Corona verändert auch Bestattungen „Die Schulter zum Anlehnen fehlt“

Von Heidi Vogelhuber
Das Tragen der Maske bei persönlichen Beratungsgesprächen ist für Alexander Becker von Gauger Bestattungen in Löchgau bereits zur Gewohnheit geworden. Die Vor-Ort-Gespräche werden allerdings immer weniger. Vieles wird nun telefonisch besprochen oder über das neue Onlineportal. ⇥ Foto: Oliver Bürkle

Wie das Coronavirus die Arbeit des Bestatters verändert hat, berichtet Alexander Becker von Gauger Bestattungen in Löchgau. Das Kondolieren fällt weg, das fehle den Trauernden sehr, sagt er.

Durch das Coronavirus hat sich viel geändert. Nicht nur für uns und unsere Abläufe, sondern auch für die Hinterbliebenen“, fasst Alexander Becker vom Löchgauer Bestattungsinstitut Gauger zusammen. Die grundsätzlichen Änderungen liegen auf der Hand: Es werden mehr Desinfektionsmittel sowie mehr Handschuhe und sonstige Schutzkleidung gebraucht, da der Kontakt zu infektiös Verstorbenen durch die Pandemie deutlich gestiegen ist. Früher war es eher selten, dass das Bestattungsinstitut derartige Schutzkleidung benötigte.

Abläufe haben sich geändert

Die Abholungen der Leichname sind langwieriger, etwa bei in Krankenhäusern oder Pflegeheimen Verstorbenen, berichtet Becker aus seinem Arbeitsalltag. Ohne Anmeldung in der dementsprechenden Institution gehe nichts, vor Ort werden bei den Bestattern Fieber gemessen und Fragen zur eigenen Gesundheit gestellt. „Um Papiere abzuholen oder um sich kurz vor der Abholung anzumelden, geht möglichst nur einer ins Gebäude“, sagt der Bestatter. Zum Transport werden zwei Personen benötigt.

„Die Todesbescheinigung besagt, ob der Verstorbene infektiös ist oder nicht“, erklärt Becker. Jedoch werde das Bestattungsinstitut im Falle einer Ansteckung mit Covid-19 vorab informiert, denn dann ist eine besondere Schutzausrüstung notwendig: Einwegoveralls, Atemmasken, Schutzbrillen und Überschuhe tragen die Bestatter, wenn sie das Zimmer des verstorbenen Infizierten betreten, um sich zu schützen.

Der Leichnam wird in einen sogenannten medizinischen Bodybag in den Sarg gebettet. Dieser spezielle Leichensack ist luftdicht verschlossen, sodass keine Viren nach außen dringen können. Nach mehrfacher Desinfektion von außen und innen wird der Sarg verschlossen – und bleibt es auch. „Das ist eine große psychische Belastung für die Angehörigen“, bedauert Becker den Ablauf, jedoch gehe es nicht anders. Die hygienische Totenversorgung, also das Herrichten des Toten, um in einem würdigen Zustand beigesetzt werden zu können, müsse leider entfallen. Auch kann kein besonderes Totenhemd angezogen werden. Der Verstorbene bleibt in dem Zustand, wie er gestorben ist. Auch das Aufbahren ist dementsprechend nicht möglich.

Doch nicht nur diese geliebte Tradition muss ausbleiben. Die Bestattung selbst musste während des ersten Lockdowns auf zehn Personen begrenzt werden. Oftmals wurde nach dem Lockdown eine Gedenkfeier im Nachhinein veranstaltet mit Trauerrede und allem, was dazu gehört.

Aktuell sind je nach Friedhof 50 (etwa im Stadtgebiet Sachsenheim) bis 100 (in Bietigheim-Bissingen) Personen zur Gedenkfeier zugelassen. Zum Teil werde daher der Bestattungstermin nicht in der Traueranzeige veröffentlicht, um diese Obergrenze nicht ungeplant zu sprengen. Doch auch die Trauerfeiern haben sich gewandelt. Durch das Verbot zu singen, kommen nun oft Solosänger zum Einsatz. „Beliebt ist es auch geworden, einige der Lieblingslieder des Verstorbenen abzuspielen“, sagt Becker. Das empfindet er als gar keine schlechte Wandlung. „Es werden mehr Möglichkeiten bedacht – das macht es individueller“, sagt er.

Aber auch beratungsintensiver. Viel laufe möglichst telefonisch ab, um Kontakte zu vermeiden. In diesem Sinne kommt dem Löchgauer Bestattungsinstitut auch zugute, dass bereits 2019 begonnen wurde, viel umzukrempeln. Alexander Becker und seine Freundin Stefanie Gauger sind im Begriff, das Familienunternehmen der Gaugers zu übernehmen (die BZ berichtete). In diesem Zuge wurde etwa auch ein Onlineportal eingerichtet. Dort sind Bilder von den Friedhöfen einsehbar, Särge und Trauerkarten können ausgesucht werden.

Möglichst viel abnehmen

„Wir versuchen außerdem, den Angehörigen möglichst viel abzunehmen“, so Becker. Nicht selten komme es vor, dass der planende Angehörige in Quarantäne komme. Es sei dann eine große Hilfe, wenn das Bestattungsinstitut etwa den Blumenschmuck in Auftrag gibt. „Da haben wir technisch vorgearbeitet und können mittlerweile sogar aus dem Homeoffice arbeiten“, ist der Bestatter vom Onlineportal überzeugt.

Insgesamt hat Gauger Bestattungen sieben Mitarbeiter, die bei Besprechungen aufgeteilt werden. Und die kommen seit Ausbruch der Pandemie sehr viel häufiger vor.

Neben einer Pinnwand, die im Büro eingerichtet wurde, auf der je nach Stadtgebiet die neuesten Corona-Infos angepinnt sind, tauschen sich die Mitarbeiter stets aus, was noch optimiert werden könnte. „Jeder darf seine Vorschläge einbringen. Seit diesem Jahr haben wir eine Azubine, auch sie trägt ihre Ideen vor“, berichtet Becker. „Denn auf so etwas wie Corona kann keiner zurückblicken, niemand hat damit Erfahrung. Es ist für alle neu und wir möchten unser Bestmögliches geben“, sagt Becker.

Was leider nicht durch Online-Möglichkeiten zu lösen sei, ist die Nähe, auf die die Trauernden verzichten müssen. „Das Kondolieren fällt komplett weg. Kein Händedruck, kein Umarmen. Das fehlt den Hinterbliebenen sehr, eine Schulter zum Anlehnen in der schweren Zeit“, sagt der Löchgauer Bestatter.

 
 
- Anzeige -