Früher Ödenburg, heute Sopron „Daheim war dort und zu Hause hier“

Von Heidi Vogelhuber
Wandorf, das „Daheim“ von Claudia Söders Eltern. Noch immer besuchen die Söders die alte Heimat zwei bis drei mal jährlich, um Verwandte zu sehen. ⇥ Foto: Fotos: Claudia Söder

Claudia Söder aus Freiberg betreibt eine Homepage, die sich mit der Vertreibung der Deutschen 1946 aus Ödenburg in Ungarn beschäftigt und nun prämiert wurde. Ein Gespräch über Heimat.

Viele haben mir ihre Geschichten erzählt. Geschichten aus der alten Heimat und über die Vertreibung“, berichtet Claudia Söder. Die Eltern der Freibergerin kommen aus Wandorf oder Sopronbánfalva, einem Stadtteil Soprons in Ungarn, zu Deutsch: Ödenburg. Die Bevölkerung dort war um 1900 fast ausschließlich deutschsprachig. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde 1946 ein Großteil der deutschen Minderheit, die ursprünglich aus Bayern und Franken kamen, vertrieben.

So auch die Eltern von Claudia Söder. Die Mutter war damals acht Jahre alt, der Vater 16. „Es gibt zweierlei Vertriebene“, berichtet Söder aus ihren vielen Gesprächen. „Die einen sind traumatisiert und erzählen gar nichts, die anderen erzählen viel.“ Diejenigen, die noch jung waren – wie auch ihre Eltern – erinnern sich vor allem daran, dass es ein Abenteuer war. Zum ersten Mal Zugfahren zum Beispiel. „Aber die Jungen haben auch nichts zurückgelassen, sie hatten alles dabei.“ Die Älteren jedoch mussten Haus und Hof aufgeben und nur mit Handgepäck in die Fremde ziehen. Erst am Tag vorher habe die deutschsprachige Gemeinde erfahren, dass sie weg müsse. „Das Gerücht, dass es ihnen wie den Juden in den Konzentrationslagern ergehen könnte, kursierte“, wurde Claudia Söder berichtet. Einige wurden mit dem Zug nach Baden-Württemberg gebracht. Ein Zug fuhr nach Esslingen, einer nach Schwäbisch Gmünd und einer nach Mosbach. Dorthin, wo eben Arbeitskräfte gebraucht wurden. „Sie lebten sich schnell ein und waren schnell eingegliedert. Vor allem weil sie fleißig waren, sich schnell Häuser bauten“, wurde ihr berichtet.

Die Wurzeln kennen

„Daheim war dort und Zuhause hier“, erklärt Claudia Söder. So hörte sie ihre Eltern immer von der Heimat reden. „Für mich war das normal als Kind.“ Im Nachhinein sagt sie, dass man sich irgendwie zerrissen fühle. „Die Wurzeln sind dort. Und jeder will seine Wurzeln kennen.“

Und so kam es, dass sich Claudia Söder mit ihren Wurzeln beschäftigte, die Erzählungen der Vertriebenen aufschrieb. Kleine Büchlein über die alte Heimat wurden in kleiner Auflage gedruckt – und waren ständig vergriffen. „Ich fing an, die Bände abzutippen, sie zu digitalisieren.“ Es entstand nach und nach www.wandorf.de. Neben den Texten gab es auch eine Karte, die die Straßen Wandorfs zeigte und die Personen, die dort wohnten, benannte, Geburts- und Sterbedaten sowie ein Foto, falls vorhanden, dokumentierte. „Dann wollten die Nachbargemeinden auch verzeichnet werden. Es hat dann eine Eigendynamik entwickelt“, erinnert sich Söder. Mittlerweile ist die Homepage in www.oedenburgerland.de umbenannt worden und dadurch wurde dieser Begriff erst geprägt, der Ödenburg und Umgebung bezeichnet.

„Das ist ein Riesenaufwand und geht nur, weil so viele mitmachen“, sagt Söder. Ihr Mann Thorsten ist mittlerweile auch dabei, „die Ortspläne sind sein Ding.“ Ihr Onkel, Matthias Gritsch, war die „Wandorfer Außenstelle“. Er führte Listen über Straßen und Menschen und trieb das Ganze voran, gemeinsam mit Ludwig Müllner, Claudia Söders Vater, der in Deutschland bei den Vertriebenen nachfragte. „Die beiden chatteten oft abends miteinander“, sagt Söder und lacht. Ihr Vater sei 92 Jahre alt und richtig fit am PC. Er verwalte das Ahnenprogramm, rufe Hinterbliebene an, frage nach Fotos. „Er wollte am Anfang nicht so recht, jetzt kann er nicht mehr ohne.“

Mittlerweile sei es bereits die Enkel-Generation, die sich darum kümmere, dass die Daten online stimmen und Fotos besorgt werden – und das von überall auf der Welt aus. „Es erstaunt und freut mich, dass Ahnenforschung auch junge Leute interessiert.“

 
 
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