Wenn die Temperaturen steigen, kann die Hitze auch schon mal unerträglich werden. Viele setzen dann auf kühlende Kleidung, wenn man keine Möglichkeit hat, ins Freibad zu gehen oder sich in klimatisierten Räumen aufzuhalten. Doch was ist denn nun die passende Kleidung, um sich richtig abzukühlen?
Bönnigheim Welche Kleidung kühlt am besten?
Dr. Jan Beringer vom Hohenstein-Institut in Bönnigheim gibt Tipps, was man im Sommer tragen sollte. Er erklärt außerdem, weshalb der Schweiß unbedingt auf der Haut bleiben sollte.
Die einen schwören auf weite Leinenkleidung, andere fühlen sich in Baumwolle wohler, wieder andere schwören auf Wolle-Seide-Stoffe. Die BZ hat sich mit dem Textilexperten Dr. Jan Beringer vom vom unabhängigen Prüfdienstleister Hohenstein in Bönnigheim unterhalten. In den Hohenstein-Laboren wird unter anderem die Kühlleistung von Textilien bestimmt. Daher ist Beringer der richtige Ansprechpartner, wenn es um die Frage geht: Welche Kleidung kühlt denn nun am besten?
Schwitzen ist die Klimaanlage des Körpers
„Der gesunde Mensch hat eine konstante Körpertemperatur von 36,9 bis 37 Grad. Wenn sich diese Temperatur erhöht, funktionieren wir nicht mehr so richtig“, erklärt der studierte Chemiker. Vor allem bei extrem hohen Körpertemperaturen kann es sogar dazu kommen, dass die Organe nicht mehr richtig arbeiten. Deshalb versucht der Körper, auch sich selbst durch Schwitzen herunterzukühlen. „Schwitzen ist die effektive Klimaanlage des Körpers. Doch um herunterzukühlen, muss der Schweiß auch verdunsten können“, betont der 52-Jährige. Das funktioniere nicht mit allen Stoffen. Polyester sei die beste Faser, um Schweiß gut verdunsten zu lassen und somit den Körper effektiv herunterzukühlen.
„Baumwolle ist als Alltagsbegleitung bei moderaten Temperaturen top, doch wenn es immer wärmer wird, muss man sich entsprechend kleiden und da braucht es Stoffe, die eine geringe Wärmeisolation und hohe Verdunstungskühlleistung haben“, so Beringer. Wie gut die Kühlungsleistung eines Kleidungsstücks ist, wird bei Hohenstein mit dem selbstentwickelten Messgerät „WATson“ bestimmt. Die ermittelten Werte kann der Hersteller dann zum Beispiel nutzen, um das Kleidungsstück entsprechend zu bewerben oder um die Materialzusammensetzung und andere Produkteigenschaften gezielt zu verbessern.
Auch weite und luftige Kleidungsstücke können eher hinderlich sein, denn wenn der Stoff den Schweiß aufnimmt und somit auf der Haut dann keine Verdunstung stattfindet, kann die Körpertemperatur bei großer Hitze schnell steigen. Deshalb empfiehlt Beringer bei Polyesterkleidung auch, dass man sie tragen soll wie Fußballer als „Baselayer“ im Leistungssport – eng anliegend. Dadurch verdunstet der Schweiß im Textil mit direktem Hautkontakt und kühlt den Körper bei der Verdunstung effektiv ab. „Wer nicht so stark schwitzt, kann sich auch mal das Oberteil im Nacken oder Rücken nassmachen, das hilft auch sehr gut“, erklärt der Hohenstein-Wissenschaftler.
Denn Omas gute, alte Kochwäsche hilft
Nun denken viele wahrscheinlich: Polyester und Schweiß? Das müffelt doch. Auch da weiß der Fachmann einen Rat: „Das Problem liegt an unserem Waschverhalten. Ich verweise da immer auf die gute, alte Kochwäsche, die es auch schon zu Omas Zeiten gab.“
Grund für den Geruch sind nämlich Bakterien, die den Schweiß verstoffwechseln. Diese Geruchssubstanzen und Polyester mögen sich sehr. Die Polymerketten des Polyester, in denen der Geruch fest gebunden ist, „öffnen“ sich erst ab circa 60 bis 70 Grad und damit können die Geruchsmoleküle die Kleidung wieder verlassen. Erst dann werde man den Geruch sicher los. „Da braucht es dann auch kein besonderes Sportwaschmittel.“
Es gibt auch Polyesterstoffe, die mit Bioziden wie zum Beispiel Silberverbindungen versetzt sind, diese können Bakterien direkt abtöten, sodass der Geruch gar nicht erst entsteht. „Aber mit der Zeit wäscht sich so etwas eben auch heraus, wie bei vielen anderen Ausrüstungen auf Textilien auch.“ Spezielle Kleidung zur Moskitoabwehr beispielsweise hält meist nur einige Wäschen, danach ist das Moskitorepellent eben auch verschwunden. „Ein besonders effektives Moskitorepellent für Kleidung gibt es tatsächlich. Das ist Permitrin. Das ist allerdings nur für das Militär zugelassen und für den normalen Verbraucher verboten.“ Lange Kleidungsstücke und kosmetische Repellents, die man direkt auf die Haut auftrage, seien dann die passenden Mittel der Wahl, so Beringer.
UV-Schutz auch bei nasser Kleidung
Doch nicht nur Kühlung ist im Sommer wichtig, auch der UV-Schutz spielt eine wichtige Rolle bei der Kleiderwahl. „Auch hier ist Baumwolle als Material wieder eher schlecht, denn wenn ein weißes Baumwollshirt nass wird, wird es durchsichtig und bietet keinerlei UV-Schutz mehr.“ Auch hier ist also der Polyesterstoff wieder deutlich im Vorteil. Hohenstein hat mit dem UV-Standard 801 eine praxisorientierte Prüfmethode entwickelt, die es erlaubt, den Sonnenschutzfaktor von Textilien (UPF – Ultraviolet Protection Factor) unter Gebrauchsbedingungen zu bewerten. Dabei werden Kleidungsstücke beispielsweise in nassem oder gedehntem Zustand geprüft und bieten dadurch einen verlässlichen Schutz vor UV-Strahlen.
Wenn Jan Beringer im Sommer mit dem Rasenmäher im Garten unterwegs ist, trägt er ein eng anliegendes Polyestershirt für die Kühlung. „Nach der Nutzung immer erst trocknen lassen, bevor es in den Wäschekorb kommt“, so der Tipp des Experten.
Bei seiner Arbeit kommt Beringer jedoch im Sommer eigentlich nicht ins Schwitzen: „Wenn es draußen warm ist, testen wir die Wintertextilien für die kommende Saison. Unsere Klimakammer kann auch bis zu minus 30 Grad heruntergekühlt werden“, verrät der Hohenstein-Experte.