Bio-Musterregion Ludwigsburg-Stuttgart Nachfrage nach Öko-Produkten aus der Region sehr gering

Von Bigna Fink
Bei der Mutterkuhhaltung, wie bei Bernhard Schnaufer in Bietigheim, werden die Kälber bei ihren Müttern aufgezogen. Auf dem Schnauferhof gibt es ein täglich geöffnetes Selbstbedienungsangebot und donnerstags von 15 bis 19 Uhr einen Direktverkauf im Hofladen mit Bedienung. Foto: /Martin Kalb

Seit drei Jahren gibt es das Projekt Bio-Musterregion Ludwigsburg-Stuttgart, um den Absatz regionaler Bio-Ware zu stärken. Doch die meisten Verbraucher kaufen billig.

Auf dem einzigen Bio-Bauernhof in Bietigheim-Bissingen herrscht aus Sicht der Besucherin pure Idylle: rostbraune Kühe grasen auf der Weide oder sitzen mit den Kälbern im Stroh. Aus dem Backhäusle kommt der Duft von frisch gebackenem Brot. Seit 1972 wirtschaftet der Schnauferhof oberhalb von Bietigheim nach den strengen biodynamischen Richtlinien des Anbauverbandes Demeter und erzeugt hauptsächlich Kartoffeln, Getreide, Eier und Rindfleisch.

Der Hof von Bernhard Schnaufer und seiner Frau Margit ist einer von mindestens 76 landwirtschaftlichen Ökobetrieben im Kreis Ludwigsburg. Der Bio-Sektor wächst: So hat die Zahl der Höfe mit ökologischer Landwirtschaft in Baden-Württemberg von 2017 bis 2021 um 27 Prozent zugenommen. Der unteren Landwirtschaftsbehörde zufolge sind von den rund 32 700 Hektar landwirtschaftlicher Fläche im Landkreis Ludwigsburg mittlerweile 7,2 Prozent ökologisch bewirtschaftet. Die Landesregierung strebt nach deutlich mehr Bio: Bis 2030 sollen bis zu 40 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche ökologisch bewirtschaftet werden.

Suche nach neuen Absatzwegen

„Mehr Bio aus der Region für die Region“, ist das Hauptziel der 14 Bio-Musterregionen in Baden-Württemberg. Seit 2020 ist die Bio-Musterregion Ludwigsburg-Stuttgart aktiv, ein Projekt des Landkreises Ludwigsburg und der Stadt Stuttgart, gefördert vom Landwirtschaftsministerium. Dafür gibt es eine Stelle im Landratsamt Ludwigsburg, besetzt von Annegret Bezler, der Regionalmanagerin der Bio-Musterregion.

„Unsere Ziele liegen in der Suche nach neuen Absatzwegen, vor allem über Kantinen und Mensen der Region, der Vernetzung zwischen den Landwirten und der Kommunikation mit Verbrauchern“, erklärt Bezler. Es gibt ein Förderbudget für Gemeinschaftsprojekte von Landwirten, wie etwa Verkaufsautomaten oder Fortbildungen für Betriebe.

Die 31-Jährige organisiert Führungen auf Biobetrieben für Landwirte, die überlegen, auf Bio umzustellen. „Dabei findet reger Austausch statt. Betriebe aus unterschiedlichen Ecken des Landkreises lernen sich kennen“, so die Agrarwissenschaftlerin. „Wir hatten wegen der Corona-Pandemie einen recht holprigen Start“, sagt Bezler. Bisher kann sie noch keine konkreten Projekterfolge vermelden.

Der Schwerpunkt der Bio-Musterregion liege in der Vermarktung regionaler Ökoware über die Außer-Haus-Verpflegung, also etwa Kantinen, und die seien während der Pandemie meist geschlossen gewesen. Bezler kann keine konkrete Kantine nennen im Umkreis Bietigheim-Bissingens, die auf Bioware umgestellt hat. „Es gibt viele Gemeinschaftsverpfleger, die engagiert sind und bereits Bioware einsetzen, oder auf dem Weg dazu sind.“ Ein elfköpfiger Beirat aus der ganzen Wertschöpfungskette wie Vertreter der Landwirtschaft, der Bauernverbände, des Bio-Handels und der Verarbeitung berät die Regionalmanagerin der Bio-Musterregion und gibt ihr Impulse, wie der Bio-Absatz in der Region gestärkt werden kann.

Florian Petschl aus Marbach ist stellvertretendes Beiratsmitglied der Bio-Musterregion für den Kreisbauernverband Heilbronn-Ludwigsburg und im Vorstand des Verbands. „Es ist ein Versuch, die Bio-ware aus der Region vom Erzeuger zum Verbraucher zu bringen, und zwar auf möglichst vielen Wegen“, sieht der Landwirt das vorerst noch drei Jahre laufende Projekt Bio-Musterregion Ludwigsburg-Stuttgart.

Biobauern unter Preisdruck

Der Preisdruck durch den Krieg in der Ukraine und die Energiekrise sei enorm, sagt der 34-Jährige. So liege etwa der Preis für das Rindfleisch eines Bio-Bullen derzeit unter dem Preis eines konventionell gehaltenen Bullen. Petschl: „Es wurde und wird bei den Bürgern Angst geschürt, sodass sie bei den Lebensmitteln noch mehr sparen als sonst“. Der Landwirt ist überzeugt: „Das Geld ist meist nicht so knapp, sich auch ab und zu regionale Bio-Produkte zu leisten.“

Der Umsatz in Bio-Hofläden sei deutlich stärker eingebrochen als im herkömmlichen Handel. In der Coronazeit hätten dagegen die Hofläden und Verkaufsautomaten einen Umsatz-Boom erlebt, auch weil die Verbraucher Supermärkte gemieden hätten, ergänzt Bezler.

„Ein zunehmendes Problem ist, dass der Markt von deutlich billigerer Bioware vom Discounter unterwandert wird, bei der man nicht erkennt, woher die Produkte stammen“, so Petschl. Es sei ein großes Problem, wenn Handel und Verbraucher nicht mitspielten und keine regionale Bioware anböten und kauften. Öko-Bauern hätten deutlich höhere Kosten, etwa durch den Stallanbau und neue Technik.

„Ich sehe die Perspektive für Biobauern derzeit nicht besonders rosig“, ist Bernhard Schnaufer, der bisher einzige Bio-Landwirt Bietigheims, zurückhaltend. Bei der Bio-Musterregion macht der 57-Jährige nicht aktiv mit. Der Ansatz sei prinzipiell gut, meint der Demeter-Bauer. Aber der Biomarkt sei aktuell schon sehr schief bei viel höherem Angebot als Nachfrage. „Der regionale Biomarkt ist massiv unter Druck: Der Absatz ist verheerend eingebrochen, im Vergleich zu den Vorjahren um etwa 50 Prozent.“

Dazu komme, da biologische Pflanzenschutzmittel nur eine begrenzte Wirkung hätten, dass in manchen Jahren viel an Ernte durch Pilzbefall zerstört werde und die ökologischen Anbauverfahren nur etwa den halben Ertrag im Vergleich zur konventionellen Landwirtschaft brächten. „Außerdem sollte die Politik dringend die Rahmenbedingungen für alle Landwirte vereinfachen“, fordert Schnaufer und spricht von einem immer größer werdenden Bürokratieaufwand.

Die Bauern sollten jeweils für sich entscheiden, ob sie auf Bio-Anbau wechseln. „Die Landwirte müssen sich ihre Vermarktungsmöglichkeiten genau überlegen und eine Nische finden.“

Info

Wo ist regionale Bio-Ware

Am Pfingstwochenende am 28. bis 29.5. lädt
die Familie Schnaufer zum Hoffest auf dem Schnauferhof in der Lettengrube ein, mit unter anderem Kaffee und Kuchen, Weinen, Gottesdienst (Montag 10 Uhr) und Unterhaltung verschiedener Vereine.

 
 
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