Bietigheimer Handballerinnen scheitern in der Königsklasse SG BBM verabschiedet sich mit Stil

Von Sebastian Klaus
Bietigheims Kim Naidzinavicius machte gegen den Titelverteidiger ETO Györ aus Ungarn eine klasse Partie. Die  SG BBM-Kapitänin traf siebenmal und glänzte mit Übersicht.⇥ Foto: Alexander Keppler via www.imago-images.de

Die ersatzgeschwächten Bietigheimerinnen zeigen sich im Achtelfinal-Rückspiel der Champions League von ihrer besten Seite und überraschen den Titelverteidiger aus Györ beim 28:32.

Wie geht eine Mannschaft ein Spiel an, das bereits verloren ist? Im Grunde dürfte es für die Spielerinnen der SG BBM Bietigheim wie in einer verkorksten Fahrprüfung gewesen sein, in der es, nachdem man einem anderen Verkehrsteilnehmer die Vorfahrt genommen hat, nur noch darum geht, das Auto irgendwie heil zurück auf den Parkplatz zu bringen. Und um im Bild zu bleiben: Auch wenn es nach dem 20:37 im Hinspiel am Ende im Achtelfinale gegen das Topteam Györ ETO KC nicht für den Lappen reichen sollte, schaffte es die SG BBM beim sportlich nicht mehr relevanten Rückspiel in Ungarn, das Auto ordentlich rückwärts einzuparken.

Denn was die Mannschaft von Trainer Markus Gaugisch, der auf gleich fünf Spielerinnen verzichten musste, beim nun seit mehr als drei Jahren und 53 Champions-League-Spielen ungeschlagenen Titelverteidiger aus Györ vor allem in der ersten Halbzeit auf die Platte zauberte, war aller Ehren wert. In Durchgang eins hielten die im Hinspiel noch völlig überforderten Gäste gegen die beste Mannschaft der Welt überraschend gut mit. Zwar ging Györ wie schon im Hinspiel mit hohem Tempo in die Partie und führte nach fünf Minuten bereits mit 5:1, doch der ersatzgeschwächte zweifache Deutsche Meister ließ sich davon absolut nicht beirren, zeigte Biss in der Abwehr und Durchschlagskraft im Angriff und kam beim 9:8 wieder auf einen Zähler heran (13.). Vor allem Kapitänin Kim Naidzinavicius und Xenia Smits fassten sich immer wieder im Rückraum ein Herz und ballerten aus der zweiten Reihe auf das Gehäuse von Györ, wo diesmal in der ersten Halbzeit die französische Nationaltorhüterin Amandine Leynaud stand, die im Hinspiel in Ludwigsburg gar nicht zum Zug gekommen war.

Smits zeigte im Rückraum ihr immenses Potenzial, das ihr in Frankreich vor ihrem Wechsel nach Bietigheim den Titel der besten Spielerin der Liga eingebracht hatte. Die technisch womöglich versierteste Spielerin der Bundesliga überzeugte endlich auch einmal mit Torgefahr und erzielte alle ihre fünf Treffer im ersten Durchgang. Beim 19:16 zur Halbzeit gingen alleine die letzten drei SG-Treffer auf das Konto der in Belgien geborenen deutschen Nationalspielerin.

Rena Keller wird belohnt

Während Györs Trainer Gabor Danyi nach dem Seitenwechsel die bereits im Hinspiel überragende Silje Solberg ins Tor beorderte, die die Trefferquote der Gäste auch gleich senken sollte, belohnte auf der Gegenseite Markus Gaugisch die erst 17-jährige Rena Keller mit ihrem ersten internationalen Einsatz – und den gleich über 30 Minuten. Die erst vor wenigen Tagen vom Drittligisten SG Schozach-Bottwartal „ausgeborgte“ Torhüterin ersetzte die glücklose Valentyna Salamakha und zeigte dabei selbst vor dem Starensemble aus Ungarn nur wenig Respekt. Apropos Respekt: Den zeigte auch Amelie Berger nicht. Beim 25:20 war die sehr agile SG BBM-Rechtsaußen sogar aus dem Rückraum erfolgreich. Sechs Tore sollten es am Ende für die 21-Jährige werden, die in Abwesenheit von Konkurrentin Trine Østergaard auf der rechten Seite seit Wochen beständig Topleistungen abruft. Der letzte Treffer der Partie war dann jedoch schließlich Kreisläuferin Luisa Schulze vorbehalten, die per frechem Heber über Solberg hinweg zum 32:28-Endstand aus Sicht der Gastgeberinnen einnetzte.

Was bleibt also vom Trip nach Ungarn? Eine endlich einmal über 60 Minuten konzentrierte Vorstellung der SG BBM mit viel Herz, eine Menge tolle Tore und der Nachweis, dass die Mannschaft nach vielen Pleiten in den letzten Jahren in der Champions League doch eine Daseinsberechtigung hat. „Nachdem wir auch in dieser Saison nicht so viele Punkte in der Champions League geholt haben, wollten wir zeigen, dass wir trotzdem hierhin gehören“, freute sich nach dem Spiel die mit sieben Treffern zur besten Spielerin der Partie ausgezeichnete Kim Naidzinavicius, die per tollem Kempa das 30:25 hergestellt hatte: „Wir haben das Achtelfinale im Hinspiel verloren. Heute hatten wir keinen Druck und wollten einfach nur Spaß haben. Wir hatten nur elf Spielerinnen im Kader, und für einige könnte es ein einmaliges Erlebnis gewesen sein. Wir haben auf jeden Fall eine ganze Menge gelernt und hoffen es im nächsten Jahr besser machen zu können.“

 
 
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