Bönnigheim ist die einzige Stadt in Deutschland, die ihren Ganerben alle zwei Jahren ein eigenes Fest ausrichtet – das Ganerbenfest. Kurt Sartorius, der „Oberganerbe“ wie Bürgermeister Albrecht Dautel den Vorsitzender den der Historischen Gesellschaft nannte, weiß, was es im Mittelalter damit auf sich hatte. Er erzählte davon beim Auftakt am frühen Samstagabend: „Ganerbschaften entstanden durch die gleichzeitige Berufung mehrerer friedlich kooperierender Miterben“, sagte er: „So lief damals die Familienpolitik im Mittelalter.“
Bönnigheimer Ganerbenfest Als vier Adelige gemeinsam regierten
Mit dem Ganerbenfest wird in der Stadt alle zwei Jahre das friedvolle Miteinander von vier adeligen Erben gefeiert Zum 23. Fest mit großem Sternlauf kamen zahlreiche Besucher.
Fahnenträger ziehen voran
Auf dem Marktplatz wimmelte es am Samstag von Menschen. Aus allen vier Himmelsrichtungen zogen beim Sternlauf Menschengruppen durch die Stadt. Jede wurde von einem Fahnenträger der vier Ganerben angeführt, die jeweils die Wappen von Gemmingen, Neipperg, Liebenstein und Sachsenheim hochhielten. Symbolisch marschierten die Erben ein, um Bönnigheim gemeinsam zu verwalten.
Den Fahnenträgern folgten beim Festumzug zahlreiche Kinder und Jugendliche aus den verschiedenen Vereinen. Musizierend näherte sich etwa das kleine Orchester des Bönnigheimer Musikvereins dem Marktplatz. Die Stadtkapelle ließ dort ebenfalls Festmusik hören, bevor Bürgermeister Dautel zum Mikrofon griff und das Traditionsfest offiziell eröffnet.
Jeder Ganerbe startete mit seinem Gefolge. Kurt Sartorius mimte den Gemminger Adeligen und zeigte auf das Gemminger Amtshaus gegenüber der Cyriakuskirche. Die Neipperger liefen vom Köllesturm aus zum Marktplatz, von der Ganerbenburg herunter kamen die Sachsenheimer Ganerben. Vom Stadionschen Schloss herauf nährte sich der Liebensteiner Tross dem Marktplatz, beschrieb Sartorius den Sternlauf.
Beim zweitägigen Traditionsfest waren auch die „Chorwürmer“ dabei, die Minis aus dem Gesangverein. Um die Gäste aus den Bönnigheimer Partnerstädten würdevoll begrüßen zu können, wurden deren Fahnen aufgehängt. „Die Ruoffacher brauchen aus Ungarn zehn Stunden, um nach Bönnigheim zu können“, sagte Bürgermeister Dautel. Auch die aus aus Neukirch in Sachsen stammenden Besucher ließen es sich nicht nehmen, am Fest teilzunehmen.
An Adelige verpachtet
„Es gibt keine andere Stadt mehr in Deutschland, die noch ein Ganerbenfest feiert“, betonte Satorius. Im 13. Jahrhundert war der Erzbischof von Mainz der Stadtherr von Bönnigheim. Doch der Ort war zu weit weg für ihn, um ihn selbst zu verwalten. Deshalb gab er es zum Lehen. „Heute würde man sagen: Er hat es verpachtet an verschiedene Adelsfamilien“, sagte Sartorius. So entstand das Ganerbiat. „In Bönnigheim hielt das fast 400 Jahre“, sagte er. Dem Ganerbenbrunnen auf dem Marktplatz kommt deshalb besondere Bedeutung zu. „Ursprünglich war der Besitz nicht so streng verteilt“, erklärte Sartorius. Manchmal sei ein Bürger von einem Stadtteil zum nächsten Ganerben gezogen, um Steuerflucht zu begehen. Das habe Streit mit sich gebracht. 1717 seien daraufhin klare Linien zwischen den verschiedenen Stadtteilen gezogen worden.
Musik auf fünf Bühnen
Dem Besucher von heute konnten die Grenzen von damals egal sein. Ausgelassen nahm das Ganerbenfest seinen Lauf – zum 23. Mal. „Unsere Tochter spielt hier im Orchester. Klar kommen wir bei jedem Wetter“, sagte Besucherin Carina Kornherr.
Aus der friedlichen Koexistenz der vier Ganerben von damals ist heute eine Gemeinschaft gewachsen – was sich beim Fest auch an den vielen Freiwilligen zeigte. Trotz der sommerlichen Temperaturen fehlte es nicht an Helfern, die am heißen Grill standen oder Getränke ausschenkten. Durch ihr breites Angebot zogen die Stände auch in diesem Jahr wieder zahlreiche Besucherinnen und Besucher an.
Stadtführer nahmen Neugierige gerne mit auf eine Reise durch das alte Bönnigheim. Daniel Seybold mimte den Nachtwächter von Anno dazumal. Und am Abend luden Musiker auf gleich fünf Bühnen das Publikum zum Feiern und Tanzen ein.