Seinen 75. Geburtstag feierte Kurt Sartorius am 2. Januar in illustrem Kreise – natürlich in „seinem“ Museum, dem Schwäbischen Schnapsmuseum im Bönnigheimer Steinhaus. Zu den Gratulanten gehörte auch Bürgermeister Albrecht Dautel, der den langjährigen Gemeinderat, ehrenamtlichen Museumsleiter und exquisiten Kenner der Bönnigheimer Geschichte würdigte. Die Mitstreiter in der Historischen Gesellschaft Angelika Fischer, Mike Sartorius und Daniel Haug hatten für den Jubilar eine ganz besondere Führung durch das Schnapsmuseum vorbereitet. 2024 ist für Sartorius nicht nur durch seinen runden Geburtstag etwas besonderes, denn im Februar 1984 entdeckte er erstmals in einem Bönnigheimer Keller vergrabene Töpfe und brachte diese mit dem Brauch der Nachgeburtsbestattung in Verbindung. Genau nach 40 Jahren wird er deshalb am 21. und 22. September ein Kolloquium mit renommierten Fachleuten unter dem Titel „Nachgeburtsbestattung – Archäologie – Weltweite Bräuche“ in der Stadt ausrichten.
Bönnigheim Doppelter Grund zur Freude
Kurt Sartorius feierte am 2. Januar seinen 75. Geburtstag und erinnert mit einem Kolloquium im September an die erste Ausgrabung von Nachgeburtstöpfen vor 40 Jahren.
Kenner der Stadtgeschichte
Es gibt kaum einen zweiten, der wie Kurt Sartorius sich so intensiv mit der Bönnigheimer Geschichte beschäftigt, damit immens viel Wissen gesammelt hat und mit seiner besonderen Fähigkeit die Zuhörer in seinen Bann zieht. Er ist Vorsitzender der Historischen Gesellschaft, der Initiator und ehrenamtlicher Leiter des Schnapsmuseums, er gründete die Arzneyküche und hat tausende von Besucher durch seine Stadt geführt. Seit rund einem halben Jahrhundert bereitet Sartorius Heimatgeschichte zum Entdecken und Anfassen auf. „Auf diese Weise macht er sie für Bönnigheimer und Besucher der Stadt in unterschiedlichen Facetten lebendig“, lobte ihn Bürgermeister Dautel, als er ihm als „Dankeschön, Anerkennung und Wertschätzung für seine herausragenden ehrenamtlichen Verdienste für die Stadt und ihre Bürgerschaft“ 2019 die Bürgermedaille verlieh.
Schnapsmuseum initiiert
1977 gründete Sartorius die Historische Gesellschaft Bönnigheim, ab 1985 befassten sich er und die Historische Gesellschaft mit dem Aufbau eines Heimatmuseums, das ein Spezialmuseum zur schwäbischen Kleinbrennerei werden sollte. 1993 zeigten die Bönnigheimer die Ausstellung „Geistreich“ im Landespavillon in Stuttgart. Mit dieser Ausstellung wurde das Schwäbische Schnapsmuseum im selben Jahr im Bönnigheimer Steinhaus eröffnet, das sich zum Publikumsmagnet entwickelt hat. Auch das Museum Arzneyküche entstand 2002 auf sein Betreiben.
Heute darf der 75-Jährige stolz sein, dass er mit seinen Grabungen die internationale Wissenschaft beeinflusst hat. Anfangs durchaus belächelt und als „Scherben-Kurtle“ bezeichnet, beschäftigen sich heute namhafte Wissenschaftler der Volkskunde mit dem Thema Nachgeburtstöpfe. Als Beauftragter für Bodendenkmalpflege des Landesdenkmalamts hatte er 1984 im Keller des Hauses Michaelsbergstraße 17 bis 19 geholfen, rund 50 – im erdigen Kellerboden vergrabene – Gefäße zu bergen. In den Ganerbenblättern 1986 veröffentlichte er einen Aufsatz zum Thema Nachgeburtsbestattungen, der in der Fachwelt große Resonanz fand. Damit wurde zum ersten Mal das Thema Nachgeburtsbestattung öffentlich beschrieben. Sartorius: „Mir war zu dieser Zeit die Bedeutung des Berichts noch nicht klar. Erst der Nachweis von Östrogen im Topfinhalt 1989 durch Dietmar Waidelich und 2009 an der Uni Mainz brachten den Durchbruch.“ Seither beschäftigen sich viele Universitäten, Denkmalämter und Museen mit dem Thema. Der Ursprung der Forschung war in Bönnigheim. „Nachgeburtstöpfe haben wir bereits für Ausstellungen an viele Museen ausgeliehen, zurzeit in Stade, aber auch an Wien oder Bamberg.“ Es folgten zahlreiche Vorträge unter anderem in Bonn oder Wien.
Erstes Kolloquium 1997
1997 lud Sartorius Forscher aus ganz Europa zum Kongress nach Bönnigheim ein: „Das Kolloquium brachte den Durchbruch.“ Seitdem sei das Thema wissenschaftlich anerkannt. Überall in Deutschland und auf der ganzen Welt wurden Gefäße für Nachgeburtsbestattungen gefunden.
„Neue Forschungsthemen stoßen häufig auf Skepsis, so auch im Fall Nachgeburtsbestattung. Als ich 1984 in Bönnigheim erstmals im Keller vergrabene Töpfe gefunden und diese mit dem Brauch der Nachgeburtsbestattung in Verbindung gebracht wurden, löste dies mitunter nur ein mitleidiges Lächeln aus“, so Sartorius. Schließlich gab es bis dahin keinen vergleichbaren Fund in Deutschland.
40 Jahre nach dem ersten Fund wird es nun am 21. und 22. September – nach 1997 – das zweite Kolloquium zur Nachgeburtsbestattung in Bönnigheim geben. Unter der Moderation von Professor Dr. Sabine Zinn-Thomas von der Landesstelle für Volkskunde werden renommierte Wissenschaftler über das Ritual der Nachgeburtsbestattung in Deutschland, aber auch in Ägypten, Guatemala, Kamerun oder Japan referieren. Jürgen Kunz