Hitzige Stimmung, laute Beleidigungen und gegenseitige Hasstiraden. Wenn man das hört, weiß man, dass Derbyzeit zwischen den Bietigheim Steelers und den Heilbronner Falken ist. Erstmals seit über vier Jahren ist das gesamte Eisstadion im Unterland wieder gefüllt, um sich das prestigeträchtige Eishockey-Derby anzuschauen. Am Freitagabend brennt die Hütte in der Kätchenstadt schon eine Stunde vor Anpfiff. Und auch auf dem Eis ist mächtig etwas geboten. Um 21.54 Uhr fliegt schier das Dach am Europaplatz weg, denn die Schlusssirene ertönt und es ist klar: Die Falken gewinnen. 13 Tore fallen beim 7:6-Sieg der Unterländer und selten hatte der Schlittschuh selbst dabei so einen großen Einfluss, an drei Treffern ist er direkt oder indirekt beteiligt.
Bietigheim Steelers Nolan Ritchie entscheidet irres Derby für die Falken
Ein unfassbares Spektakel bietet sich den 3500 Fans im Heilbronner Eisstadion am Freitagabend. Den Krimi gewinnen die Heilbronner Falken mit 7:6.
„Es war klar, dass es knapp wird, dass es so hoch ausfällt war nicht vorgesehen. Es war ein schönes Spiel für die Fans“, resümiert Steelers-Coach Alexander Dück nach der Partie. Frank Petrozza auf der anderen Seite sagt: „Großes Lob an unsere Mannschaft, ich freue mich für unsere Mannschaft und die Fans.“ Dem Coach gelingt der Erfolg ohne drei wichtige Spieler: Brett Ouderkirk hatte sich unter der Woche schwer am Bein verletzt und wurde bereits operiert. Frank Cabana und Calder Anderson fallen während der Partie aus.
Schlägerei in Drittelpause
Vom Eröffnungsbully weg gibt es Nicklichkeiten, harte Check und die ein oder andere Handgreiflichkeit. Mit Ende des zweiten Drittels liefern sich Sören Sturm und Benedikt Jiranek im Mittelkreis eine Schlägerei, die Nachwirkungen davon sind noch bis zum Gang in die Kabine zu spüren. Denn Pawel Dronia und Marek Racuk schauen vor dem Weg in die Katakomben noch bei der Falken-Bank vorbei um noch ein paar Worte auszutauschen. Kapitän Alexander Preibisch muss die Bietigheimer Streithähne auf die eigene Seite schicken. In der Folge werden die beiden Boxer Sturm und Jiranek für fünf Minuten zum Auskühlen geschickt, auch Racuk muss für zwei Minuten zum ausdampfen in den Käfig. Auf Heilbronner Seite bekommt Corey Mapes eine Spieldauerstrafe, er hat Gegenstände in den Zuschauerraum geworfen.
Sportlich setzt der HEC die erste Duftnote nach fünf Minuten mit einem guten Versuch von Alec Zawatsky. Generell bestimmen die Hausherren das Spielgeschehen in den ersten Minuten, das erste Tor macht hingegen der SCB. Alexander Preibisch erobert die Scheibe an der blauen Linie, kombiniert sich sauber mit Christoph Kiefersauer durch, der bleibt vor dem Tor von Patrick Berger eiskalt und schweißt das Spielgerät zum 1:0 in die Maschen (8.).
Doppelschlag dreht das Spiel
Doch nach einer schadlos überstandenen Unterzahl erstarken die Falken. Die Steelers wollen mit einem Diagonalpass hinter dem eigenen Tor das Spiel eröffnen, der Puck landet aber direkt im Schläger von Niklas Jentsch. Der 25-Jährige steht direkt vor Olafr Schmidt komplett blank, bedankt sich für das Geschenk und trifft über die Schulter des Goalies hinweg zum umjubelten Ausgleich (13.). Aber dabei soll es nicht bleiben: 77 Sekunden später gewinnen die Gastgeber einen Bully im SCB-Drittel, Benedikt Jiraneks Schuss vors Tor wird von Nolan Ritchie artistisch per Hacke abgefälscht, der damit Schmidt ins falsche Eck schickt. Das 2:1 bleibt auch nach Studium des Videobeweises bestehen.
Wer sich dachte, dass sei es im ersten Abschnitt schon gewesen sein, irrt sich. Denn Sören Sturm sorgt dreieinhalb Minuten vor der Pause für den erneuten Ausgleich. Eine Hereingabe von Fedor Kolupaylo leitet Marek Racuk mustergültig nach hinten weiter, wo der Routinier sträflich freigelassen wird und zum 2:2 einschiebt. Damit fallen allein im ersten Drittel des zweiten Aufeinandertreffens mehr Tore, als im gesamten ersten Spiel.
Auch im zweiten Drittel soll das Toreschießen nicht lange auf sich warten lassen. Die Grün-weißen verpassen es, einen Umschaltmoment für sich zu nutzen und rennen in einen Konter. Pawel Dronia sieht, wie drei Unterländer auf ihn zulaufen, versucht den Passweg zuzumachen, kommt aber nicht dazwischen, wodurch Robin Just freisteht und Schmidt überwindet (24.).
Zweites Drittel durchgeknallt
Ab jetzt nimmt der Wahnsinn endgültig seinen Lauf: Erst verliert Zawatsky eine Kufe in aussichtsreicher Position. „Er sah aus wie Bambi auf dem Eis“, witzelt Petrozza nach dem Spiel. Während die gesamte Eishalle ihm dabei zuschaut, wie er versucht aufzustehen, kommt die Scheibe zu Manuel Nix. Der zieht ab und verwertet aus der Distanz zum 4:2 (27.). Doch das ist ein Weckruf für den SCB: 64 Sekunden danach wird Tamas Kanya in einem Umschaltmoment rechts von Kolupaylo bedient, der Ungar erzielt umgehend den Anschlusstreffer.
Und sein Team bleibt auf dem Gaspedal. Einen langen Pass aus der eigenen Zone heraus nimmt Preibisch in den Lauf mit, der geht alleine auf Berger zu und legt clever nochmals zurück. Dort geht Tyler McNeely hinterher und stochert den Puck über die Linie – erneut vergehen nur 62 Sekunden. Anschließend gelingt es dem SCB, eine doppelte Unterzahl zu verteidigen, dabei dürfen sich die Steelers bei Goalie Schmidt bedanken. Der Deutsch-Amerikaner trägt sich wenig später sogar selbst in die Scorer-Liste ein, ein eröffnender Pass landet bei Marek Racuk, der das halbe Feld entlangläuft und sich dann bei HEC-Schlussmann Berger bedanken darf. Denn der Abschluss des Tschechen rutscht über die Fanghand hinein zum 5:4.
Die Ekstase im Bietigheimer Block eskaliert 40 Sekunden später weiter, nachdem Zawatsky zum dritten Mal bereits seine Kufe verliert, McNeely so die Verwirrung nutzt und auf 6:4 erhöht (35.). „Bei so einer Führung sollte man clever genug sein, sie in die Pause mitzunehmen“, moniert Dück, denn das passiert nicht. Die Unterländer lassen sich nicht unterkriegen und gleichen erneut mit einem Doppelschlag aus: Erst ist es erneut Nix, der mit Just den Laufweg kreuzt, dann wieder den Rückpass bekommt und vollenden (38.). Die Fankurve der Falken ist gerade erst verstummt, da nutzt Thore Weyrauch eine hanebüchenen Fehler von Mick Hochreither. Der Bietigheimer Defensivmann bekommt gleich zwei Mal die Scheibe nicht aus der eigenen Zone geklärt, Weyrauch bedankt sich mit dem 6:6 (39.).
Ritchies schnelles Tor reicht
Und auch das letzte Drittel ist nicht weniger dramatisch. Erst ist es Richtie, der mit einem Solo rund drei Minuten nach Wiederanpfiff aus der Drehung Schmidt überrascht, das 7:6 macht und die Partie erneut auf den Kopf stellt. Kurz darauf vergibt Jentsch frei vor dem SCB-Schlussmann nach einem kapitalen Fehlpass von Niklas Heinzinger. Von der besten Überzahl der Liga ist derweil nichts zu sehen, den Ellentäler gelingt es, das gefährliche Fünf-gegen-vier zu neutralisieren.
Die Führung beflügelt Heilbronn und bringt Bietigheim ins Schwimmen. Immer wieder bekommt der HEC Konterchancen, die jedoch allesamt ungenutzt bleiben. Heilbronns Coach Petrozza rührt in der Schlussphase Beton an und konzentriert sich auf eine stabile Defensive. Mit Erfolg: Die Unterländer mauern sich auch gegen sechs Steelers-Akteure zum Heimsieg und bringen das 7:6 über die Zeit.