Bietigheimer Christoph Lukas als Arzt beim BBL-Turnier dabei Verletzungsgefahr macht mehr Sorgen als das Virus

Von Andreas Eberle
Merlins-Teamarzt Dr. Christoph Lukas (rechts) fühlt sich im Kreis der Crailsheimer Basketball-Profis Joe Lawson, DeWayne Russell, Frank Turner und Sherman Gay (von links) sichtlich wohl. Das Foto stammt vom letzten Spieltag der Vorsaison, als Corona und Abstandsregeln noch keine Themen waren. ⇥ Foto: Merlins Crailsheim

Dr. Christoph Lukas ist einer von drei Ärzten beim Finalturnier in München. Der Bietigheimer Orthopäde hält große Stücke auf das Konzept der BBL.

Das anstehende Basketball-Finalturnier ist für alle Beteiligten eine besondere und wohl auch einmalige Erfahrung. Dies gilt nicht nur für die zehn Teams und ihre Profis, die ab Samstag um die deutsche Meisterschaft kämpfen, sondern zum Beispiel auch für Dr. Christoph Lukas. Der 46-jährige Bietigheimer fungiert in München als einer von drei betreuenden Ärzten. Während der Paderborner Allgemeinmediziner Jürgen Müller sowie der Orthopäde Marco Seita aus Mallorca die kompletten zweieinhalb Wochen bis Ende Juni bestreiten, weilt Lukas nur vom 10. bis 14. Juni an der Isar. „Ich bin aus Neugier dabei. Ein Turnier unter solchen Voraussetzungen hat es noch nie gegeben“, sagt der leitende Orthopäde beim Rehazentrum Hess im Gespräch mit der BZ.

Seit 2014 Teamarzt in Crailsheim

Zwar steht der genaue Einsatzplan des Ärzte-Trios für die Geisterspiele noch nicht fest. Doch wahrscheinlich wird Lukas gleich nach der Ankunft in München seine Premiere am Spielfeldrand feiern. Denn am Mittwochabend treffen „seine“ Hakro Merlins Crailsheim im württembergischen Derby auf Ratiopharm Ulm – bei dem Überraschungsteam aus dem Kreis Schwäbisch Hall ist er seit der Saison 2014/15 als Mannschaftsarzt tätig. Ob er da überhaupt neutral sein kann? „Natürlich fiebert man schon auch mit seinen Jungs mit. Ein bisschen Fan sein gehört dazu“, sagt Lukas, der 2003/04 und von 2009 bis 2014 auch mal die Ludwigsburger Korbjäger betreut hat.

Wie seine beiden Mitstreiter Müller und Seita vom Verein Deutscher Basketball-Ärzte („Basket-Docs“) wird der gebürtige Stuttgarter in einem Hotel nahe des Audi-Dome wohnen. Dort sind auch alle Mannschaften und Funktionäre unter Quarantäne-Bedingungen kaserniert. Die Einzelzimmer der Mediziner verfügen über einen Extraraum, der als Untersuchungszimmer dient und mit Liege, Ultraschallgerät, Schienen, Nähsets und Medikamenten ausgestattet ist. Kleinere Blessuren können Lukas und Co. hier problemlos behandeln, bei gravierenderen Fällen ist ebenfalls logistisch vorgesorgt. So würde ein Spieler bei einer mittelschweren Verletzung zur Müller-Wohlfahrt-Praxis für Orthopädie und Sportmedizin in München geschleust, wo dann Jochen Hahne, Arzt der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, die Federführung übernimmt. Hier könne bei Bedarf auch eine Kernspintomographie erfolgen, wie Lukas erläutert. Und im Notfall bliebe als Option immer noch ein Netzwerk an Krankenhäusern.

Sicherer als Fußball-Konzept

Wegen Corona macht sich Lukas nach eigenem Bekunden allerdings „keine Sorgen“. Das Konzept der BBL hat der Fachmann und passionierte Basketballer bereits im Vorfeld gelesen, mit ein, zwei Kommentaren versehen – und für sehr gut befunden. Unter anderem sieht es regelmäßige Tests sowie tägliche Statusmeldungen über das Wohlbefinden und tägliches Fiebermessen vor.

Durch die Gruppenisolation im Hotel stuft Lukas das BBL-Konzept sogar als sicherer ein als das der Deutschen Fußball-Liga (DFL), das für die Basketball-Version Pate gestanden hatte. Während die Profikicker zwischen den Spieltagen zu Hause sind, eventuell Kontakte nach außen haben und so einer größeren Ansteckungsgefahr ausgesetzt sind, bekommen die Basketballer in München außer ihrem Hotelzimmer, der Trainingshalle und der Wettkampfstätte nichts anderes zu sehen. Zusammenkünfte, etwa mit Frau, Freundin, Familienmitgliedern oder Freunden, sind tabu. „Jeder Einkauf in einem Supermarkt ist gefährlicher“, urteilt Lukas. Ausnahmen von den strengen Kontaktbeschränkungen sind kaum vorgesehen. „Ich weiß von einem Spieler, der in dieser Zeit wahrscheinlich zum ersten Mal Vater wird“, berichtet der Bietigheimer Orthopäde von so einem besonderen Härtefall.

Mehr Kopfzerbrechen als das Coronavirus bereitet ihm das Verletzungsrisiko für die Korbjäger. „Das ist spürbar höher als zu normalen Zeiten. Ich kann mir vorstellen, dass Muskelverletzungen häufiger auftreten werden, gerade am Oberschenkel und an der Oberschenkelrückseite“, sagt Lukas und prophezeit: „Die Physios werden viel zu tun haben.“

Seit dem 7./8. März und der Saisonunterbrechung sind die Profis nicht mehr unter Wettkampfbedingungen angetreten. Bis zur Wiederaufnahme des Mannschaftstrainings im Mai haben sie zwei Monate lediglich privat an den Grundlagen wie Kraft und Ausdauer arbeiten können – nicht aber an basketballspezifischen Dingen. Schließlich waren die Hallen und Freiplätze während des Lockdowns gesperrt. Nach einer nur dreiwöchigen Vorbereitung steigen die Akteure jetzt am Wochenende gleich wieder voll in den Wettkampfmodus ein und müssen an jedem zweiten Tag aufs Feld. Die beiden Teams, die das Finale erreichen, werden bis zum 28. Juni zehn Partien in den Knochen haben.

Wissenschaftliche Auswertung

„Letztlich hatten die Mannschaften für die Vorbereitung auf das Turnier nur halb so viel Zeit wie sie sonst im Sommer für die Saisonvorbereitung haben“, verdeutlicht Lukas das Dilemma. Er und seine Kollegen wollen nun über jede Verletzung genau Buch führen, um das Turnier später – gemeinsam mit einige anderen „Basketball-Docs“ – unter medizinischen Gesichtspunkten wissenschaftlich auszuwerten. Lukas: „Es wird interessant, wie sich die Verletzungsstatistik in dieser Ausnahmesituation entwickelt.“

 
 
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