BZ-Aktion Menschen in Not Die Not hat viele Gesichter und viele Geschichten

Von knz
„Wir danken allen Spenderinnen und Spendern sehr herzlich, die diese Aktion tatkräftig und vertrauensvoll unterstützen. Sie helfen uns zu helfen“, so Andrea Magenau für das ganze Team der Diakonischen Bezirksstelle.  Foto: /Diakonische Bezirksstelle

Andrea Magenau, Sozialdiakonin und Geschäftsführerin der Diakonischen Bezirksstelle Vaihingen, berichtet, warum die Spendengelder der BZ-Aktion wichtig sind.

Menschen in Not versuchen oft ihre Schwierigkeiten nicht nach außen sichtbar werden zu lassen und möglichst lange ihren Alltag aufrecht zu erhalten“, sagt Andrea Magenau, Sozialdiakonin und Geschäftsführerin der Diakonischen Bezirksstelle Vaihingen. Wie sieht die Lebenswelt von Menschen am Rande der Gesellschaft wirklich aus? Wie erleben sie ihren Alltag? Was sind die Probleme von Menschen, die an der Armutsgrenze oder darunter leben? Wie kommen Menschen in so große Nöte, dass der Alltag nicht mehr funktioniert? Diese Fragen beantwortet sie in einer Bilanz des vergangenen Jahres.

Perspektiven aufzeigen

Andrea Magenau sowie ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kennen die viele Lebensgeschichten und die Lebenswelten von Menschen in Not. „Seit vielen Jahren betreuen und beraten wir Familien und Personen, die aus den unterschiedlichsten Gründen in Not geraten sind. Die Bekämpfung von Armut ist eine unserer wichtigsten Aufgaben – politisch, aber zu allererst menschlich. Durch tätige Hilfe und Beratung. Unser Ziel ist es dabei, möglichst nachhaltige Hilfe zu leisten. Not nicht zu verwalten, sondern Auswege und Perspektiven aufzuzeigen“, erklärt Magenau.

Doch die Lebensbedingungen werden durch die aktuellen Krisen immer widriger. „Sozialleistungen decken oftmals nicht mehr den täglichen Bedarf. Was an Miete, Strom oder Kosten für eine defekte Waschmaschine fehlt, muss am Essen abgespart werden“, so Magenau. „Alles wird teurer. Das Existenzminimum ist häufig nicht mehr gedeckt. Betroffene leben von der Hand in den Mund. Und wenn dann die kleinste Kleinigkeit kommt, bricht alles zusammen.“

Rente reicht nicht mehr aus

Die Geschäftsführerin der Diakonischen Bezirksstelle Vaihingen berichten von zwei Beispielen: Frau A. hat lange gezögert, bevor sie einen Termin in der Sozialberatung vereinbart hat. Ein Mahnschreiben, das sie erhalten hat, gab dann den Ausschlag. Sie wusste nicht mehr weiter, brauchte Informationen, was sie tun kann. Denn sie spürte: So kann es nicht mehr weitergehen. Frau A. ist 69 Jahre alt und Rentnerin, bereits seit vielen Jahren geschieden. Ihre Kinder sind längst erwachsen. Bis vor zwei Jahren hatte sie noch einen Nebenjob, zusätzlich zur Rente. Aber gesundheitlich ging es dann nicht mehr. Und seitdem ist alles immer schwieriger geworden. Ihre Rente reicht einfach nicht mehr aus, um die Kosten des täglichen Lebens zu decken. Die wenigen Rücklagen sind aufgebraucht.

Bittere Klarheit

Ein Haushaltsplan im Beratungsgespräch bringt bittere Klarheit: Einsparen kann sie nichts mehr. Sie hat ihre Ausgaben schon auf das Nötigste reduziert. Die Rente reicht gerade aus, um die laufenden Fixkosten zu decken. Für die Kosten des täglichen Lebens, wie Essen, Trinken oder Kleidung, bleibt aber rechnerisch fast nichts mehr übrig. Ein Wunder, dass Frau A. es geschafft hat, so lange dieses Missverhältnis auszuhalten und – mehr schlecht als recht – es irgendwie hinzukommen.

Scham vor den Kindern

Eine weitere Berechnung zeigt: Frau A. hat Anspruch auf Sozialleistungen. Sie zögert, hat gehört, dass das Einkommen ihrer Kinder vom Amt überprüft wird, wenn sie einen Antrag stellt. Das möchte sie nicht, schämt sich. Die Kinder kennen ihre Notlage nicht. Frau A. hat das alles immer mit sich selbst ausgemacht. Frau A. erhält als erste Hilfe einen Lebensmittelgutschein, damit sie wieder versorgt ist. Es dauert noch einige Gespräche, bis Frau A. einen Antrag beim Sozialamt stellen und mit ihren Kindern über ihre finanzielle Situation reden kann. Sie erhält auch eine Tafel-Kundenkarte. Dort kann sie günstig Lebensmittel einkaufen. In der Second Hand Kleiderkammer konnte sie schon eine Winterjacke für sich finden. „Es war kein leichter Weg für Frau A.“, sagt Frau Magenau, „aber durch diese verschiedenen Hilfen haben sich ihr wieder Perspektiven eröffnet, die ihr Leben einfacher machen.

Kurzarbeit ist der Auslöser

Frau M. ist 40 Jahre alt, verheiratet und hat drei Kinder. Der Mann arbeitet als Monteur oft im Ausland. Bisher verdiente er dadurch ganz gut. Aber nun hat die Firma Kurzarbeit angemeldet. Plötzlich steht der Familie viel weniger Geld zur Verfügung. Frau M. meldet sich, weil sie die Miete und den Stromabschlag nicht mehr zahlen konnte, die ersten Mahnungen ankommen. Sie ist verzweifelt, weil das Geld einfach nicht reicht und nun auch noch Weihnachten vor der Tür steht. Ihr Mann ist deprimiert, weil er es nicht mehr schafft, die Familie zu ernähren und sie sich immer häufiger wegen der finanziellen Schwierigkeiten streiten.

Frau M. kommt alleine zum Beratungsgespräch. Weint und redet sich erst einmal alles von der Seele, was sich seit Wochen aufgestaut hat. Zuhause vor den Kindern kann sie das alles nicht zeigen, muss sie stark sein. Der Druck lastet schwer auf ihr: Die Kinder brauchen dringend Winterkleider, äußern Weihnachtswünsche, aber alles ist so viel teurer geworden. Frau M. hat außerdem große Angst, dass der Strom abgestellt wird und sie im Dunkeln sitzen müssen.

Als Mutter muss sie stark sein

Sie erzählt von ihrer familiären Situation, von ihrer Hilflosigkeit gegenüber den Depressionen ihres Mannes und ihrer Sorge, wie es weitergehen kann. Im Gespräch werden die Probleme gemeinsam sortiert und es wird nach Lösungen gesucht. Frau M. stellt einen Antrag auf Kinderzuschlag und Wohngeld. Sie erhält Lebensmittelgutscheine, damit die Versorgung der Familie erst einmal sichergestellt ist. In der Kleiderkammer finden sich einige Kleidungsstücke für die Kinder. Aus Nothilfemitteln wird der fällige Stromabschlag überwiesen und mit dem Vermieter eine Lösung gefunden. „Es werden noch weitere Beratungsgespräche nötig sein, aber als Frau M. nach Hause geht, hat sie wieder Tränen in den Augen. Aber dieses Mal weint sie vor Erleichterung“, erzählt die Sozialdiakonin.   knz

 
 
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