Bietigheimer Mediziner geht in (Teil-)Ruhestand Kinderarzt Meyer übergibt Praxis

Von Frank Ruppert
Der Bietigheimer Kinderarzt Dr. Reinhard Meyer im Treppenhaus zu seiner Praxis. Er übergibt seine Praxis seinem Sohn und dessen Ehefrau. Gleichzeitig zieht die Praxis ein paar Häuser weiter. ⇥ Foto: Martin Kalb

Nach 30 Jahren und 30 000 Patienten übernehmen Sohn und Schwiegertochter die Praxis, die zugleich in die Löchgauer Straße 1 umzieht.

Eigentlich macht mir mein Beruf noch zu viel Spaß, um aufzuhören. Aber es ist an der Zeit, den Weg für die nächste Generation frei zu machen“, sagt Dr. Reinhard Meyer. Nach 30 Jahren übergibt der mittlerweile einzige Kinderarzt in Bietigheim seine Praxis zum 1. Februar an seinen Sohn und dessen Ehefrau.

Eine gute Nachfolgeregelung, wie auch Meyer selbst findet. Allerdings habe er das nicht von langer Hand geplant, schon gar nicht seinen Sohn gedrängt, in seine Fußstapfen zu treten. Das sei eher eine allmähliche Entwicklung gewesen, die zuletzt darin gipfelte, dass sein Sohn und die Schwiegertochter in der Praxis mitarbeiteten. Meyer wird weiter in reduziertem Umfang mitarbeiten und steht für Vertretungen bereit.

Neue Adresse

Dann allerdings unter einer neuen Adresse. Mit dem Inhaberwechsel ist auch ein Umzug geplant, allerdings nur ein paar Häuser weiter von der Ziegelstraße in die Löchgauer Straße. Ein bisschen Wehmut schwingt bei Meyer mit, wenn er sagt: „Die Praxis in dem Haus in der Ziegelstraße hatte schon mein Vorgänger, sie hat also eine lange Geschichte, aber die neuen Räume sind etwas größer und vor allem ebenerdig.“

Für Meyer, der aus Heilbronn stammt, hat sich erst während des Studiums die Wunschfachrichtung Kinderheilkunde herauskristallisiert. Prägend waren nach dem Studium seine Jahre in der Klinik in Ludwigsburg. Als er sich dann niederlassen wollte, habe es gut gepasst, dass sich in Bietigheim ein Kinderarzt zur Ruhe setzen wollte. Nach einem halben Jahr Mitarbeit in der Praxis habe er diese dann Mitte 1992 übernommen, erinnert sich Reinhard Meyer.

„Rund 30 000 Kinder“ habe er in den 30 Jahren schätzungsweise behandelt, sagt der nun 66-Jährige. Bietigheim-Bissingen wurde sein Zuhause, und mehr und mehr wurde er auf der Straße erkannt und angesprochen. „Zu Beginn war mir das noch unangenehm, aber mittlerweile macht mir das nichts mehr aus.“

Immer mehr Patienten

Man merkt ihm die Freude am Beruf auch nach all den Jahren noch an. Klar habe sich einiges geändert, grundsätzlich schwieriger sei der Umgang mit Eltern aber nicht geworden. Im Gegensatz zur Anfangszeit habe sich die Zahl der Patienten aber deutlich erhöht und auch das Spektrum der Erkrankungen beziehungsweise Behandlungen. „Derzeit haben wir etwa so viele psychosomatische Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen wie noch nie“, spielt Meyer auf die Pandemie an.

„Dr. Google“, also das Aufkommen des Internets bei der Eigendiagnose, will er allerdings nicht komplett verteufeln. Natürlich werde mehr versucht selbst zu diagnostizieren, aber das führe auch dazu, dass die Menschen generell mehr Hintergrundwissen hätten. „Für mich spielt die Thematik keine große Rolle, weil ich in erster Linie anhand des Kindes eine Diagnose stellen muss“, sagt Meyer.

2500 Patienten pro Quartal

Wer selbst Kinder hat oder ab und zu an einer Kinderaztpraxis vorbeikommt, kommt nicht umhin sich zu fragen, wie sich drei Jahrzehnte in dem Beruf auf das Hörvermögen auswirken. Da gebe es keine Verschlechterung, die über das, was altersbedingt ist, hinausgehe, lacht der 66-Jährige.

Aber der Stress sei natürlich nicht zu unterschätzen, nicht nur wegen schreiender Kinder, sondern auch wegen der schieren Zahl der Patienten. Dass es nur in Bissingen noch einen weiteren Kinderarzt gibt und bei Meyer pro Quartal 2500 Kinder behandelt werden, bedeutet für den Arzt eine hohe Arbeitsbelastung. „Ich wäre froh, wenn es in der Stadt mehr Kinderärzte gäbe, aber es gibt eine Zulassungssperre und die kann nur der Bundesgesetzgeber ändern“, sagt der erfahrene Mediziner.

In seiner nun größeren Freizeit im Ruhestand will er mehr Zeit auf Hobbys wie das Lesen und die Kunst sowie nach der Pandemie für das Reisen aufwenden. Der Stadt bleibt er weiter treu.

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