Bietigheimer Pop-Band Interview mit PUR-Sänger Hartmut Engler

Von Claudia Mocek
Heute kommt das neue PUR-Album auf den Markt (von links): Frank Dapper, Rudi Buttas, Hartmut Engler, Ingo Reidl und Joe Crawford. Foto: Carsten Klick

Der PUR-Sänger Hartmut Engler verrät, warum er lieber Songs schreibt, statt zu politischen oder gesellschaftlichen Themen Stellung zu beziehen. Heute erscheint das neue Album der Bietigheimer Pop-Band mit dem Titel „Persönlich“.

Das neue Album der Bietigheimer Band PUR heißt „Persönlich“ und erscheint am 4. November. Die BZ hat mit Sänger Hartmut Engler über Krisen, Konzerte und gute Laune gesprochen.

Herr Engler, die Musik für das neue Album ist vorwiegend im Homestudio entstanden. Ist das ein Vorteil, wenn man persönliche Songs einspielen will?

Hartmut Engler: Jeder der Komponisten hat seine Songs im Homestudio bearbeitet – das waren zum ersten Mal vier kreative Köpfe. Bei den frühen Alben war es Ingo Reidl, der die Musik fast alleine geschrieben hat, inzwischen haben wir ein Team von Songschreibern. Dazu gehören neben Ingo Reidl, der sich gut von seiner Erkrankung erholt hat, Matthias Ulmer, der ihn seit 2016 live vertritt, unser Manager Götz von Sydow und Martin Ansel, der inzwischen ausgeschieden ist, aber an dem Album noch mitgearbeitet hat. Alles in allem hatte ich dann etwa 80 Songs und damit das Vergnügen, die aus meiner Sicht Besten auszuwählen und hier zu Hause die Texte dazu zu schreiben. Den Gesang haben wir dann in den Bauer Studios in Ludwigsburg aufgenommen und haben die Studioatmosphäre dort sehr genossen.

Würden Sie das nächste Album wieder so einspielen?

Diese Arbeitsweise lässt jeden zur Geltung kommen, aber hier und da hat uns auch die direkte Kommunikation durch die Pandemie-Einschränkungen gefehlt. Dieses Gefühl gemeinsam beieinander zu sitzen und an Musik, Melodie und Umsetzung zu feilen. So persönlich, „Persönlich“ wie das Album ja auch heißt, hoffe ich, dass es dann beim nächsten Mal auch wieder mehr im Miteinander vor Ort stattfindet.

Mit welchen Themen haben Sie sich auf dem neuen Album beschäftigt?

Neben den großen Themen der letzten drei Jahre: Pandemie, Krieg und was es mit der Gesellschaft und einem ganz persönlich macht, sind es Geschichten, die einem nur einfallen, wenn man zurückgezogen zu Hause auf sich selbst zurückgeworfen ist. Ob ich jetzt einen Kometen besinge, dessen Splitter in einem Armband als Geburtstagsgeschenk zu mir kommt, und ich dann einfach mal nachforsche, was dieser Muonionalusta eigentlich ist. Ein Komet, der seit tausenden von Jahren auf unserer Erde ist, da fragt man sich, wie lange gibt es uns Menschen und wie lange wird es uns noch geben? Und im Vergleich dazu ist so ein Komet schon eine ganz andere Dimension. Das macht beim Überlegen ein bisschen klein und die Gedanken auch mal weit.

Als Sänger kann es auch immer mal passieren, dass sich aus ein paar Zeilen, die mir jemand erzählt hat, eine Geschichte formt. Mir persönlich ist es nicht so wichtig, zu allem und zu jedem etwas zu sagen. Ich bekomme so viele Anfragen zu Themen, zu denen ich Stellung beziehen soll, sei es politisch oder gesellschaftlich. Dabei fühle ich mich nicht wohl. Ich verarbeite Gefühle, Meinungen, Momentaufnahmen und Haltung lieber in den entsprechenden Songs und darin steht dann alles, was ich zu sagen habe, komprimiert in 20 bis 40 Zeilen.

In „Voll sein“ singen Sie über Schreibblockaden. Haben Sie einen Tipp, wie man die überwindet?

Bei mir war es die Angst vor einer Schreibblockade. Mein Arbeitsplatz ist hier mein Hirnhäusle, bekannt bei PUR-Fans. Das ist ein Holzpavillon, der steht etwa 30 Meter vom Haus entfernt an einem Teich und wenn ich dort hingehe, dann arbeite ich. Aber ich bin einfach nicht hinuntergegangen, weil ich Angst vor Schreibblockaden hatte. Und durch diese Arbeit an den Texten kam das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zurück.

„Voll sein“ war dann der erste Song, der mich komplett überzeugt hat. Er hat den Frust verjagt und Lust auf mehr gemacht – plötzlich flossen mir die in den drei letzten Jahren angestauten Gedanken und Gefühle förmlich nur so in Texte.

Vom Klassiker in der A cappela-Version über Deutschpop bis hin zum Instrumentalstück zeigt das Album musikalisch eine große Bandbreite. Ist das seine große Stärke?

Ja, es ist sicher eines der vielfältigsten PUR-Alben – vier kreative Komponisten mit ihren ganz eigenen Ideen, ein wunderbarer Text von Heinz Rudolf Kunze zu einem Song, zu dem ich keinen textlichen Zugang fand, musikalische Gäste wie Naturally 7 und Cassandra Steen. Das alles auf einem Album mit 16 Titeln und trotzdem fügt es sich zusammen und hört sich wie aus einem Guss an. Ich finde es ist nicht eine Nummer dabei, die nicht hätte sein müssen.

Songs zu düsteren Themen wie Ukraine-Krieg und Corona wechseln mit Gute-Laune-Liedern ab. Wollen Sie dem Publikum Mut machen?

Das ist so eine Art PUR-Prinzip. Wir arbeiten ganz bewusst mit Brüchen und Abwechslung. Wir haben festgestellt, dass die Leute stärker auf die Dinge reagieren und man sie besser erreicht, wenn man sie herumreißt. Am Ende soll ein positives Gefühl bleiben. Letztendlich sind wir Unterhaltungskünstler. Den Finger in die Wunde legen ist eines, man muss aber auch heilen lassen.

Ihr Abschied vom verstorbenen Schlagzeuger Martin Stoeck wirkt nicht wie eine Lobhudelei, sondern aufrichtig. Wie sind Sie darauf gekommen, Stöcki am Schlagzeug einzuspielen?

Das haben die technischen Möglichkeiten ermöglicht. Von Ingo Reidl stammt die Musik und von ihm kam auch die Idee die bei uns noch vorhandenen Drumspuren von Stöcki einzuarbeiten. Das fanden wir dann alle großartig. Unser ehemaliger Produzent, Dieter Falk (Stöckis ehemaliger Schwager), ist extra aus Düsseldorf gekommen, um das Klavier einzuspielen. So hat der Song eine ganz persönliche Note und sehr viel Seele bekommen.

Dass es inhaltlich ein ehrlicher Blick zurück wird, dafür stehe ich. Stöcki und ich waren nicht immer nur auf einer Wellenlänge unterwegs. In diesem Lied war es mir wichtig, auch mich selbst mit viel Respekt und einem Schmunzeln an die guten Zeiten zu erinnern, die wir gemeinsam erlebt haben. Es ist wichtig, um abzuschließen. Stöcki ist schon vor seinem Ausstieg bei uns weiter weggezogen. So haben wir nicht mehr viel voneinander mitbekommen. Dann dieses Ende, das hätte ich so nicht stehen lassen wollen.

Im Song „Herzlich willkommen“ spielen Sie auf Ihre Lebenserfahrung an. Sie singen, dass die Kindlichkeit Ihrer Nichten Ihnen dabei hilft, sich entspannt zurück zu lehnen. Ist das etwas Neues?

Wenn es gerade nicht irgendwo zu sehr zwickt, fühle ich mich immer noch wie ein junger Bub. Der Song hatte einen etwas ernsteren Hintergrund. Denn ich war tatsächlich mit der Familie und meinen Nichten – zwei und fünf Jahre alt – im Urlaub. Dabei habe ich mich gefragt, wie es heutzutage ist, in diese Welt mit all ihren Problemen, Kinder hinein zu gebären. Dann habe ich die beiden im Sand spielen sehen – da waren diese Gedanken wie weggewischt. Die Gefühle waren nicht mehr gemischt, sie waren völlig klar. Das ist ein Grund für das Leben: am Boden bleiben und nicht allzu philosophisch werden, sondern weitermachen. Die beiden werden ihr Leben auch leben, so gut wie es geht. Man sollte an den guten Dingen festhalten und nicht vorschnell die Hoffnung sinken lassen.

Sie haben das 40-Jährige von PUR gefeiert. Wie geht es weiter?

Während der Pandemie haben wir ein Sabbatical eingelegt. Eigentlich hatten wir für 2020 die Aufzeichnung von MTV Unplugged im Zirkus-Krone-Saal geplant und dazu auch eine Tournee, die quasi ausverkauft war in allen Hallen. Es hat uns herb getroffen, das alles absagen zu müssen. Da zum damaligen Zeitpunkt keiner wusste, wo die Reise hingeht, haben wir uns komplett ins Private zurückgezogen und sozusagen den Betrieb eingestellt. Erst dieses Jahr sind wir mit vier Open-Air Warm-up-Konzerten und Pur & Friends in der Arena auf Schalke wieder eingestiegen. Im Jahr 2023 spielen wir nach vier Jahren endlich wieder eine richtige Tournee mit rund zehn Großkonzerten, unter anderem in der Stuttgarter Schleyerhalle.

Wann werden Sie in Bietigheim auftreten?

2024 gäbe es die nächste Chance auf ein Heimspiel, da haben wir viele Open Air-Termine geplant. Aber wie immer muss natürlich viel zusammenpassen – zum Beispiel unsere Termine, die der Spielstätten und alle Rahmenbedingungen drumherum. Ich kann daher nichts versprechen, aber auch wir würden uns sehr freuen, wenn es mal wieder in der Heimatstadt mit einem Konzert klappen würde.

Manche Musiker sagen Konzerte ab, weil nicht genügend Karten verkauft werden. Geht es PUR aus so?

Aus irgendwelchen Gründen sitzen wir so fest im Sattel, dass es bei uns auch aktuell recht gut läuft. Wegen großer Kartennachfrage planen wir schon Ersatztermine, in Dortmund werden wir voraussichtlich zwei Konzerte spielen. Der Start des Vorverkaufs war zunächst auch verhaltener als sonst. In der aktuellen Lage ist es allerdings auch völlig verständlich, dass die Leute ihr Geld zusammenhalten und erstmal nach den Dingen des täglichen Bedarfs schauen. Für die Veranstaltungsbranche ist das sehr hart. Es kehrte gerade eben so ein bisschen etwas wie Normalität ein und nun diese neuerliche Ungewissheit.

PUR ist eine Band, die sich über lange Jahre über die kleinen Locations und Säle ihr Publikum erarbeitet und erspielt hat. Gerade diese Spielstätten leiden gerade besonders, sie sind aber so wichtig als Basis und Nährboden für kleine und große Kultur. Für uns läuft es aktuell gut, ich würde mir wünschen, dass es bei allen Kollegen so ist.

Vielen Dank für das Gespräch.

 
 
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