Bissinger Managerin arbeitet für Tafel und Co. Ein Sabbatjahr fürs Ehrenamt

Von Frank Ruppert
Von links: Christian Bogdanovic, Beschäftigter in den Theo-Lorch-Werkstätten in Ludwigsburg-Grünbühl, Stefan Wegner, Geschäftsführer der Theo-Lorch-Werkstätten, und Sabine Martin am digitalen Assistenzsystem in der Produktion. ⇥ Foto: Fotos: privat

Sabine Martin ist Managerin bei Audi. Im vergangenen Jahr hat sie diese Position aber für elf Monate Ruhen lassen und sich bei sozialen Einrichtungen im Kreis ehrenamtlich eingebracht.

Ich wollte schon lange ein Ehrenamt übernehmen und habe mir das auch immer wieder vorgenommen. Geklappt hat es dann aber aus zeitlichen Gründen doch nie“, sagt Sabine Martin. Die Bissingerin ist Managerin bei Audi und hat Anfang des vergangenen Jahres einen Weg gefunden, sich im Ehrenamt einzubringen: Sie hat ein sogenanntes Sabbatical eingelegt, also ein Jahr Pause vom Job genommen. Oft werden solche Jahre genutzt, um zu reisen oder seinen Hobbies zu frönen. Für Sabine Martin kam das nicht infrage: „Ich bin schon viel herumgekommen in der Welt, habe unter anderem dank meines Arbeitgebers Audi auch schon einige Jahre in Spanien und in Ungarn gearbeitet.“

Ziel war, etwas zurückzugeben

In ihrem Sabbatical ging es ihr vielmehr darum zurückzugeben: „Ich hatte im Leben viel Glück, mir geht es gut. Deshalb hatte ich das Bedürfnis unter anderem den nicht so begünstigten Menschen etwas zurückgeben. Zudem wollte ich meine Berührungsängste etwa im Umgang mit Menschen mit Behinderung überwinden“, erzählt die 53-Jährige. Ein weiterer Beweggrund war, sich schon während der Berufszeit ein Netzwerk aufzubauen, das dann später im Ruhestand einen nahtlosen Übergang ermöglicht.

Die Managerin, die in Neckarsulm und Ingolstadt arbeitet, ist ihr Ehrenamtsjahr dabei recht professionell angegangen. „Ich war überrascht, wie leicht man in ein Ehrenamt reinkommt“, sagt sie. Teilweise vorab, teilweise mit dem Start ihres freien Jahres hat sie drei Stellen gefunden: bei den Theo-Lorch-Werkstätten, der Bietigheimer Tafel und dem Tierheim Vaihingen. Die Managerin hatte sich für die genau elf Monate ihres freien Jahres Ehrenamt in Vollzeit organisiert. Dabei teilte sie ihre Arbeitswoche unter den drei Einrichtungen auf.

Berührungsängste abgebaut

Bei den Theo-Lorch-Werkstätten war man froh über eine Ehrenamtliche mit einem solchen beruflichen Hintergrund. „Ich habe begonnen, im Bereich der Produktion als Unternehmensberaterin zu arbeiten und zudem war ich in Business-Coachings für Führungskräfte aktiv, aber mir war auch wichtig, dass ich in den Standorten jeweils operativ mitarbeite“, so Sabine Martin.

Ihr Ziel, ihre Berührungsängste abzubauen, war schnell erreicht. „Am ersten Tag war ich schon aufgeregt und gespannt, wie man mir begegnen wird. Aber die Beschäftigten haben mich sehr herzlich aufgenommen und so waren die Berührungsängste und -unsicherheiten schnell vergessen.“ Dieser ungezwungene, liebevolle Umgang und die positive Einstellung der Menschen bei den Theo-Lorch-Werkstätten haben sie sehr beeindruckt und geerdet.

Austausch im Tafelladen

Schnell ging es auch beim Tafelladen. Die Leiterin Ingrid Brandl hatte Sabine Martin nach der ersten Kontaktaufnahme einfach zum Probearbeiten eingeladen. Und das lief augenscheinlich ganz gut. „Ich fand die Arbeit sehr interessant, vor allem den Austausch mit den Kunden und den anderen Mitarbeitern“, zieht die Audi-Frau ein positives Fazit ihrer Zeit im Tafelladen. Besonders begeistert war sie auch von Brandl, die, wie ihre Mitstreiter, sehr viel Einsatz an den Tag lege und das trotz der Widrigkeiten wie Corona oder der immer noch andauernden Suche nach einem neuen Standort. „Mein Umgang mit den Lebensmitteln hat sich im Privaten seit dem ersten Tag bei der Tafel radikal geändert“, resümiert Sabine Martin.

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Ein besonderes Herzensprojekt für Sabine Martin war schließlich ihre Mitarbeit im Tierheim Vaihingen. Als Katzenliebhaberin, die auch Erfahrung in der Tierrettung der Vierbeiner hat, fühlte sie sich gleich wohl im Team und durfte sich auch um Tiere in der Quarantäne- und Kranken-Station kümmern. „Ich habe schon einige Katzen aus Ungarn daheim, von daher war mein Mann froh, dass meine Tätigkeit keine weiteren neuen Mitbewohner nach sich zog“, lacht die 53-Jährige.

Nachhaltiger Einsatz

Für das Tierheim will sie sich auch jetzt, wo sie wieder voll im Beruf ist, weiter einbringen. „Ich versuche, alle vier bis fünf Wochen einen Dienst am Wochenende zu machen“, sagt sie. Wichtig ist ihr, dass ihr Einsatz auch für die Einrichtungen nachhaltig bleibt. So hat sie etwa beim Tierheim selbst eine ehrenamtliche Nachfolgerin rekrutiert und bei den Theo-Lorch-Werkstätten bietet sie immer noch kostenlos Coachings für Führungskräfte an.

Und Sabine Martin selbst? „Mir haben die elf Monate unheimlich viel gegeben“, sagt sie. Dennoch habe sie sich zu Beginn des Jahres 2022 wieder sehr auf den Arbeitsbeginn bei Audi gefreut. Nahtlos könne sie dort ihre Karriere fortsetzen, zudem sei ihre soziale Kompetenz in dem knappen Jahr weiter gestiegen: „So ein Sabbatical oder auch eine Elternzeit kann mittlerweile förderlich für die Karriere bei Audi sein.“

Info Ein Sabbatical oder Sabbatjahr ist eine Auszeit vom Beruf. Diese wird zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer in der Regel vertraglich festgehalten, ebenso wie ein Rückkehranspruch in die alte Position. Es gibt oft die Möglichkeit, die Zeit für das Sabbatical vor- oder nachzuarbeiten.

 
 
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