken oder vor unserem Tor auszuboxen“, erklärt ein enttäuschter Dresdner Trainer Corey Nielson.

Erst lenkte Cressey einen Schlagschuss von Cole MacDonald zum 3:5 ins Netz (49.). Doch die Hoffnung schien zu schwinden. Denn die Bietigheimer schafften bei einer Fünf-gegen-drei-Überzahl ab viereinhalb Minuten vor dem Ende keinen weiteren Treffer. Dann drehten sie die Partie aber noch mit vier Treffern in den letzten knapp zwei Minuten – und versöhnten die Fans wieder, mit denen sie nach der Schlusssirene feierten. „Den Fans kann man gar nicht hoch genug anrechnen, dass sie so hinter uns stehen“, lobt Preibisch.

 
 
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