CTA in Ludwigsburg vom Fraunhofer Institut ausgezeichnet Abfall, der alles andere als wertlos ist

Von Heidi Vogelhuber
Sebastian Heinemann präsentiert eine zusammengedrückte Tonne, die so aufbereitet recycelt werden kann. Statt für die Entsorgung zu bezahlen, bekommt CTA Geld für das Metall. ⇥ Foto: Oliver Bürkle

Sebastian Heinemann arbeitet bei der Chemie-Firma CTA in Ludwigsburg. Durch ihn hat das Unternehmen nun ein Nachhaltigkeitszertifikat bekommen und verdient mit ihrem Müll Geld.

Dass Abfall alles andere als wertlos ist, dürfte inzwischen bekannt sein. Spart man zu Hause durch Mülltrennung Restmüll ein, muss diese Tonne seltener geleert werden, was den Geldbeutel schont. Bei gewerblichen Abfallerzeugern ist das so ähnlich, nur im viel größeren Stil.

Laut Kreislaufwirtschaftsgesetz, insbesondere durch die seit 2017 geltende neue Fassung der Gewerbeabfallverordnung (GewAbfV), besteht die Pflicht, Abfall, der nicht vermieden werden kann, schadlos und ordnungsgemäß zu verwerten (siehe Infobox). Diese Pflicht wird begrenzt durch das technisch Mögliche und das wirtschaftlich Zumutbare, woraus sich die sogenannte 90/10-Regelung ergibt. 90 Prozent des Mülls müssen getrennt werden, die restlichen 10 Prozent dürfen in die Verbrennung.

Von Institut zertifiziert

Die Firma CTA mit Sitz im Ludwigsburger Stadtteil Oßweil ist ein Profi, wenn es darum geht, chemisch-technische Produkte in flüssiger bis hochpasteuser Form zu entwickeln, herzustellen, abzufüllen und zu verpacken. Sie ist aber auch ein Profi darin, Müll zu trennen. Das macht CTA so gut, dass sie dafür ein Nachhaltigkeitszertifikat vom Fraunhofer Institut erhalten, da rund 400 Tonnen Müll und damit mehr als 900 Tonnen CO2 eingespart wurden. Die entscheidende Person dafür ist – neben einem Chef, der Wert auf Recycling legt sowie bereit ist, experimentell zu agieren – Sebastian Heinemann.

Der 34-Jährige ist bei CTA Betriebsbeauftragter für Abfall. Er sei da irgendwie reingerutscht erklärt er im Gespräch mit der BZ und lacht. Seit sechs Jahren ist Heinemann in der Firma und seit fünf Jahren mit dem Thema Abfall betraut. Eigentlich lernte er Rechtsanwaltsfachangestellter. Im Zuge einer Selbstfindungsphase, wie Heinemann sagt, habe er aber nach einigen Jahren in der Anwaltsbranche nach etwas anderem gesucht. Nach verschiedenen Montage-Jobs wollte er sich in Richtung Lager orientieren und gelangte über eine Zeitarbeitsfirma zu CTA. „Ich hatte echt keine Ahnung von Chemie, habe mich aber irgendwie reingefuchst“, sagt er. Anfangs war er im Wareneingang und in der Materiallogistik. „Mein Chef fragte mich, ob ich mich nebenher um den Abfall kümmern kann“, sagt Heinemann, der inzwischen ein richtiger Abfall-Fan ist. Anfangs sei es vor allem um die richtige Entsorgung der gefährlichen Abfälle gegangen, die in einem Chemie-Unternehmen eben anfallen. „Ich habe in den Fässern Potenzial gesehen“, berichtet Heinemann. Oftmals seien Chemikalien nämlich verpackt und zusätzlich noch in Fässern gelagert. Die Fässer selbst bleiben dabei sauber. „Wir haben die Fässer ja einfach verschenkt, die werden zum Schrott gebracht und dann verkauft“, hatte Heinemann damals festgestellt.

1,4 Tonnen Metall täglich

60 bis 80 Fässer am Tag, also 1,4 Tonnen Metall. Da sei schon eine ordentliche Summe zusammengekommen. Er habe angefragt, ob man nicht in eine Fasspresse investieren könne. 22 000 Euro habe die gekostet. „Innerhalb von 1,5 Jahren hat sich die Maschine durch das Metall refinanziert“, sagt Heinemann. Alles danach sei Reingewinn für CTA.

Inzwischen hat Heinemann ein Verständnis für Abfall und die einzelnen Komponenten, aus denen der Abfall besteht. Beim Anblick einer Tube sehe er nicht nur Kunststoff. Verschiedene Komponenten, die mit einem überschaubaren Aufwand voneinander getrennt werden können sind unverschmutzte, also hochwertige Rohstoffe, die recycelt werden können und damit Geld einbringen. „Jeder Rohstoff hat einen Wert auf dem Markt. Wenn wir sie trennen, ist das ein gewinnbringendes Geschäft“, sagt Heinemann.

„Große Betriebe kommen der Abfalltrennung mittlerweile gut nach – weil sie es müssen“, erklärt er. Spätestens durch die 90/10-Regelung sei es unumgänglich, sich mit den Produktionsüberresten zu beschäftigen. „In Kleinbetreiben macht das einer nebenher“, ergänzt der 34-Jährige. Einmal einen Deal ausgemacht, bleibe das eben so, auch wenn ein Abfallverwertungsunternehmen daran doppelt und dreifach verdiene, bestätigt auch Rune Madrzejewski. Der Vertriebler arbeitet für die Freiberger Firma Remondis, einem Entsorgungsunternehmen. Madrzejewski und Heinemann arbeiten in Symbiose. „Klar würden wir mehr verdienen, wenn Sebastian nicht so hinterher wäre. Trotzdem geben Menschen wie er und Firmen wie CTA Recycling einen einen Push nach vorne“, erklärt Madrzejewski. Deshalb habe er CTA auch für das Zertifikat beim Fraunhofer Institut vorgeschlagen. „Wenn man Materialien so nutzt, schont man Ressourcen und Belastet die Umwelt nicht. Klar entsteht viel Abfall, aber durch eine nachhaltige Entsorgung kann daraus trotzdem etwas Gutes werden“, sagt der Remondis-Mitarbeiter.

20 verschiedene Abfallarten

„Mag schon sein, dass ich meinen Kollegen ab und an auf die Nerven gehe“, sagt Heinemann und lacht. Beim Gang durch die Produktion wird schnell klar warum. Fleißig arbeiten die Mitarbeiter an den unterschiedlichen Maschinen. Füllen beispielsweise Acrylfarbe in Tuben ab, etikettieren sie später. Und neben jeder Maschine stehen zig Behälter, sorgsam beschriftet: Karton, Etikettenpapier, Metall. „399,5 Tonnen an nicht-gefährlichen Abfällen trennen wir im Jahr auf 20 verschiedene Abfallschlüssel auf“, erklärt Heinemann. Gefährlicher Abfall wiederum koste in der Entsorgung, ebenso gemischte Kunststoffe. Meistens sei dann das Ende der Produktionskette erreicht und der Müll werde verbrannt.

„Wir sind zu zweit in der Recycling-Abteilung und bekommen bald einen dritten Kollegen“, sagt Heinemann. Der Clou: Die Abteilung finanziert sich selbst. „Viele Firmen geben Geld für etwas aus, wofür sie eigentlich Geld bekommen sollten“, sagt Heinemann stolz. „Und dass ein Chemiebetrieb so eine hohe Quote hat, ist beachtlich“, ergänzt Madrzejewski. Statt die 90/10-Regelung zu erfüllen, ist CTA inzwischen bei 92,5/7,5 angelangt und Heinemann möchte die Quote 2021 noch weiter steigern.

Privat trennt der Recycling-Fan übrigens ganz konventionell nach Rest, Flach und Rund.

 
 
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