Bietigheimer Rektor im Interview „Hybrid-Unterricht kann nur die zweite Wahl sein“

Von Frank Ruppert
Das Berufsschulzentrum in Bietigheim-Bissingen setzt trotz Pandemie auf Präsenzunterricht.&x21e5; Foto: Archiv/Martin Kalb

Stefan Ranzinger, Leiter des Beruflichen Schulzentrums, über die Grenzen des digitalen Fernunterrichts.

Der Berufsschullehrerverband (BLV) Baden-Württemberg hat gefordert, dass es möglich sein muss, an Berufsschulen einen Mix aus Präsenz- und Onlineunterricht anzubieten. „Wenn der Regelbetrieb gesundheitsgefährdend ist, brauchen wir einen verlässlichen Mix aus Präsenz- und Online-Unterricht, wo im Wechsel jeweils die Hälfte einer Klasse ins Schulgebäude kommt, während die andere Hälfte unter Beachtung klarer Nutzungsbedingungen online dazu geschaltet wird. Hierfür benötigen die Beruflichen Schulen die erforderliche Flexibilität, vor allem aber die benötigten personellen und finanziellen Ressourcen“, so der BLV-Vorsitzende Thomas Speck.

Die BZ hat beim Leiter des Beruflichen Schulzentrum Bietigheim-Bissingen, Stefan Ranzinger, nachgefragt, ob er die Forderung des Verbands teilt.

Herr Ranziger, Sie kennen die Forderung des Lehrerverbands, wie sehen Sie die Thematik?

Stefan Ranzinger: Ich kann diese schematische Forderung so nicht gut heißen. Wir haben viele unterschiedliche Klassen, vom Beruflichen Gymnasium bis zur zweijährigen Berufsfachschule. Nicht alle Schüler kriegen das mit der Teilnahme am Unterricht und dem Lernen übers Internet hin. Natürlich muss der Hybrid-Unterricht aber möglich sein, wenn die Infektionszahlen es nicht anders zulassen, aber flächendeckend ist das bei unseren 100 Klassen nicht erstrebenswert.

Wären Sie auch für einen Hybrid-Unterricht?

Aus meiner Sicht kann der Hybrid-Unterricht nur die zweite Wahl sein. Er kann den Präsenzunterricht nicht ersetzen. Bei Hybrid-Unterricht leidet das soziale Lernen im Klassenverbund. Auch generell kann man weniger Stoff vermitteln. Das führt dann dazu, dass der Prüfungsumfang dementsprechend reduziert werden müsste. Schließlich wäre die Unterrichtsorganisation eine riesige Zusatzaufgabe, wenn bei allen Klassen stets eine Hälfte im Wechsel daheim wäre.

Hätte das Berufliche Schulzentrum in Bietigheim-Bissingen überhaupt die nötigen Ressourcen dafür?

Wir verfügen aktuell über zwölf Räume, die für den Online-Unterricht ausgestattet sind mit Lehrermedientischen, Konferenzmikros, Kameras, Lautsprechern und Beamern. Außerdem können mittlerweile alle unsere 140 Lehrer über das Programm Microsoft-Teams digitalen Fernunterricht abhalten. Wir haben im Rahmen des Sofortausstattungsprogramms des Bundes, das im Sommer wegen der Pandemie aufgelegt wurde, 210 Tablets zur Ausleihe für bedürftige Schüler bestellt, diese erhalten wir aber dieses Jahr wohl leider nicht mehr.

Aus unterschiedlichen Gründen ist derzeit schon das Lernen von daheim trotz genereller Präsenzpflicht erlaubt. Wie sieht es da bei Ihnen aus?

Drei schwangere Kolleginnen und ein älterer Kollege nehmen derzeit das Angebot wahr, von zu Hause aus zu unterrichten, um sich nicht der Gefahr einer Infektion auszusetzen. Wir haben derzeit keine Lehrer in Quarantäne, aber zirka 30 Schüler aus unterschiedlichen Klassen. Außerdem gibt es zehn weitere Schüler, die sich für einige Monate bis zu den Weihnachtsferien komplett vom Präsenzunterricht abgemeldet haben, weil sie jemanden im Umfeld haben, der zur Risikogruppe gehört und die Gefahr nicht eingehen wollen, diese Person anzustecken. In diesem Fällen werden die Unterrichtsinhalte inklusive Aufgabenerteilung über das Programm Microsoft Teams übermittelt. Generell ist der Hybrid-Unterricht eine zusätzliche Arbeitsbelastung für die Lehrerschaft, unter anderem weil die Technik nicht immer funktioniert. Den Lehrern wird einiges abverlangt in dem Zusammenhang. ⇥

 
 
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