Weihnachten – das Fest der Freude, der Familie, des Zusammenseins. Und kurz vor dem Fest stirbt eine Person, die bisher dazugehörte. Weihnachten wird nie mehr so sein wie früher, kann es überhaupt je wieder gefeiert werden? Ja, es kann wieder gefeiert werden, wenn der Trauernde bereit dazu ist, schwierig bleibe es in Zukunft aber, sagt die Bönnigheimer Trauerbegleiterin Meike Junginger, die in ihren offenen Trauergruppen Menschen betreut, die Angehörige verloren haben.
Bönnigheim „Es gibt kein Rezept gegen Trauer“
Trauerbegleiterin Meike Junginger aus Bönnigheim spricht über den Schock und die Folge sowie Bewältigungsstrategien, wenn ein Mensch kurz vor oder zu Weihnachten stirbt.
Dennoch, so Junginger, es müsse jeder seinen Weg des Trauerns und der Trauerbewältigung finden und den Umgang mit dem Weihnachtsfest. „Es gibt kein Rezept gegen Trauer“, jeder müsse tun, was ihm sein Gefühl rate und was er aushalten könne.
Gefühlt, so Junginger, sterben in der Vorweihnachtszeit zahlreiche Menschen. „Meine Mutter hat immer gesagt, die meisten gehen noch vor dem Christtag.“ Vor Weihnachten sei der Verlust zwar nicht schmerzhafter, aber belaste das traditionelle Fest.
Kurz nach dem Todestag sei für die meisten Angehörigen dann nicht daran zu denken, einen Weihnachtsbaum aufzustellen, fröhliche Lieder zu singen oder zur Kirche zu gehen – außer man habe Kinder, dann halte man so viel Normalität als möglich aufrecht. „Was ich nicht für die schlechteste Idee halte.“
Zuerst sei da aber der Schock des Verlustes, man sei zuerst einmal wie abgeschnitten von seinen Gefühlen. Weil man selbst nicht wisse, was man wolle, weil man nicht spüre, was gut für einen ist, sei es hilfreich, daran zu denken, was der/die Verstorbene gewollt hätte. Vielleicht habe er/sie Weihnachten geliebt, vielleicht wolle er/sie, dass die Familie unterm Baum zusammenkomme. „Gesellschaft ist in diesem Moment zwar gut, aber die meisten fallen in ein einsames Loch, viele sagen mir, ich würde mich am liebsten dazu legen“, sagt Junginger.
Ein Riesenberg, der nicht zu schaffen ist
Heilsame Gespräch seien in dieser Zeit kaum möglich. Es gebe kaum Menschen, die sie kurz nach dem Tod eines Menschen in ihrer Funktion als Trauerbegleiterin anrufen würden und auch den Seelsorger würden die Trauernden zuerst nicht an sich ran lassen.
Wie ein Riesenberg, der nicht zu schaffen sei, stände der Verlust vor einem. Oft helfe auch, wenn der Verstorbene aufgebahrt sei und man ihn über Weihnachten besuchen könne, wann man wolle. „Ich rate immer, sofort ein Foto aufzustellen, mit dem man reden kann, wenn man mit niemandem anderen reden will.“ Da könne man den Verstorbenen auch anschreien, warum er sich an Weihnachten aus dem Staub gemacht habe.
„Der Trigger für die Trauer kommt jedes Jahr“
Aber nicht nur das Weihnachtsfest, an dem der Angehörige verstorben ist, sei schwer. „Der Trigger für die Trauer kommt jedes Jahr“, sagt Junginger, „wie bei anderen Trauernden auch“. Nur, dass eben das Weihnachtsfest nahe des Todestags sei. „Da braucht es Planung und Struktur, die der Betroffene nur selbst finden kann“, sagt sie. Manche wären künftig gerne alleine an Heiligabend, manche ignorierten das Fest und führen weg, wieder andere planten schon ganz früh, mit wem sie es verbringen und wie. Alleinstehende sollten, so Junginger, früh auf ihr Umfeld zugehen, um Sicherheit auf Gesellschaft zu haben.
„Wer sich in sein Loch verzieht, hat es schwer, dort wieder herauszukommen“, sagt Junginger. Sie gibt die Ratschläge, sich in dieser Zeit viel zu bewegen, in der Natur sein, aber auch sich eine Massage zu gönnen, sei ein gutes Mittel, das in der Trauerarbeit nicht zu unterschätzen sei. „Vor allem wenn ein Lebenspartner gestorben ist, hilft die Berührung und beruhigt die Nerven, da man auf Berührungen des Verstorbenen ja verzichten muss“, sagt sie und weist auf die Verbindung des Wortes berühren als Hautkontakt und demselben Wort als Gefühl hin. Es gebe jedoch kein Allheilmittel, was dem einen in der Trauerbewältigung helfe, sei für den anderen nicht gut.
Man müsse die eigenen Gefühle kennenlernen und beachten. Es gebe Trauernde, die kommen erst Jahre nach dem Tod des Angehörigen in ihre Trauergruppe. „Sie fragen in der Gruppe, ob sie nicht normal seien, weil der Verlust nach Jahren noch schmerze.“ Hier sei das Gespräch mit anderen Trauernden hilfreich und heilsam sei die Erkenntnis, dass Trauer nie weggehe, sich aber verändere und Teil des „normalen“ Lebens werde. Denn die Sehnsucht, das Heimweh zu dem Verstorbenen blieben für immer.
Meike Junginger (60) beschäftigt sich schon seit jungen Jahren mit dem Tod, den sie, wie sie sagt, „wieder in die Gesellschaft zurückholen will“. Als sie sieben Jahre alt war, hatte sie durch den Tod ihrer Großmutter die erste Begegnung mit dem Tod, den sie nicht abstoßend fand, sondern mit dem sie umgehen konnte. „Empathie“ heißt hier das Zauberwort, wenn man mit Trauernden umgehen will“, sagt sie. Von 2009 bis 2011 machte sie eine Ausbildung an der Hochschule für Soziales in Fulda zum Gesundheitspädagogen/-coach. Hier wurde die Gesprächsführung und Trauerarbeit schon intensiv behandelt.
Die eigene Erfahrung mit Trauer- und Abschiedsfeiernbewog sie, 2013 eine Ausbildung zur Freien Trauerrednerin zu machen. Seit 2014 ist sie ehrenamtliche ambulante Hospizbegleiterin in Bönnigheim-Kirchheim/N.-Erligheim. Im selben Jahr rief sie die offenen Trauergruppen ins leben, Einmal im Monat, mittwochs oder samstags bietet sie offene Trauergruppen an. Ohne Anmeldung, unverbindlich können die Trauernden zu einem der zwei Termine in die Sozialstation Bönnigheim kommen. Zudem veranstaltet sie einmal im Monat ein Traueressen sowie Trauerwanderungen. Als Trauerbegleiterin und Trauerrednerin begleitet sie auch Sterbende und setzt sich dann für die Trauer der Zurückbliebenden ein.