Wie war das damals, als der Zweite Weltkrieg in Bönnigheim endete? Die Franzosen einmarschierten, die sich verteidigende Stadt in Flammen stand? Das wollten im Schwäbischen Schnapsmuseum am Sonntag viele aus erster Hand erfahren – am Ende passten die vielen Interessierten fast nicht in den Keller. Sie alle wollten dem Zeitzeugengespräch beiwohnen, das der Museumsleiter Kurt Sartorius mit Käthe Greiner, Walter Hagenlocher, Wilhelm Kölle und Hans Altmann führte. Eine einmalige Chance, durch ihre Erinnerung in die 80 Jahre zurückliegende Zeit zurückzublicken – die seltener wird, weiß Sartorius, der 2012 schon Zeitzeugengespräche führte, zwei Gesprächspartner verstarben seither.
Bönnigheim Vier Zeitzeugen aus Bönnigheim berichten
Im Schwäbischen Schnapsmuseum fand am Sonntag ein Zeitzeugengespräch zum Kriegsende statt. Der Andrang war sehr groß.
Erinnerung an zurückliegende Zeit
Zu erzählen hatten die vier Zeitzeugen am Sonntag viel: Wie sie bei den Jungmädchen war, mit zehn, erinnerte sich Käthe Greiner, und was für ein Spaß das war. „Wir haben eine Uniform gekriegt“, gemeinsame Aktionen wurden veranstaltet, „das hat uns natürlich gefallen“.
Kurz vor ihrem Eintritt in die Partei gerieten sie aber in eine Panzersperre der Alliierten. Nur die Geistesgegenwart der Anführerin, schnell die Abzeichen abzunehmen, sorgte dafür, dass sie nur als „Mitläufer“ eingestuft wurden.
Sie erinnert sich auch noch, wie bei Kriegsende 90 Kirchheimer Männer im „Adler“ von den Alliierten interniert wurden. Eingesperrt im Dach bekamen sie weder Essen noch Trinken. Greiners Schwiegervater organisierte dann Essensspenden der Einwohner. Weil die unterschiedlichen Ortskommandanten sie als mehr oder weniger gefährlich einschätzten und niemand die Verantwortung für ihre Freilassung übernehmen wollte, wurden die Gefangenen in Gewaltmärschen von Ort zu Ort geschickt. Der Zeitzeuge Walter Hagenlocher erinnert sich noch an den roten Schein, als Heilbronn bombardiert wurde und brannte: wie rot der Himmel da war. Genauso war es auch in Bönnigheim. Er berichtete vom Sirenenalarm in der Schule und wie die französischen Soldaten riefen „Wo ist deutscher Soldat?“, wenn sie in die Häuser kamen. Einen jungen Mann nahmen sie aus dem Haus am Ende seiner Straße mit. Auf ihn warteten drei Jahre Kriegsgefangenschaft.
Brand in Bönnigheim
Hagenlochers Vater war 1939 eingezogen worden, kam nach Russland und verblutete dort an einem Bauchschuss. Beim Brand von Bönnigheim rannte sein Großvater zum Rathaus, um zu löschen, aber als er nach Hause kam, brannte sein eigenes Haus ab.
Wo heute der Rewe ist, sei damals alles voll gewesen von Bauschutt und Munition, erzählte er. Der junge Walter, damals sechs Jahre alt, fand eine Panzerfaust. Während sich seine Freunde zurückhielten, war er mutig, spielte damit herum – und löste sie aus. Die Detonation versengte ihm den Hosenboden und riss ihm den Daumen ab. „Das Geld war knapp“, weiß er noch, der Aufbau lag allein bei den Besitzern, Hilfe gab es nicht.
Hans Altmann erinnerte sich, wie die Panzer weiterzogen, als Bönnigheim eingenommen war. Die Truppen quartierten sich dagegen ein, auch in der Wirtschaft seiner Familie. 14 Tage lang hätten sie tun und lassen können, was sie wollten. Der Großvater habe in dieser Zeit seine Tochter im Heu vergraben, um sie vor Übergriffen zu schützen. Zudem seien keine Hühner übrig geblieben, erinnert er sich an die Lebensmittelbeschaffung.
Er selbst, seine Familie und andere, schliefen auf Matratzen im Keller. Bei der Durchsuchung ihres Hauses fanden die Soldaten Schnaps, tranken diesen und drohten dann damit, eine Granate zu ihnen runterzuwerfen. Ein französischer Soldat aus dem Elsass habe davon gehört und seinen Kameraden weggezogen: „Wenn der nicht gewesen wäre, wäre es aus gewesen mit uns“, ist Hans Altmann überzeugt.
In einem Schützengraben fanden er und seine Freunde Munition und schossen im Alter von sechs Jahren Leuchtraketen in den Himmel. Im vollen Saal blickt er zu seinem Enkel, der heute in diesem Alter ist.
Vater musste in den Krieg
Zeitzeuge Wilhelm Kölle war vier, als der Krieg aus war. Obwohl sein Vater eigentlich als Drescher einen systemrelevanten Beruf ausübte, wurde er eingezogen – und kam nicht zurück. Nach seinem Tod hinterließ er der Familie Schulden. Die Mutter stellte nach dem Krieg eine Hilfskraft ein. Zweifelsohne frustriert und brutalisiert, meinte er, dem vaterlosen Sohn Gehorsam beibringen zu müssen. Ab da rannte er von der Schule nach Hause, erinnert sich Kölle, aus Angst vor den brutalen Strafen.
Es waren intensive Erzählungen, die im Keller des Schnapsmuseums mit Aufnahmen der zerstörten Gebäude ringsum unterstrichen wurden. Und damit ist noch nicht genug. Kurt Sartorius plant schon das nächste Zeitzeugengespräch im Rahmen der Ausstellung „Bönnigheim unterm Hakenkreuz“ (die BZ berichtete). Es soll sich um Heimatvertriebene drehen, so Sartorius: „Die Themen gehen nicht aus.“