BZ-Aktion „Das ist eine große Chance“

Von Rena Weiss
Dr. Jens-Paul Seldte legt seiner ehemaligen Patientin Bianca Häußler das Kopfhaut-Kühlsystem an.⇥ Foto: Martin Kalb

Seit März hat das Bietigheimer Krankenhaus ein Kopfhaut-Kühlssystem, das den bei einer Chemo entstandenen Haarausfall verringert. Bianca Häußler half dies ihre Krebserkrankung zu verarbeiten.

Durch eine Chemotherapie fallen dem Patienten die Haare aus. Diese Nebenwirkung einer der wohl bekanntesten Therapieformen von Krebserkrankungen ist weitläufig bekannt. Der Grund dafür sind die eingesetzten Medikamente, die Haarwurzeln, Hautzellen, Schleimhautzellen und Blutzellen schädigen. Doch der Verlust von Kopfhaaren trage das Stigma Krankheit, sagt Dr. Jens-Paul Seldte, Ärztlicher Direktor der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe am Krankenhaus Bietigheim-Bissingen. „Nun aber können die Patienten in Bietigheim diese Behandlung mit weniger Belastung durchlaufen“, sagt der Arzt. Denn seit März gibt es ein Kopfhaut-Kühlungssystem im Bietigheimer Krankenhaus. Die BZ-Aktion Menschen in Not finanzierte das Gerät, das den Haarausfall verringern soll. Die BZ hat nun mit einer ehemaligen Brustkrebs-Patientin darüber gesprochen.

Den Krebs besiegen

„Nächstes Jahr im Mai wäre ich eigentlich geheilt“, sagt Bianca Häußler, die ihre erste Brustkrebsdiagnose 2014 erhielt. Da war sie 30 Jahre alt. Damals musste sie über sich „das Komplettprogramm“ ergehen lassen, wie sie die Kombination aus Operation, Bestrahlung, Chemotherapie und Antihormontherapie nennt. „Es war ein Schock“, sagt Häußler, „es hat mir den Boden unter den Füßen weggerissen.“ Es folgte eine emotionale Achterbahnfahrt. Bei jeder Untersuchung hoffte sie, auf gute Ergebnisse. „Das Schlimmste war die Warterei.“ Doch irgendwann wollte sie die Therapie beginnen, erzählt Häußler. Sie hatte das Ziel, den Krebs zu besiegen.

Und es gelang ihr bis 2019. Im März dieses Jahres kam der Krebs zurück. „Es war wieder ein Schock. Ich dachte, ich habe alles besiegt.“ Sie fragte sich, was sie die viereinhalb Jahre falsch gemacht habe. „Diese Bedenken kann man ihr zu 100 Prozent nehmen“, sagt die Funktionsoberärztin Vera Schilling-Tamba, die Bianca Häußler gemeinsam mit Jens-Paul Seldte behandelte. Neben der körperlichen Belastung ist eine Krebserkrankung auch eine seelische Belastung, erklärt Häußler.

So auch die Chemotherapie und deren Nebenwirkungen. Bei ihrer ersten Krebsbehandlung hatte das Bietigheimer Krankenhaus noch kein Kopfhaut-Kühlungssystem und Häußler sind sogar die Fingernägel abgegangen. „Ich konnte mich nicht im Spiegel anschauen“, sagt die 35-Jährige über ihre erste Krebserkrankung, bei der sie fast all ihre Haare verlor. Doch dieses Jahr war das nicht so. „Es war psychisch weniger belastend“, beschreibt sie den zusätzlichen Nutzen des Kühlungssystems. Zwar könne das Gerät einen Haarausfall nicht gänzlich verhindern, aber es fallen deutlich weniger Haare aus. „So konnte ich es eher verarbeiten.“

Das Paxman Kopfhaut-Kühlungssystem, das in Bietigheim genutzt wird, hat zwei Kühlhauben für den Kopf. Während der Chemotherapie wird die Kopfhaut dabei konstant auf 19 Grad Celsius heruntergekühlt. Dadurch verlangsamt sich die Durchblutung der gekühlten Körperstelle und so können auch weniger Zellen absterben. Ähnlich verhält es sich beispielsweise bei kühlenden Fäustlingen und Socken, die viele Patienten während der Chemo tragen. „Auch hier gibt es mittlerweile Geräte, die diese Körperteile herunterkühlen“, sagt Seldte, „denn wichtig ist es, die Temperatur konstant zu halten.“ Das können beispielsweise kalte Kompressen nicht. Damit die Kühlhauben besser funktionieren, werden die Haare nass gemacht. Manche Patienten verharren so vier bis fünf Stunden. „Am Anfang hat es sich wie Nadelstiche angefühlt“, beschreibt es Häußler. Deswegen erhalten die Patienten Schmerzmittel wie Paracetamol und Ibuprofen. „Nicht alle wollen das Gerät nutzen“, sagt Schilling-Tamba, aber die meisten. „Ich wollte es sofort ausprobieren. Das war eine große Chance, einen Lichtblick zu haben“, sagt indes Häußler.

Bis Mitte Juli musste sie insgesamt sechs Chemotermine von rund zwei bis drei Stunden über sich ergehen lassen. Dabei erinnert sie sich an einen Termin im Hochsommer. „Für mich wurde extra die Klimaanlage ausgemacht, weil ich mit Handschuhen, Füßlingen, Haube und Decke da saß“, sagt sie lachend, denn eine Sache sei bei ihrer Krebsbehandlung enorm wichtig gewesen: positiv zu bleiben. „Es braucht Zeit, eine Chemo zu verarbeiten.“ Die Mittel gehen auch aufs Gemüt, Gedächtnisprobleme und Stimmungsschwankungen bleiben nicht aus. „Letzteres hatte ich nicht so. Ich lache immer.“ Im Moment ist Bianca Häußler krebsfrei und geht seit Oktober wieder arbeiten. Für sie steht vor allem fest: „Der Krebs soll nicht das Thema Nr. 1 sein. Ich schaue nach vorne.“

 
 
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