Bietigheimer Viadukt Wahrzeichen wird 170 Jahre alt

Von Uwe Mollenkopf
Eine historische Abbildung des Enztalviadukts. Foto: Stadtarchiv Bietigheim-Bissingen

Der Bietigheimer Viadukt wurde nach mehr als zweijähriger Bauzeit im Jahr 1853 eingeweiht. Er überstand die Jahrhunderte, musste aber nach dem Zweiten Weltkrieg neu eröffnet werden. 

Am 20. September vor 170 Jahren überquerte bei einer Probefahrt der erste Zug den Bietigheimer Enzviadukt. Froh, dass die nicht ganz einfache technische Realisierung des imposanten Bauwerks gelungen war, enthüllten die Verantwortlichen bei der offiziellen Einweihungsfeier eine Gedenktafel mit der Aufschrift „König Wilhelm 1853“ – als dauerhafte Erinnerung an die Entstehung der Eisenbahnbrücke, die längst zu einem Wahrzeichen Bietigheim-Bissingens geworden ist. Ein Rückblick.

Hintergrund des Brückenbaus war die Tatsache, dass Bietigheim 1847 an die württembergische Eisenbahn angeschlossen worden war, die damals in Nord-Süd-Richtung verlief und 1848 Heilbronn erreichte. Um eine Verbindung nach Westen ins badische Gebiet herzustellen, entschied man sich nach einigen Überlegungen für einen Abzweig in Bietigheim – mit der Folge, dass hier eine Überquerung der Enz geschaffen werden musst. Verantwortlich für die Planung des Baus war der Oberbaurat Carl Etzel, für die Ausführung war der in Bietigheim lebende Bauinspektor August Beckh zuständig. Etzel plante die Errichtung eines 287 Meter langen, 33 Meter hohen und auf 21 Bögen ruhenden Eisenbahnviadukts. Am 2. April 1851 war Grundsteinlegung.

500 bis 600 Arbeiter

Zeitweise waren 500 bis 600 Arbeiter und Handwerker in Tag- und Nachtschichten auf der Großbaustelle tätig, um das Bauwerk zu errichten. Rückschläge blieben dabei nicht aus: Am 1. August 1851 riss ein Hochwasser den Transportsteg weg, wie die Oberamtsbeschreibung für Besigheim vermerkt. Auch Unfälle gab es bei den Arbeiten, von denen laut der Oberamtsbeschreibung vier tödlich verliefen.

Wie die frühere Leiterin des Stadtmuseums Hornmoldhaus, Regina Ille-Kopp, recherchiert hat, war das Hauptproblem beim Bau der Brücke zunächst die sichere Gründung aller Pfeiler. Im zweiten Baujahr, 1852, war dann das Schließen der Spannbögen oberstes Ziel. Auf ihrer Schale war ein Fußgängerweg vorgesehen, der von den Halbkreisbögen noch überwölbt wurde.

„Immer wieder mussten neben dem zu erstellenden Bauwerk Arbeits- und Transportstege weiterentwickelt und sicherheitstechnisch auf dem Laufenden gehalten werden“, so Regina Ille-Kopp. Um Mauerwerk und Bögen fertigen zu können, war ein vierstöckiges, 290 Meter langes und 18 Meter breites Gerüst aus fünf Reihen Stangenbäumen aufgerichtet worden. Um die Sandsteinquader an ihre Bestimmungsorte transportieren zu können, wurden besondere Wagen konstruiert, die auch auf den Gerüsten bewegt wurden.

Während der Bauzeit von 30 Monaten verarbeiteten die Brückenbauer unter anderem rund 5000 Tonnen Sandstein. Zum Einsatz kamen laut Ille-Kopp rote und gelblich-grüne Keupersandsteinblöcke im Wechsel, die aus den Gündelbacher, Brackenheimer und Heilbronner Steinbrüchen stammten.

Der Viadukt wurde rechtzeitig fertig: Nach der Einweihungsfeier am 20. September folgte am 26. September die feierliche Eröffnung der „Württembergisch-badischen Verbindungsbahn“. Bei den Kosten blieb man indes nicht im Plan: Statt der zunächst veranschlagten 680 000 Gulden fielen am Ende 1,1 Millionen Gulden an.

Von Wehrmacht gesprengt

Laut Ille-Kopp lässt sich die wirtschaftliche Bedeutung des Viadukts vor allem mit der Ansiedlung der Linoleum-Werke Nairn AG 1899 belegen. Pläne für ein Entlastungsbauwerk aufgrund des gestiegenen Zugverkehrs gab es 1913, sie wurden jedoch nie verwirklicht. Allerdings musste die Brücke in den Jahren 1928 und 1929 verstärkt werden.

Der Viadukt überstand auch die Bombenangriffe im Jahr 1945 gegen Ende des Zweiten Weltkriegs, wurde aber am 8. April 1945 von der Wehrmacht gesprengt. Nach dem Krieg gab es eine Zeit lang eine Notbrücke, bis dann die Arbeiten zur Wiederherstellung des Viadukts begannen. Am 28. August 1949 fand die Wiedereröffnung des Enzviadukts statt, womit auch die Bietigheimer ihr beliebtes Wahrzeichen wiederhatten.

 
 
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