Als Geburtsstunde des Kinos gilt die erste Vorführung des Cinématografen der Brüder Auguste und Louis Lumière vor zahlendem Publikum – rund 30 Zuschauern – am 28. Dezember 1895 im Pariser Grand Café. Bald darauf schossen Kinogebäude wie Pilze aus dem Boden. Bei der Ausstattung protzte man mit Samtvorhängen, Kronleuchtern und royalen Farben wie rot und gold auf. Weil die Kinos damals so prächtig waren, wurden sie auch „Filmpaläste“ genannt oder „Lichtspielhäuser“, bezogen auf die Technik, da der Projektor mit Hilfe von Licht den Film auf die Leinwand wirft. Seit 1927 gibt es den Tonfilm, seit 1939 den Farbfilm.
Das Ende der Kino-Ära in Bietigheim-Bissingen 110 Jahre lokale Kino-Geschichte
Ende dieses Jahres schloss das letzte Kino Bietigheim-Bissingens, die Olympia- und Paradies-Lichtspiele in Bissingen. Dabei hat die Stadt eine langjährige Geschichte der Kinos. Ein Blick ins Archiv.
1912: Bietigheims erstes Kino
Sehr früh begann auch die Geschichte des Kinos in Bietigheim-Bissingen. 1912 wurde das „Lichtspielhaus Bietigheim“ als eines der ersten Kinos in Baden-Württemberg eröffnet. Standort war über dem Mühlkanal auf der Bleichinsel, wo sich heutzutage die Lama-Bar und ein Fitnessstudio befindet. Auf einen Kinobetreiber namens Berke (Vorname unbekannt) folgte der Ludwigsburger Ernst Meier um 1920, ab 1922 bis 1931 übernahm Otto Neff, abgelöst durch Otto Mertz bis etwa 1940. Anfang 1945 wurde das Kino kurz vor Kriegsende zerstört, es brannte ab. Bereits im Sommer 1945 jedoch wurde ein Ausweichquartier im Kronensaal eingerichtet. Es wurde der Name „Kronen-Lichtspiele“ geprägt.
Ein zweites Kino eröffnet
Sieben Jahre später, 1952, eröffnete die Familie Schaich das Delta-Kino an der Stelle, an der zuvor das abgebrannte Gebäude stand. Der Mühlkanal, der zuvor das Lichtspielhaus umfloss, wurde zugeschüttet. Das Delta-Kino gab es bis 2005 an derselben Stelle.
1951 eröffnete die Familie Graf ein Kino im damals noch selbstständigen Bissingen (in der Steigstraße 1): das Olympia. 1956 wurde es durch die „Enzlichtspiele“, später in „Paradies“ umbenannt, ergänzt. Bis zum Ende 2022 gab es beide Vorführsäle.
1991 übernahm Stefan Schaich, der bereits das Delta-Kino in Bietigheim in dritter Generation betrieb, auch das Bissinger Kino. 2004 gab Schaich beide Kinos an Martin Krutzke weiter. 2011 stand, nachdem das Delta bereits 2005 geschlossen wurde, das Bissinger Kino kurz vor dem Aus, jedoch sprangen Jürgen Graf und seine Frau Karin in die Bresche und retteten mit viel Herzblut und einer großen Investitionssumme das Kino, das einst Grafs Großvater aufgebaut hatte. Neben einem neuen Filmprojektor investierte das Paar 2012 auch in 3D-Technik. Die Corona-Pandemie brachte die Grafs in eine schwierige Lage, die gestiegenen Energiekosten und das Fernbleiben des Publikums machten das Betreiben des Kinos unwirtschaftlich.
Damit endete im Dezember 2022 die 110-jährige Kino-Geschichte Bietigheim-Bissingens.
