Premieren gibt es nicht nur in Opernhäusern und Theatern, nein, auch das vielleicht berühmteste Circus-Theater der Welt, Roncalli, überraschte am Mittwochabend das Ludwigsburger Publikum mit dem ganz neuen Programm „ARTistART“. Direkt aus New York in die Barockstadt angereist, gastiert Bernhard Paul mit seiner Truppe nun bis zum 1. September vor der wunderbaren Kulisse des Ludwigsburger Schlosses.
Circus-Theater Roncalli in Ludwigsburg Clowns, Glamour und atemberaubende Akrobatik
Das Circus-Theater Roncalli feiert eine fulminante Premiere. Das Publikum rund um die Manege tobt vor Begeisterung.
Lohnt es sich heute denn noch, in den Zirkus zu gehen, nachdem wir zuhause alle technischen Möglichkeiten haben, uns nach Lust und Laune unterhalten zu lassen? Eindeutige Antwort: Ja, es lohnt sich, es ist sogar ein unvergleichliches Erlebnis, Augen- und Ohrenschmaus, Inspiration für Seele und Geist zugleich, eine schrille Parallelwelt wie in einem Märchenbuch, in die man von Zeit zu Zeit einfach eintauchen muss.
Das Gesamterlebnis unterhält
Dabei ist es nicht nur das eigentliche Programm, die etwa zwanzig Nummern, die an jedem Abend präsentiert werden, es ist die Atmosphäre, das Gesamterlebnis, das die gesamte Sensorik, auch die Nase, anspricht und die Besucherinnen und Besucher zweieinhalb Stunden lang gekonnt und genussreich unterhält. Plötzlich findet man sich in der Oper Carmen, in Spanien, wieder, oder in Paris, oder im Berlin der 1920er-Jahre, und Clowns und Balletttänzerinnen in fantasiereichen Kostümen umrahmen den perfekt illuminierten Auftritt von Jongleuren, Gummimenschen und schwindelfreien Turnerinnen und Turnern, die unter der 16 Meter hohen Kuppel versuchen, die Schwerkraft auszuhebeln.
Da gibt es die Illusionistin Alexandra Saabel, die das Publikum in magische Traumwelten entführt. Oder die romantisch-poetische Geschichte des Artisten-Duos Turkeev, das mit hochprofessioneller Luftakrobatik das Publikum den Atem anhalten lässt. Da sind die Clowns Canutito, Matute und Gensi, die in Umbaupausen Zuschauerinnen und Zuschauer zu Mitakteuren machen. Da gibt es den Professor Wacko, einen Artisten in fortgeschrittenem Alter, der mit einer Slapstick-Trampolin-Nummer, die absolute Präzision erfordert, Beifallsstürme auslöst. Und den Ausnahmeartisten Andrey Romanovski, der seinen Körper weit über das normale Maß hinaus zu verbiegen vermag, so sehr, dass man fast Mitleid bekommt. Da ist der mexikanische Jongleur Noel Aguilar, der mit seiner Nummer die Messlatte weiter nach oben verschiebt, die Formation Adem Crew, das Duo Cardio, Nathalie Bru, das Roncalli-Ballett und viele mehr.
Auf Tiere verzichtet Roncalli. Lediglich in einer Lasershow während der Pause sind Pferde und Elefanten zu sehen. Die einen mögen dies bedauern, andere werden, in Zeiten, da viel über artgerechte Tierhaltung gesprochen wird, froh darüber sein.
Kunterbunt und schrill ist nicht nur das Programm, das zugleich Zirkuskunst, Tanz, Musikshow und Varieté ist, auch das Publikum ist gut durchmischt.
1499 Menschen finden im blau-weiß gestreiften Zeltpalast Platz, bei zwei Vorstellungen am Tag also knapp 3000 Zuschauerinnen und Zuschauer. Es ist schon imposant, das Roncalli-Zelt, das 37 Meter Durchmesser hat und 16 Meter hoch ist.
„Magisches Ensemble“
Bernhard Paul, Gründer und Direktor des Circus-Theaters Roncalli, der unzählige Künstler und Intellektuelle begeistert hat, darunter Joseph Beuys, Udo Lindenberg, Leonard Bernstein, Sting, Geraldine Chaplin oder Heinz Rühmann, erhebt den Anspruch, ein Kunstschaffender zu sein.
Mit dem Wortspiel „ARTistArt“ drückt er aus, dass er sich als Zirkuskünstler in der Gesellschaft großer Maler, Musiker und Filmemacher sieht. „Das Ensemble aus Schloss, Blühendem Barock und Zirkuszelt ist magisch“, sagte er in seiner Begrüßung. Oberbürgermeister Matthias Knecht hieß Paul willkommen und lud ihn schon jetzt zu einer fünften Spielzeit in die Barockstadt ein: „Kommen Sie wieder, wir brauchen Sie.“