Bissinger Überraschungscoup 2:1 – Nullachter kicken die Kickers vom Tabellenthron

Von Andreas Eberle
Karate oder Fußball? Benedikt Landwehr (links) vom FSV 08 Bietigheim-Bissingen und sein ehemaliger Kickers-Teamkollege Malte Moos gehen mit gestrecktem Bein zum Ball. Anil Sarak beobachtet den Zweikampf aus der Distanz. ⇥ Foto: Alexander Keppler

Der FSV 08 Bietigheim-Bissingen gewinnt auch das zweite Oberliga-Saisonduell gegen den Topfavoriten aus Degerloch. Filimon Gerezgiher schießt das Siegtor. Von Andreas Eberle

Lange nach dem Abpfiff, direkt am Aufgang zur Haupttribüne des Gazistadions, passierte es: Vanessa, die Frau von Mittelfeldspieler Loris Hoffmann, schüttete Coach Markus Lang ein Bier übers Haupt, als die Oberliga-Kicker des FSV 08 Bietigheim-Bissingen gerade in fröhlicher Runde beisammenstanden. In der Regel gibt es so eine Bierdusche für einen Trainer sonst nur bei einer Meisterschaft oder einem Pokalsieg.

Dass die Nullachter am Samstagabend unterm Fernsehturm so ausgelassen feierten und noch auf dem Rasen eine „Humba“ anstimmten, hing mit einem besonderen Triumph zusammen: Mit 2:1 hatten sie sich zuvor beim Aufstiegsfavoriten Stuttgarter Kickers durchgesetzt. Damit verhalf die Bruchwald-Elf zum einen dem Nachbarn SGV Freiberg an die Tabellenspitze und kann sich zum anderen rühmen, als einziges Team der Liga die Blauen in dieser Saison zweimal geschlagen zu haben. In der Vorrunde hatte der FSV 08 mit 1:0 gewonnen.

Kickers wieder in der Jägerrolle

„Wenn man auf die Waldau fährt, ist nicht unbedingt zu erwarten, dass man gegen die Kickers drei Punkte mitnimmt. Uns ist das Kunststück jetzt zweimal gelungen. Wir freuen uns wahnsinnig“, kommentierte Lang den Coup. Sein SVK-Kollege Mustafa Ünal sprach dagegen, auch mit Blick auf das 2:2 beim Abstiegskandidaten 1. FC Bruchsal am Mittwoch, von einer „Scheißwoche“ und einem „Durchhänger“. Doch er hatte sich schnell mit der neuen Situation arrangiert. „Als wir Erster waren, haben wir auch noch nicht die Meisterschaft gefeiert. Jetzt sind wir wieder in der Jägerrolle – und geben auch nicht auf. Wir werden wieder jagen“, sagte Ünal kämpferisch.

Vor den 2600 Zuschauern glückte Filimon Gerezgiher in der 65. Minute das Siegtor. Die Degerlocher waren zu weit aufgerückt, was die Gäste zu einem überfallartigen Angriff über die rechte Seite nutzten. Alexander Götz setzte Benedikt Landwehr in Szene, der Ex-Kickers-Spieler bediente uneigennützig den freistehenden Gerezgiher – und der jagte die Kugel am langen Pfosten aus fünf Metern unter die Latte und krönte damit seinen Galaauftritt auf dem linken Flügel. „Es war ein geiles Spiel und eine Mega-Kulisse, die uns noch mal einen Schub gegeben hat“, stellte der Matchwinner später fest.

Bereits nach 77 Sekunden hatte der Außenseiter erstmals zugeschlagen: Einen eigentlich harmlosen Schuss von Landwehr aus spitzem Winkel klatschte Ramon Castellucci nur notdürftig ab – genau vor die Füße von Yannick Toth, der zum 0:1 einschob. „Ich kenne Ramon schon seit der U15, aber so etwas habe ich von ihm noch nie gesehen“, war auch Guido Arnold, langjähriger Leiter des Kickers-Nachwuchsleistungszentrums, perplex vom Fauxpas des Schlussmanns.

Apropos Torhüter. Bei 08 stand am Samstag nicht etwa Stammkeeper Henning Bortel zwischen den Pfosten, sondern Ersatzmann Moritz Welz, der zu seinem sechsten Saisoneinsatz kam – und prompt ohne Fehl und Tadel hielt. „Er hat sich das durch gute Leistungen verdient“, begründete Lang später den überraschenden Personalwechsel im Kasten.

Beim 1:1-Ausgleich war der 26-jährige Welz allerdings machtlos. Nachdem Mohamed Baroudi noch über den Ball gesäbelt hatte, traf Nico Blank im zweiten Anlauf aus 17 Metern (32.). Den nächsten Schock mussten die Gäste kurz vor der Pause verkraften: Innenverteidiger Duc Thanh Ngo humpelte mit einer Oberschenkelverletzung vom Feld und wird 08 wohl länger fehlen.

Entlastung durch neue Taktik

Da seine Elf in den ersten 45 Minuten mächtig unter Druck geraten war, sorgte Lang zur zweiten Hälfte mit einer taktischen Korrektur für Entlastung: Aus der Fünfer- wurde eine Vierer-Abwehrkette, dafür agierten die Bissinger fortan im Mittelfeld mit einem weiteren „Sechser". Prompt gestalteten sie die Partie ausgeglichener. Die Kickers rannten dagegen immer kopf- und planloser an, selbst Ünals Dreifachwechsel unmittelbar nach dem 1:2-Rückstand verpuffte. Die beste Chance zum 2:2 hatte Mijo Tunjic – der Kopfball des Torjägers landete an der Latte. „Wir hatten heute natürlich auch das nötige Spielglück“, gab Trainer Lang zu. „Aber das Glück haben wir uns auch verdient.“ Und die Bierdusche danach auch.

Stimmen zum Spiel

Markus Lang, Trainer des FSV 08 Bietigheim-Bissingen: Es ist immer etwas Besonderes, bei den Kickers zu spielen. Das Ambiente hier macht schon einen Unterschied. Unsere Spieler müssen wir da aber trotzdem nicht mehr motivieren als sonst. Jeder hat eine gewisse Eigenmotivation – und die kann man auch voraussetzen.

Mustafa Ünal, Coach der Stuttgarter Kickers: Der Auswärtssieg der Bissinger war am Schluss nicht ganz unverdient. Sie haben sich das Glück erkämpft. Die Niederlage tut weh. Wir setzen jetzt alles daran, am Mittwoch wieder in die Spur zu finden. Wenn wir das tun, stehen die Chancen gut, dass vorne in der Tabelle noch mal ein Wechsel stattfindet – von mir aus auch gerne noch am letzten Spieltag. Der Kampf ist noch nicht durch.

Moritz Welz, 08-Keeper: Das Spiel war bisher mein Highlight der Saison. Der Trainer hat mir am Freitag nach dem Training gesagt, dass ich heute spielen werde. Dennoch konnte ich in der Nacht überraschend gut schlafen. Da hat mir sicher geholfen, dass das Duell bei den Kickers nicht mein erster Einsatz in dieser Runde war, sondern bereits mein sechster. Sonst wäre ich wahrscheinlich schon etwas nervöser gewesen.

Filimon Gerezgiher, Bietigheim-Bissinger Siegtorschütze: Das war eine gute Teamleistung von der ganzen Mannschaft. Wir sind zufrieden mit dem Ergebnis und glücklich über die drei Punkte. Es konnte keiner erwarten, dass wir hier bei den Kickers gewinnen. Jetzt wird sicher noch ein bisschen gefeiert. Dass wir Freiberg heute einen Gefallen getan haben, ist uns egal. Wir schauen nur nach uns und nicht nach anderen Vereinen.

 
 
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