BSZ Bietigheim-Bissingen Mehrheit der Schüler lehnt das Kleben fürs Klima ab

Von Uwe Mollenkopf
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Fabian Gramling (CDU), Schulleiter Stefan Ranzinger und Noemi Mundhaas von der Organisation „Letzte Generation“ (von links) beim Streitgespräch im Berufsschulzentrum. Foto: /Oliver Bürkle

Im Beruflichen Schulzentrum Bietigheim-Bissingen diskutierten Noemi Mundhaas von der „Letzten Generation“ und der Abgeordnete Fabian Gramling (CDU) über die Klebe-Aktionen der Letzten Generation und welche Maßnahmen für das Klima machbar und sinnvoll sind.

Das Interieur war schon passend gewählt: Auf den Tischen der Diskutanten standen Kakteen – sinnbildlich für Dürre –, im Hintergrund zeigten Farben die Entwicklung der Jahresmitteltemperaturen in Baden-Württemberg, und per Beamter tickte die Co2-Uhr. Am Beruflichen Schulzentrum in Bietigheim-Bissingen wurde am Montag über Klimaschutz diskutiert, und dazu hatte Schulleiter Stefan Ranzinger mit Noemi Mundhaas eine Vertreterin der radikalen „Letzten Generation“ geladen, um sich mit dem CDU-Bundestagsabgeordneten für den Wahlkreis Neckar-Zaber, Fabian Gramling, vor rund 300 Schülern in der Aula ein Streitgespräch zu liefern.

Provozierende Aktionen

Es gehe darum, aufzuzeigen, was in den Köpfen der „Aktivisten“ vor sich gehe, die seit gut einem Jahr mit „provozierenden und rechtlich fragwürdigen“ Aktionen auf ihr Anliegen aufmerksam machten, sagte Ranzinger, der das Gespräch moderierte, einleitend. Von Verkehrsblockaden bis hin zum Beschmieren von Gemälden oder dem Denkmal „Grundgesetz 49“ in Berlin. Mundhaas (28) stellte Ranzinger als Einser-Abiturientin aus Konstanz vor, die am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung studiert und nach Tätigkeit für „Fridays-for-Future“ seit Januar 2022 bei der „Letzten Generation“ ist. Gramling (35), der im Ausschuss für Klimaschutz und Energie des Bundestages mitwirkt, wurde laut Ranzinger stellvertretend für „die politische Klasse“ eingeladen.

„Wir haben keine Zeit mehr“, begründete Mundhaas ihre Mitwirkung in der Organisation, deren Mitglieder aufgrund ihrer Aktionen auch als „Klima-Kleber“ bezeichnet werden. Bereits seit 2018 setze sie alle Kraft ein, „um die Klimakatastrophe zu verhindern“. Es gelte, zur Erreichung dieses Zieles „zivilen Widerstand“ zu leisten. Wenn bestimmte „Kipppunkte“ erreicht seien, sei das „das Todesurteil für Milliarden Menschen“, malte sie ein apokalyptisches Szenario.

In Handschellen abgeführt

Sie gestand, nachts vor einer Aktion schon mal nicht schlafen zu können, unter anderem aus Angst, angefahren zu werden. Aber mehr Angst habe sie vor den Gefahren der „Klimakrise“ wie zum Beispiel Überflutungen oder Dürre. Dafür nehme sie in Kauf, von der Polizei „teilweise mit Schmerzgriffen“ abgeführt zu werden, bei ihrer ersten „Klebe-Aktion“ in Handschellen. Der Aufenthalt in einer Einzelzelle sei „kein schönes Erlebnis“, so Mundhaas auf eine Frage des Moderators. Die Kernforderungen der „Letzten Generation“ sind ein Tempolimit von 100 Stundenkilometern auf deutschen Autobahnen, ein Neun-Euro-Ticket fürs Bahnfahren und ein sogenannter „Gesellschaftsrat“, der Maßnahmen erarbeiten soll, wie Deutschland bis 2030 emissionsfrei wird. Die Bundesregierung solle öffentlich zusagen, die mit den erarbeiteten Maßnahmen dieses „Nebenparlaments“ (Ranzinger) verbundenen Gesetzesvorhaben in den Bundestag einzubringen, erläuterte Mundhaas.

Die Aktivistin, die erklärte, sich sonst immer an die Regeln zu halten, wurde für zwei Mal Nötigung (bei Autoblockaden) bereits vom Gericht zu 40 Tagessätzen à 20 Euro verurteilt. Sie hat dagegen jedoch Berufung eingelegt. Denn es gebe einen „gerechtfertigten Notstand“, erfuhren die Zuhörer in der Aula. Die Aktionen seien nötig, um zu erreichen, dass über das Thema diskutiert werde.

Gramling hielt dem entgegen, das „richtige Anliegen“ des Klimaschutzes verliere durch die Maßnahmen der „Letzten Generation“, die er „schlecht und falsch“ finde, die Akzeptanz in der Bevölkerung. Es gehe aus seiner Sicht darum, sich mit modernen Technologien für Klima- und Umweltschutz einzusetzen. „Mit Verboten werden wir keine Nachahmer finden.“ Deutschland allein könne die Welt nicht retten, während beispielsweise China über 200 neue Kohlekraftwerke plane, sagte Gramling in dem Streitgespräch, das im Großen und Ganzen sachlich verlief.

Umfrage unter Schülern

Der CDU-Abgeordnete verwies auf Umfragen, wonach 80 bis 90 Prozent der Menschen die Aktionen der „Klima-Kleber“ falsch finden. Dass das auch eine Mehrheit der Schüler des Beruflichen Schulzentrums so sieht, zeigte eine Umfrage, die im Vorfeld des Streitgesprächs durchgeführt worden war. Demnach finden 78 Prozent der Befragten das Festkleben für den Klimaschutz falsch. Genauso viele befürworten es aber auch, mehr Druck auf die Politik auszuüben, und 82 Prozent beklagten, dass die Politik zu langsam reagiere.

Letzteres war auch der Tenor in den Äußerungen von Noemi Mundhaas. Auf den Hinweis von Fabian Gramling, ob sie dann zur Verringerung des CO2-Ausstoßes durch Kohlekraftwerke auch für die Beibehaltung der Atomkraft als einer klimaneutralen Technologie sei, reagierte sie indes ablehnend. Das sei die Wahl zwischen Pest und Cholera.

 
 
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