Die Türglocke des kleinen Verkaufsraums schellt beim Öffnen der hohen braunen Holztür. Immer wieder schaut ein Kunde hinein, sucht nach Dinkel- oder Weizenmehl, kauft getrocknete Früchte, wie zum Beispiel Aprikosen, frische Eier oder auch einen Liter Milch: Gut sortiert ist der urige Verkaufsraum mit seinen langen, an der Wand entlanglaufenden Regalen. Selbst Urgetreide wie Kamut und Emmer sind erhältlich.
Bietigheimer Mettermühle Der letzte Müller der Stadt hört auf
Ehemals sieben Mühlen gab es in Bietigheim. Inzwischen ist die Mettermühle die einzig verbliebene aktive Mühle der Stadt, aber Müller Jürgen Hübner geht in Rente. Die Suche nach einem Nachfolger gestaltete sich schwierig.
Ehepaar Bommer steht am Eingang, fragt nach neuem Futter für die sechs eigenen Hühner. Ein Sack voll Kleie soll es ein: „Wir kommen aus Tamm und hier ist die nächste Mühle für uns“, erzählen sie und sind froh zu hören, dass sie in der Bietigheimer Mettermühle auch weiterhin noch Nahrung für ihr Federvieh erwerben können.
Mühle als Fulltimejob
15 Jahre war Jürgen Hübner alt, als er seine Ausbildung zum Müller begann. Er lernte alles von der Pike auf und vor allem technisch hat sich das Handwerk des Müllers gravierend verändert: „Als ich anfing, gab es noch 100 Kilogramm schwere Säcke und mein Vater Werner hat die auch noch getragen“, erinnert er sich. Heute übernehmen moderne Maschinen viele Arbeiten, von der sorgfältigen Reinigung der Getreidekörner bis zur Abfüllanlage nach dem Mahlvorgang. Trotzdem, schwer tragen gehört für Jürgen Hübner auch heute noch zum tagtäglichen Geschäft: „Es kommt vor, dass jemand eine Ladung von dreieinhalb Tonnen auf einmal bekommt, dann spüre ich am Abend meinen Rücken“, sagt er und ist froh, dass sein Körper die Belastung all die Jahre toleriert hat.
Gerade die letzten Jahre waren aufreibend. Eigentlich wollte Jürgen Hübner zur Rente hin langsam kürzertreten, als zuerst Corona und jetzt im Februar der Krieg in der Ukraine für eine stark erhöhte Nachfrage nach den regionalen Mehlen der Mettermühle sorgte: „Das Jahr 2020 war für uns wirtschaftlich das beste Jahr der Firmengeschichte und für uns persönlich katastrophal“, berichtet Jürgen Hübner. Denn bereits morgens ab 4 Uhr lief die Mühle durchgängig bis abends um 22 Uhr: „Wir haben unfassbare Mengen Mehl hier produziert“. Hinzu kamen Liefertouren sowie der Ladenverkauf – ein aufreibender Fulltimejob.
Müllermeister Werner Hübner kaufte 1963 das Anwesen Mettermühle und in den nächsten drei Jahrzehnten brachte er das veraltete Anwesen auf Vordermann: Das alte Wohnhaus wurde abgerissen und neu gebaut. Ebenso wurde die Mühle immer wieder umgebaut und modernisiert. Dazu kam die Einrichtung eines Mühlenladens. 1996 stieg Jürgen Hübner in den väterlichen Betrieb ein, übernahm ihn 1998 nach dem plötzlichen Tod des Vaters: „Ich bin jetzt 50 Jahr Müller und irgendwann ist auch mal gut“ begründet Jürgen Hübner seine Rentenabsichten. Mit seiner Ehefrau Susanne hat er in all den Jahre kaum Urlaub machen können. Nun möchte er Zeit haben für Hobbys: „Das sind hauptsächlich unsere Tiere“, denn auf den Wiesen hinter der Mühle tummeln sich Alpakas, Hasen und Gänse. Vor allem die vier Alpaka-Hengste fordern Aufmerksamkeit. Gern balgen sich die wilden Jungs und da ihre Zähne Widerhaken haben, sind die daraus resultierenden Verletzungen nicht immer harmlos.
Nachfolger für Mühlenladen
Noch bis zum 5. Januar sind Hübners für die Mettermühle verantwortlich. Danach soll es ab dem 9. Januar mit neuem Betreiber weitergehen. Lang hat Jürgen Hübner gesucht, denn auch wenn der Beruf des Müllers heute noch durchaus begehrt ist, so gehört die arbeitsaufwendige kleine Mettermühle nicht zur ersten Wahl: „Wir arbeiten sechs Tage in der Woche hier“, erläutert Jürgen Hübner und das entspricht nicht mehr der gewünschten Work-Life-Balance. Daher suchte Jürgen Hübner lange vergeblich nach einem Nachfolger, kam aber zufällig mit einem Kunden-Ehepaar ins Gespräch, das sich gern beruflich verändern wollte. Als Quereinsteiger wollen sie den Mühlenladen übernehmen, dürfen zwar selbst kein Mehl mahlen, da ihnen die Qualifikation fehlt, aber sie werden das Mehl regionaler Zulieferer abfüllen sowie Mischungen herstellen. So bleibt für die Kunden fast alles beim Alten.