Coronavirus und die Folgen Auch Tafelkunden trifft die Krise hart

Von Rena Weiss
Wegen der Corona-Pandemie und dem Schutz der meist ehrenamtlichen Mitarbeiter hat die Bietigheimer Tafel seit Mittwoch geschlossen.⇥ Foto: MARTIN KALB

Johannes Schockenhoff, Vorsitzender der Bietigheimer Tafel, über die Schließung der Einrichtung, die Zusatzkosten der Kunden und alternative Angebote für Menschen mit geringem Einkommen

Seit Mittwoch hat die Bietigheimer Tafel geschlossen, um ihre Mitarbeiter vor einer Corona-Ansteckung zu schützen (die BZ berichtete). 160 Kunden hat die Einrichtung sonst an jedem der drei Öffnungstage pro Woche. Die BZ hat sich bei Johannes Schockenhoff, Vorsitzender des Tafelvereins, nach der aktuellen Lage erkundigt.

Herr Schockenhoff, was befürchten Sie: Welche Folgen hat die Schließung für die Kunden?

Die Kunden konnten bislang im Tafelladen einen Teil ihres Grundbedarfes vor allem an Obst, Gemüse, Molkereiprodukten, Brot und Backwaren sowie in geringeren Mengen auch Fleisch und Wurst abdecken. Die meisten Kunden kaufen im Tafelladen für durchschnittlich 2 bis 3 Euro pro Einkauf ein. Dies entspricht etwa 15 bis 20 Euro Einkaufswert im Supermarkt. Ein Tafelladenkunde spart pro Einkauf etwa 15 Euro, in der Woche 45 und im Monat bis zu 200 Euro durch den Einkauf im Tafelladen. Das heißt jeden Kunden kostet die Schließung 200 Euro pro Monat. Das ist viel Geld für die Tafelladenkunden, die ja alle nur über ein begrenztes Einkommen verfügen.

Obdachlosen-Helfer haben vorgeschlagen, dass Supermärkte Waren nun einfach in Kisten draußen abstellen könnten, für Bedürftige.

Das ist nicht praktikabel, da die Supermärkte gar nicht mehr dazu kommen, die noch brauchbare, aber aus den Regalen auszusortierende verderbliche Ware an den Rampen hinzustellen und vorzubereiten. Wir hatten schon letzte Woche, als wir noch geöffnet hatten, deutlich weniger Ware von den Supermärkten bekommen, eben nicht weil es keine Ware mehr gegeben hätte, sondern weil das Supermarktpersonal mit Nachfüllen der Regale vollauf beschäftigt war.

Die Sicherheit der Tafelmitarbeiter geht vor, aber gibt es vielleicht andere Wege, den Menschen zu helfen?

Die Tafelläden können nur mit ihren Mitarbeitern planen, und diese müssen wir in der jetzigen Situation eben schützen. Ob andere Organisationen eine solche Aufgabe übernehmen könnten, bleibt zu prüfen. Wir hoffen ja, dass wir spätestens nach Ostern den Tafelladen wieder aufmachen können. Wir haben auch in den Sommerferien immer zwei Wochen geschlossen. Nur wenn es länger anhält, dann wären andere Lösungen zu überlegen. Dann werden aber auch wir uns überlegen, wie wir zu solchen Alternativen beitragen können.

Für Unternehmen könnten bald Fördermittel fließen, wie sieht das mit der Tafel aus?

Die Tafeln sind ja so oder so eine stark auf Spenden angewiesene Einrichtung. Unsere Mitarbeiter arbeiten bis auf die Ladenleitung und einige Minijobber ehrenamtlich, wir haben keine Wareneinsatzkosten, da uns diese von den Supermärkten unentgeltlich bereitgestellt werden.  Die Bietigheim-Bissinger Tafel ist dank ihrer gewerblichen und privaten Spender finanziell ausreichend aufgestellt, um diese Zeit zu überbrücken. Ich mache mir da mehr Sorgen um Taxifahrer, Kleingewerbe, Gastronomen, Handel und so weiter, die selbst keine großen Rücklagen haben. Ich befürchte, dass einige von ihnen zu unseren Kunden werden.

Werden sozialschwache Menschen von der Regierung allein gelassen?

So hart würde ich das nicht formulieren, denn natürlich werden alle Sozialleistungen ungekürzt weiterbezahlt. Aber natürlich wird die Situation der sozial schwachen Bevölkerung zusätzlich erschwert, beispielsweise indem Angebote wie der Tafelladen schließen. Und natürlich erstaunt es, mit welcher Schnelligkeit „unbegrenzte Kredite“ für Unternehmen bereitgestellt werden, um diese zu retten. Grundsätzlich sehe ich dies zwar positiv, denn diese Hilfe wird ja vor allem dafür eingesetzt, um den Firmen die finanziellen Spielräume zur Weiterzahlung der Löhne und Gehälter zu ermöglichen.  Die Firmeneigentümer und Aktionäre müssen darüber hinaus noch genügend eigene Beiträge leisten. Aber das Verhältnis stimmt tatsächlich nicht ganz. 2018 wurden beispielsweise für alle Hartz4-Leistungen zusammengerechnet in Deutschland 27,8 Mrd. Euro ausgegeben.  Die Kosten der Corona-Krise kann noch niemand abschätzen, aber sie werden hoch im dreistelligen Milliarden-Bereich liegen. Es wäre wünschenswert, dass die sozialen Krisen genauso viel Beachtung finden.

 
 
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