Bürgermeistergespräch: OB Knecht aus Ludwigsburg „Ein Jahr, in dem man sich beweisen konnte“

Von Heidi Falk
Ludwigsburgs OB Dr. Matthias Knecht an seinem Schreibtisch. Foto: /Oliver Bürkle

Im Interview mit der BZ berichtet Matthias Knecht unter anderem, warum er trotz des Krisenmodus, der derzeit herrscht, gern Oberbürgermeister von Ludwigsburg ist.

Das Jahr 2024 war für viele Kommunen kein einfaches. Auch Ludwigsburg hatte vor allem finanziell zu kämpfen. Warum er trotzdem positiv in die Zukunft blickt und die Freude am Verwalten der Barockstadt nicht verloren hat, erzählt Oberbürgermeister Dr. Matthias Knecht im BZ-Interview.

Herr Knecht, wenn Sie das vergangene Jahr mit einem Wort beschreiben müssten, welches wäre das?

Matthias Knecht: Komplex. Oder vielschichtig. Aber auf eine besondere Weise auch erfüllend.

Es war ein Jahr voller Diskussionen, ein Jahr voller finanzieller Engpässe.

Ich würde sagen, es war ein Jahr, in dem man sich beweisen konnte. Und ja, das ist natürlich auch gesellschaftlich eine große Herausforderung. Nehmen wir die Debatte um die Gewerbesteuer. Eine Erhöhung ist im Jahr zuvor gescheitert. Dieses Jahr haben wir noch mehr Gespräche geführt – mit dem Gemeinderat, der Wirtschaft, mit Menschen, die auf die Stadt blicken. Es wurde erkannt, dass die Erträge perspektivisch fehlen würden und eben nicht in Kultur, in Sport, in Bildung und in Infrastruktur investiert werden könnten. Es braucht die Gewerbesteuererhöhung. Gleichzeitig dürfen aber auch die Unternehmen nicht überfordert werden. Diese wiederum werden zumeist durch die Grundsteuerreform entlastet, die wir im Ergebnis aufkommensneutral umzusetzen hatten.

Diskussionen gab es auch mit den Bürgerinnen und Bürgern. Etwa über die Flüchtlingsunterkunft Hoheneck.

Ich fand diese Nähe, dieses Ungefilterte, das mit den Menschen wirklich gut ins Gespräch kommen, sehr bereichernd. Natürlich auch herausfordernd. Am Ende aber – und das ist genau das, warum mir der Beruf so unheimlich Spaß macht – kommt man durch das Gespräch zu einer gemeinsamen Lösung. Die gefällt vielleicht nicht jedem, aber es ist ein Verständnis da. Dieser Moment ist für den sozialen Zusammenhalt und für die Akzeptanz von Politik und Entscheidungen in der Politik wichtig. Diesen Moment müssen wir immer wieder herstellen – in Ludwigsburg, in Baden-Württemberg, bundesweit. Sonst driftet die Bevölkerung weg von den gesellschaftlichen Entscheidungsprozessen.

Glauben Sie, dass die Bürger in Hoheneck es so sehen? Dass es passt?

So weit würde ich nicht gehen. Da wäre ich naiv. Ich glaube, dass es mehr Menschen sind, die die Entscheidung akzeptieren als vorher. Alle sind das sicher nicht. Es gibt Betroffene, die direkt an der geplanten Unterkunft wohnen. Ich verstehe, dass diese Menschen nicht begeistert sind. Deswegen muss man nicht ausländerfeindlich sein, überhaupt nicht. Es ist einfach die schiere Zahl. Noch läuft die baurechtliche Prüfung. Noch ist das Vorhaben nicht final genehmigt.

Ludwigsburg schreibt rote Zahlen. Im Haushalt fehlen trotz Sparmaßnahmen 21,4 Millionen Euro. Was bedeutet das für die Zukunft?

Mein großes Sorgenkind ist der Bereich Bildung und Betreuung. Die Finanzierung durch Bund und Land ist desaströs. Etwa bei den Kitakosten.

Die Stadt schießt jährlich etwa 50 Millionen Euro für die Kinderbetreuung zu. Das Land übernimmt 40 Prozent, die Eltern 12 bis 13 – und den Rest die Stadt. Dabei geht es um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die unsere Gesellschaft in den nächsten Jahren prägen wird. In der Zuschusslandschaft ist das aber nicht zu erkennen.

Gleiches gilt für den Bau von Kitas. Uns fehlt der Baukostenzuschuss vom Bund. Wir werden von Bund und Land finanziell alleine gelassen. Zeitgleich soll die Stadt aber sparen. Da kommen wir in die Unmöglichkeit – und das geht nicht nur uns so. Bund und Land reden von der Schuldenbremse und übergeben die Verantwortung an die Kommunen. Da ist etwas grundsätzlich aus dem Gleichgewicht geraten.

Wie passt der 200 Millionen Euro teure Neubau des Bildungszentrum West in diese Geldknappheit?

Das ist schon ein Statement, ein Zeichen für Bildung. Mir ist Bildung das wichtigste Anliegen für unsere Gesellschaft. Bildung ist die Zukunft und deshalb lohnt sich da jeder Cent. Aber ja, 199,4 Millionen, das ist schon ein Wort. Ich würde es aber wieder so entscheiden. Das BZW ist schadstoffbelastet, wir wären nicht umhingekommen, etwas zu unternehmen. Jetzt weitere Schleifen zu drehen, um Standards zu reduzieren, das hätte nur Zeit gekostet und die Kosten weiter nach oben getrieben. Wir hätten immer weniger für das gleiche Geld bekommen.

Wie ist das für Sie, an der Spitze einer Stadt zu stehen, die kein Geld mehr hat. Macht das noch Spaß?

Ja, aber die Arbeit ändert sich natürlich. Seien wir ehrlich: Es geht nicht nur uns so. Es gibt eine Statistik, die zeigt, dass 2023 noch über 80 Prozent aller baden-württembergischen Haushalte im Lot waren; unter 20 Prozent waren überzogen. Das hat sich umgedreht. Damit müssen wir umgehen. Es ist auch eine Chance, sich auf das zu konzentrieren, was für unsere Gesellschaft wichtig ist. Gleichzeitig ist das aber auch ein Treiber für die Modernisierung, für strukturelle Veränderungen, für Digitalisierung – auch innerhalb einer Verwaltung. Im Krisenmodus kann man beweisen, dass auch schnell richtige Entscheidungen getroffen werden können. Wir müssen Stadt mehr vom Bürger aus denken. Das ist etwas sehr Erfüllendes, dazu braucht man keine Millionen.

Und das Negative an der Geldnot?

Wir müssen schauen, wie wir die Institutionen und Vereine in den Bereichen Kultur und Sport erhalten. Da muss etwas passieren, im Sinne des neuen Förderkonzepts, das wir 2025 vorstellen werden. Wer Jugend fördert, wird von der Stadt weiterhin im vollen Umfang unterstützt. Manches Angebot muss hinterfragt, manches muss teurer werden. Kooperationen und Fusionen sind nötig. Jetzt sind Ideenreichtum, Mut, Flexibilität, Kreativität gefragt. Und, im Dialog zu bleiben. Das hat nichts mit Geringschätzung zu tun, sondern mit finanzieller Notwendigkeit.

Was waren Ihre Highlights 2024?

Ein großartiger Moment war für mich als über 7000 Menschen auf dem Rathaushof im Februar für Demokratie und Vielfalt demonstriert haben. Ich freue mich auch, dass die Bietigheimer Handball-Frauen nun bei uns als HB Ludwigsburg spielen. Und mein persönliches Highlight war das Abschiedskonzert der Brenz Band, ein herausragendes Inklusionsprojekt, im Scala. Zum Glück mit der Zusage, als Rentnerband weiterzumachen.

Wie stehen Sie zur Stadtbahn?

Ludwigsburg steht zu dem im Juli 2022 gefundenen Entscheidungen. Wir glauben an das Modell Stadtbahn in Kombination mit Bussen und vielleicht auch autonomem Fahren. Das Problem ist aber: Wir geraten an finanzielle Grenzen. Das betrifft nicht nur Ludwigsburg, sondern auch den Kreis. Deswegen muss man klare Entscheidungen treffen, ob es weiter geht oder nicht. Dafür brauchen wir die Kosten-Nutzen-Analyse und das je schneller desto besser. Vor den Haushaltsberatungen im November 2025 für 2026 muss klar sein, ob die Stadtbahn finanzierbar ist oder nicht. Jetzt müssen die nächsten Schritte sitzen. Mein Geduldsfaden reißt noch nicht, aber er wird dünner.

Glauben Sie, Michael Ilk als neuer Geschäftsführer des Zweckverbands Stadtbahn ist der Richtige dafür?

Ich kenne ihn als Bürgermeister und Kollegen. Ich weiß, dass er ein Fachmann ist für das Thema. Ich glaube, dass er mehr bewirken kann als manche denken.

Vielen Dank für das Gespräch.

 
 
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