Bietigheim Steelers Tim Schüle: „Es gibt kein böses Blut“

Von Andreas Eberle
Tim Schüle stammt aus der Jugend des SC Bietigheim-Bissingen. Für die Steelers-Profis lief der 32-jährige Verteidiger in den vergangenen vier Jahren 181 Mal in der DEL und der DEL2 auf. Das Bild zeigt eine Szene aus einem Heimspiel gegen Iserlohn. Foto: Ralf Poller/Avanti

Eigengewächs Tim Schüle fällt der Abschied aus Bietigheim schwer. Im BZ-Interview spricht er über seine Wechselmotive, den Exodus bei den Steelers und die besondere Beziehung zu seinem Heimatverein. 

Mit Verteidiger Tim Schüle verlässt eine der Identifikationsfiguren die Bietigheim Steelers. Nach BZ-Informationen folgt das 32-jährige SCB-Eigengewächs seinem bisherigen Teamkollegen Max Renner und spielt in der kommenden Saison für die Augsburger Panther. „Ich hatte das Gefühl, dass ich noch mal etwas Neues machen muss und wollte die wohl letzte Chance in meiner Karriere wahrnehmen“, sagt Schüle im Interview.

Sie sind gebürtiger Bietigheimer, hier aufgewachsen und verwurzelt – und mit 32 im letzten Drittel Ihrer Profikarriere. Warum verlassen Sie trotzdem die Steelers und schließen sich einem anderen Verein an?

Tim Schüle: Ich hatte das Gefühl, dass ich noch mal etwas Neues machen muss und wollte die wohl letzte Chance in meiner Karriere wahrnehmen. Vor vier Jahren hätte ich nicht gedacht, dass ich noch mal an einen Punkt komme, an dem ich aus Bietigheim weggehe – zumal ich mittlerweile auch eine kleine Familie habe und meine Eltern und Schwiegereltern im Sand und in Oberriexingen wohnen. Trotzdem suche ich jetzt noch mal eine neue sportliche Herausforderung und habe mich schweren Herzens entschieden, den Weg zu gehen.

Wie hat Ihr persönliches Umfeld reagiert?

Es war mir klar, dass es nach meiner Entscheidung nicht nur positive Stimmen geben wird. Mir ist auch bewusst, dass der Wechsel mit einem Risiko verbunden ist und ich die Familie aus dem gewohnten Umfeld reiße. Aber ich habe von meiner Familie und allen, die mir nahestehen, große Unterstützung erfahren und bin ermutigt worden, diesen Schritt zu wagen. Das war für mich am Ende entscheidend. Wir werden hier unsere Homebase behalten und in der Einliegerwohnung meiner Schwiegereltern ein Zuhause haben, zu dem wir immer zurückkehren können. Die meiste Zeit wird meine Familie aber bei mir am neuen Standort sein.

Die Steelers sprechen von einem bestimmten Punkt, an dem sie mit der Konkurrenz nicht hätten mithalten können. War das Finanzielle ausschlaggebend?

Wer mich kennt, weiß, dass ich nie nur wegen des Geldes irgendwohin gegangen bin. Vor vier Jahren bin ich nach Bietigheim gewechselt und war auch da voll überzeugt von diesem Schritt – obwohl ich finanziell Abstriche machen musste. Auch damals gab es in meinem Umfeld Stimmen, die gesagt haben, es sei zu früh, nach Hause zu kommen. Aber ich wusste, was ich an der Heimat habe und was mich erwartet.

War auch die ungeklärte Trainerfrage ein Argument für Ihren Weggang?

Natürlich wäre es für mich interessant gewesen, wer Trainer wird. Aber das konnte mir zu dem Zeitpunkt noch keiner sagen, was ich aber durchaus verstehen kann und auch nicht schlimm finde. Bei meinem neuen Verein weiß ich, wer auf mich zukommt, was von mir erwartet wird und was ich bekomme. Mit dem dortigen Trainer habe ich in meiner Karriere auch schon zusammengearbeitet.

Was hat sonst für den neuen Klub gesprochen?

Das war das Gesamtpaket. Es wartet eine große Aufgabe auf die Mannschaft. Ich kann dort noch mal eine sehr gute Rolle übernehmen. Wenn ich das abliefere, was ich kann, wird mir das auch gelingen. Ich freue mich auf die neue sportliche Herausforderung.

Wie viele Gespräche haben Sie mit den Steelers-Verantwortlichen geführt? Und wie sind diese verlaufen?

Es gab vier, fünf Gespräche, das erste gemeinsam mit Danny Naud (Sportlicher Leiter, Anm. d. Red.) und Rupert Meister (Leiter Sportliche Entwicklung und Strategie). Schon während der Saison wurde mir signalisiert, dass der Klub mit mir weitermachen möchte. Die Gespräche verliefen von beiden Seiten absolut fair.

Haben Sie denn ein gutes Verhältnis zu Danny Naud?

Wir hatten zusammen einen Riesenerfolg mit dem Aufstieg, an den damals wohl nur wenige geglaubt haben. Das ist ein Erlebnis, das uns für immer verbindet. Im vergangenen Jahr gab es dann den unschönen Moment mit der Trennung von Danny als Trainer, aber auch danach konnten wir uns immer noch in die Augen schauen. Bei unseren Gesprächen stand jedenfalls nichts zwischen uns. Ich habe generell aber zu allen Personen im Verein nach wie vor einen guten Draht. Es gibt kein böses Blut.

Der Klub hat nach dem Abstieg erklärt, möglichst viele deutsche Spieler halten zu wollen. Doch nun bahnt sich ein Exodus an. Gerüchteweise soll es jetzt sogar auch noch Kapitän Constantin Braun nach Nürnberg ziehen. Haben Sie eine Erklärung für die Abwanderungswelle?

Die Zeit als Profi ist begrenzt, darum kann, darf und sollte man einem Spieler einen Vereinswechsel nicht übel nehmen – erst recht nicht, wenn er in der DEL bleiben kann. „Tine“ Braun hat schon viele Spiele dort gemacht, und es werden vermutlich noch einige dazukommen. Wenn du mit 35 noch so eine Chance bekommst, musst du sie wahrnehmen. Oder Jimmy Martinovic, der mit seinen 21 Jahren künftig für einen Topklub (die Grizzlys Wolfsburg, Anm. d. Red.) spielt. Da wird er noch mal auf einem ganz anderen Niveau gefördert und gefordert werden. Er hat sich die Chance verdient, denn er ist ein super Junge, der Tag für Tag hart arbeitet. Auch dieser Wechsel hat sicher nichts mit Bietigheim zu tun. Es gibt Spieler, die in den zwei DEL-Jahren Eindruck hinterlassen haben – etwa auch Cody Brenner.

Der SCB hat für die neue DEL2-Saison einen Playoffplatz als Ziel ausgegeben. Halten Sie das unter den aktuellen Umständen für realistisch?

Es ist nicht meine Aufgabe, solche Dinge zu beurteilen. Ich wünsche den Steelers eine erfolgreiche Saison, denn der SCB ist mein Heimatverein und hat einen großen Teil in meiner sportlichen Vita eingenommen. Ohne Bietigheim und ohne die ersten Schritte hier auf dem Eis wäre ich nicht so weit gekommen.

Ist die DEL für Sie noch ein Ziel?

Ich habe mittlerweile über 440 DEL-Spiele absolviert. Die 500 zu erreichen, wäre ein schöner Meilenstein. Mal sehen, was die Zukunft noch bringt.

Was bleibt nach den vier Profijahren in Bietigheim hängen?

Ich bin froh und auch stolz, dass es Momente gab, die mir keiner nehmen kann und an die ich mich stets gerne erinnern werde – auch wenn es gegenüber meiner Person auch immer viele Kritiker gab. Dazu gehören der Aufstieg 2021, der entscheidende Treffer im vierten Finalspiel gegen Kassel eineinhalb Sekunden vor Schluss oder das vorerst letzte Bietigheimer DEL-Tor am letzten Hauptrundenspieltag in Köln.

Können Sie sich vorstellen, eines Tages noch mal für die Steelers aufs Eis zu gehen?

Schon als kleiner Junge habe ich davon geträumt, das Bietigheimer Trikot zu tragen und für meinen Heimatverein aufzulaufen, bei dem ich groß geworden bin und zu dessen Spieler ich immer aufgeschaut habe. Natürlich wäre es schön, wenn ich hier irgendwann die Karriere beenden könnte und darf. Mit meinen 32 Jahren bin jetzt zwar schon etwas älter, aber ich glaube nicht, dass ich bereits am Ende bin. Ich bin fit und habe noch einige gute Jahre vor mir.

Zur Person: Tim Schüle

Der Mann mit der Nummer 40 trug von 2019 bis 2023 das Trikot der Bietigheim Steelers. Für seinen Heimatverein bestritt Tim Schüle 81 Spiele in der DEL2 (18 Tore, 55 Assists) und exakt 100 in der DEL (3 Tore, 24 Assists). Weitere Karrierestationen waren die Düsseldorfer EG, die Wölfe Freiburg, die Nürnberg Ice Tigers, die Tölzer Löwen und die Löwen Frankfurt. Insgesamt stehen 442 Erstliga-Einsätze mit 25 Treffern und 57 Vorlagen in seiner Vita.

Ausgebildet wurde der in Bietigheim geborene Schüle beim SCB. 2007 wechselte er zu den DEG-Youngsters nach Düsseldorf. Ab 2008 war Schüle Stammkraft der deutschen U20 und nahm mit der Auswahl an den Junioren-Weltmeisterschaften 2009 und 2010 teil. Der Linksschütze ist verheiratet und hat eine eineinhalbjährige Tochter.

 
 
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